Wer als Geschäftsführer einer GmbH nicht seiner Insolvenzantragspflicht nachkommt und innerhalb von 3 Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife Insolvenzantrag stellt, der riskiert persönlich vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen zu werden.
Geschäftsführer neigen oft dazu, die wirtschaftliche Situation des von ihnen geleiteten Unternehmens rosiger zu sehen, als sie tatsächlich ist, so dass die Haftungsgefahr groß ist.
Der BGH hat nun in seinem Urteil vom 26.01.2016 (II ZR 394/13) klargestellt unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer haftet und was seine Pflichten sind. Der Insolvenzverwalter hatte den Geschäftsführer vor dem Landgericht München I und dem Oberlandesgericht München erfolgreich, gestützt auf § 64 GmbH-Gesetz, zur Zahlung derjenigen Beträge verklagt, die nach Insolvenzreife über ein debitorisches Geschäftskonto der GmbH geleistet wurden bzw. eingegangen sind. Der BGH dagegen hat das Urteil des Oberlandesgerichts München aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen, weil nach seiner Ansicht nach den Feststellungen der Vorinstanzen unklar war, ob überhaupt von einer Zahlungsunfähigkeit zum behaupteten Zeitpunkt auszugehen war und ob der Geschäftsführer zu diesem Zeitpunkt die geleisteten Zahlungen schuldhaft vorgenommen hat.
Gleichzeitig hat er die Grundsätze konkretisiert, wann von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist und unter welchen Voraussetzungen dann der Geschäftsführer haftet.
1. Danach führte die andauernde Nichtzahlung erhebliche Verbindlichkeiten grundsätzlich zur Annahme der Zahlungseinstellung und damit zur Zahlungsunfähigkeit. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zum fraglichen Zeitpunkt aufgrund konkreter Umstände angenommen werden konnte, die Schuldnerin werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Auch dann, wenn von einer Zahlungseinstellung auszugehen ist, kann die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit dadurch widerlegt werden, wenn eine Liquiditätsbilanz im maßgeblichen Zeitraum eine Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist. In eine solche Bilanz sind auf der Aktivseite neben den verfügbaren Zahlungsmitteln auch die Mittel aufzunehmen, die innerhalb von 3 Wochen flüssig zu machen sind. Hierzu zählen auch kurzfristig verfügbare Kreditmittel. Die Zahlungszusage der Gesellschafter zur Erfüllung der jeweils fälligen Verbindlichkeiten kann ebenso die Zahlungsunfähigkeit vermeiden. Dies allerdings nur dann, wenn der Schuldnerin ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird oder die Gesellschafter dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommen.
2. Ergibt die Liquiditätsbilanz dagegen eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Unterdeckung von 10 % oder mehr, dann ist grundsätzlich von einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin auszugehen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Liquiditätslücke zwar erst mehr als 3 Wochen später, aber dennoch in absehbarer Zeit vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls auch zuzumuten ist.
3. Ist die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife gegeben, haftet der Geschäftsführer für die von ihm veranlassten Zahlungen, sofern er die Vermutung, er habe schuldhaft gehandelt, nicht widerlegt. Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt, dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz mit den eben genannten Vorgaben zu überprüfen.
Erweisen sich hierbei angestellte Prognosen nach Ablauf des maßgebenden Zeitraums von drei Wochen als unzutreffend und besteht statt einer angenommenen Zahlungsstockung bereits Zahlungsunfähigkeit, können zwischenzeitliche Zahlungen, die in der vertretbaren Annahme fortbestehender Zahlungsfähigkeit erbracht worden sind, unverschuldet sein. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss.
Dabei muss er sich, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, ggf. fachkundig beraten lassen. Der Geschäftsführer, der selbst nicht hinreichend sachkundig ist, ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen war.
Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Dabei reicht es aus, wenn der Geschäftsführer auch durch eine nicht ausdrücklich auf die Prüfung der Insolvenzreife bezogene Auftragserteilung an einen sachkundigen Dritten entlastet wird, falls er sich nach den Umständen der Auftragserteilung unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt darauf verlassen durfte, die Fachperson werde im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife rechtzeitig prüfen und ihn gegebenenfalls unterrichten.
Fazit: Der Fall verdeutlicht, dass derjenige Geschäftsführer, der in der Krise versucht diese dadurch auszusitzen, indem er den Kopf in den Sand steckt, schnurstracks in die Eigenhaftung gerät.