Das Internet galt lange Zeit als rechtsfreier Raum. Dieses Stadium hat es (Gott sei Dank) längst überwunden, so dass auch heute allgemein anerkannt ist, dass grundsätzlich im Internet die gleichen „Spielregeln“ gelten, wie im realen Leben. Ein Vertragsschluss ist ein Vertragsschluss und auch die Rechte des Urhebers werden hinreichend geschützt.
Geht es allerdings um Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung so hat es der Verletzte schwer, seine Rechte durchzusetzen, insbesondere aber den Verletzer zur Verantwortung zu ziehen. Ein unseres Erachtens falsches Signal hat nun der BGH in seinem Urteil vom 01.07.2014 (VI ZR 345/13) gesetzt, in dem er die Auskunftsklage eines Arztes gegen den Betreiber eines Bewertungsportal, auf dem über ihn unwahre Tatsachenbehauptungen veröffentlicht worden waren, letztinstanzlich abgewiesen hat. In den Vorinstanzen hatte das Landgericht und das Oberlandesgericht noch zu Gunsten des Arztes entschieden und den Betreiber verurteilt dem Arzt darüber Auskunft zu erteilen, wer ihn diffamiert hat.
Der Betreiber eines Internetportals, so die Richter, ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.
Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede stand – eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch eine Übermittlung an Dritte dar.
Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Eine solche Vorschrift hat der Gesetzgeber bisher – bewusst – nicht geschaffen.
Fazit: Wer also einem anderen bewusst schaden möchte, der kann sich (beinahe) bedenkenlos in Bewertungsportalen austoben.
Anmerkung:
Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite Betroffenen kann allerdings ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u. a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.
Wenn man nun andererseits bedenkt, dass Kinder und Jugendliche zu Tausende wegen illegalem Filesharing von darauf spezialisierten Kanzleien verfolgt werden, weil zunächst über ausgeklügelte Software und darauf spezialisierte Unternehmen zunächst die IP- Adressen protokolliert werden und dann über entsprechende Auskunftsverfahren die Daten des zugehörigen Anschlussinhabers erlangt werden, dann könnte fast der Eindruck entstehen, dass aus Sicht der Rechtsprechung Urheberrechte der Musikindustrie im Einzelfall schwerer wiegen, als das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen. Dies erstaunt. Die Verletzung von Urheberrechten führt regelmäßig allenfalls zu einem materiellen Schaden, während Verleumdung und üble Nachrede im Internet auch eine Existenz vernichten kann.