Banken wollen bekanntlich nur Ihr Bestes, nämlich Ihr Geld. Deswegen sind gerade in Verträgen zur Immobilienfinanzierung regelmäßig Klauseln vorhanden, die es der Bank gestatten eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen, wenn das Darlehen vor Vertragsbeendigung zurückgeführt wird, weil beispielsweise die Immobilie verkauft wurde oder aber ein Kaufvertrag über eine Immobilie rückabgewickelt werden musste und so vorzeitig das Darlehen nicht mehr benötigt wird. Je nach Höhe des Darlehens kommen so schnell 5-stellige Beträge zu Stande, die der Kunde an seine Bank als so genannte Vorfälligkeitsentschädigung, also eine Art pauschalierten entgangenen Gewinn, bezahlen muss.
Der BGH hat nun mit Urteil vom 19.01.2016 (VI ZR 388/14) die Rechte von Kreditnehmern dadurch gestärkt, indem er eine Klausel in Banken AGBs für unwirksam erklärt hatte, nach der künftige Sondertilgungsmöglichkeiten im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht zugunsten des Kunden berücksichtigt werden sollten. Die Bank hatte dabei folgende Regelung formuliert:
„Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt.“
Während das zuvor mit der Klage befasste Landgericht die Klausel durchgewunken hatte, war das Oberlandesgericht bereits zu der Meinung gelangt, dass diese unwirksam sei. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof nun bestätigt.
Zur Begründung haben die Richter ausgeführt:
„Die angegriffene Klausel hält der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand.
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen unter anderem solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden. Das trifft auf die beanstandete Klausel zu.
Die Auslegung der umfassend formulierten Regelung ergibt, dass sie aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden jedenfalls auch bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrages durch den Darlehensnehmer infolge der Ausübung seiner berechtigten Interessen nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB Anwendung findet.
Auf der Grundlage dieser Auslegung weicht die beanstandete Klausel von gesetzlichen Regelungen ab. Nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB hat der kündigende Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht. Die Anspruchshöhe ist nach den für die Nichtabnahmeentschädigung geltenden Grundsätzen zu ermitteln, wonach der maßgebliche Schadensumfang den Zinsschaden und den Verwaltungsaufwand des Darlehensgebers umfasst.
Ersatzfähig ist der Zinsschaden jedoch lediglich für den Zeitraum rechtlich geschützter Zinserwartung des Darlehensgebers. Die rechtlich geschützte Zinserwartung wird – unter anderem – durch vereinbarte Sondertilgungsrechte begrenzt. Diese begründen ein kündigungsunabhängiges Teilleistungsrecht des Darlehensnehmers zur Rückerstattung der Valuta ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Mit der Einräumung solcher regelmäßig an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Sondertilgungsrechte gibt der Darlehensgeber von vornherein seine rechtlich geschützte Zinserwartung im jeweiligen Umfang dieser Rechte auf.
Von diesen Grundsätzen der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB weicht die beanstandete Regelung zum Nachteil des Darlehensnehmers ab, indem dessen künftige Sondertilgungsrechte, die die Zinserwartung der Beklagten und damit die Höhe der von ihr im Falle einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beanspruchenden Vorfälligkeitsentschädigung beeinflussen, bei der Berechnung – generell – ausgenommen werden.
Die generelle Nichtberücksichtigung vereinbarter künftiger Sondertilgungsrechte bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung führt zu einer von der Schadensberechnung nicht gedeckten Überkompensation der Beklagten.
Die Klausel ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.“
Anmerkung:
Es gibt auch Möglichkeiten einer Vorfälligkeitsentschädigung ganz zu entgehen. Bei langfristigen Darlehensverträgen mit einer Laufzeit von über 10 Jahren besteht beispielsweise nach 10 Jahren ein Kündigungsrecht, ohne dass hierdurch eine Vorfälligkeitsentschädigung ausgelöst werden würde. Auch Fehler in der Widerrufsbelehrung, können im Ergebnis dazu führen, dass keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werden kann, weil das Vertragsverhältnis durch schlichten Widerruf beendet werden kann. In derartigen Fällen kann unter Umständen der Spieß sogar umgedreht werden und Sie können dafür, dass die Bank Ihr Kapital nutzen konnte, noch zusätzlich Nutzungsentschädigung verlangen. Wenn Sie also einen Darlehnsvertrag abgeschlossen haben, der keine marktgerechten Zinsen beinhaltet und lieber auf ein günstigeres Darlehen zum aktuellen Zinsniveau umsteigen wollen, dann lohnt es sich zu prüfen, ob Sie nicht aus dem Vertrag ohne Vorfälligkeitsentschädigung aussteigen können.
Im Falle eines Widerrufs müssen Sie allerdings das Darlehen innerhalb von 30 Tagen vollständig zurückzahlen. Bevor ein Widerruf erklärt wird, sollte daher auf jeden Fall eine Anschlussfinanzierung stehen.