Ist im Mietvertrag die Wohnfläche einer Wohnung zu groß oder zu klein angegeben, so hat dies bislang keine Rolle gespielt, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 % der Gesamtfläche betragen hat. Erst dann konnte, wenn die Fläche zu groß angegeben war, der Mieter eine Herabsetzung oder aber umgekehrt, wenn die Fläche zu klein angegeben war, der Vermieter eine Erhöhung der Miete verlangen.
Diese starre Grenze hat der BGH nunmehr in seinem Urteil vom 18.11.2015 (VIII ZR 266/14) aufgegeben. Nach seiner jetzt vertretenen Auffassung kommt es dabei ausschließlich auf die tatsächliche Wohnfläche an.
In dem nun entschiedenen Rechtsstreit hatte ein Vermieter geklagt, weil im Mietvertrag die Wohnfläche lediglich mit knapp 157 m² angegeben war, während die Wohnung in Wahrheit 210 m² hatte. Der Vermieter wollte deshalb die Miete von aktuell 629,75 € auf 937,52 € erhöhen, wobei in diesem Betrag mit 94,46 € allgemeine Mieterhöhung bis zur Kappungsgrenze beinhaltet war. Der darüber hinausgehende Betrag sollte aufgrund der Flächenabweichung erfolgen. Der Mieter war aber nur mit der allgemeinen Mieterhöhung, nicht jedoch mit dem darüber hinausgehenden Betrag einverstanden, so dass der Fall schließlich vor Gericht landete.
Die Richter stellten zunächst fest, dass es im Rahmen des Mieterhöhungsanspruchs des Vermieters nach § 558 BGB nur auf die tatsächliche Größe der Wohnung ankommt. Sie gaben damit ihre bisherige Rechtsprechung zur 10 % Grenze auf. Im Ergebnis war der Vermieter dann aber doch unterlegen, weil nach Auffassung der Richter auch hier die Kappungsgrenze zu beachten sei und diese der Vermieter (diesmal) bereits mit seiner allgemeinen Mieterhöhung ausgeschöpft hatte, so das (vorläufig) kein Anspruch auf eine höhere Miete besteht.
Anmerkung:
Der Vermieter muss jetzt in einem nächsten Schritt versuchen sukzessive die objektiv zu niedrige Miete unter Berücksichtigung der jeweiligen Kappungsgrenze anzupassen, bis sie die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht hat.
Der Fall, dass die Wohnfläche zu niedrig angegeben worden ist, dürfte in der Praxis aber nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme sein. Hat Ihr Vermieter dagegen die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben, dann können Sie auf Grundlage der geänderten Rechtsprechung, auch wenn eine Flächenabweichung von unter 10 % vorliegt, für die Zukunft nicht nur eine Herabsetzung der Miete, sondern gleichzeitig auch zu viel gezahlte Miete, soweit solche Ansprüche noch nicht verjährt sind, also für die letzten 3 Jahre, zurückverlangen. Das nachmessen der Wohnfläche kann sich also lohnen. Ob es sich dann aber auch lohnt die Ansprüche gegen den Vermieter durchsetzen kommt auf den Einzelfall an, weil jedenfalls eine rechtliche Auseinandersetzung regelmäßig das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter nicht gerade verbessert. Gerade dann, wenn der Vermieter nicht eine anonyme Gesellschaft ist oder der Vermieter Hunderte von Kilometern entfernt wohnt, kann ein zerrüttetes Mietverhältnis erhebliche emotionale Belastungen zur Folge haben, die oft den finanziellen Nutzen nicht aufwiegen können. Da bei Streit über die Größe der Wohnfläche bei Gericht regelmäßig ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Wohnungsgröße eingeholt werden wird und derjenige, der behauptet die Wohnfläche sei unrichtig die Beweislast trägt, also auch die Kosten für das Gutachten vorschießen muss, kann ein solcher Rechtsstreit wirtschaftlich sinnvoll, jedenfalls dann, wenn die Flächenabweichung nicht evident ist, auf Seiten des Mieters nur dann geführt werden, wenn eine Rechtsschutzversicherung zur Seite steht.
Haben Sie bislang noch keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, aber festgestellt, dass Sie Ansprüche gegen Ihren Vermieter geltend machen könnten, dann können Sie sich regelmäßig nachträglichen Rechtsschutz nicht dadurch erkaufen, dass sie zunächst eine Rechtsschutzversicherung abschließen, dann die 3-monatige Wartezeit zuwarten, um erst dann gegen den Vermieter vorzugehen. Die Versicherung wird nämlich darauf abstellen, wann der Mietvertrag abgeschlossen worden ist und deshalb wegen sog. Vorvertraglichkeit ihre Eintrittspflicht ablehnen. Sie könnten sich dann allerdings mit der Rechtsschutzversicherung darüber streiten, ob nicht Versicherungsschutz für zukünftige Mieten erteilt werden muss, weil sich die Rechtsverletzung, die für den Eintritt der Rechtschutzversicherung erforderlich ist, nicht jeden Monat aufs Neue wiederholt, wenn der Vermieter aufgrund unrichtiger Angaben im Mietvertrag eine zu hohe Miete verlangt.