Beim Filesharing geht es augenblicklich Schlag auf Schlag. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Urteil eines Obergerichts vergeht, aus dem sich wieder etwas Neues ergibt. Während sich aufgrund des letzten Urteils des BGH, das die Rechtsverfolgung für den Rechteinhaber wesentlich erschwert hat, das LG München I dazu veranlasst sah, einen bei ihm anhängigen Rechtsstreit auszusetzen und die Entscheidung des EuGH einzuholen (wir haben an dieser Stelle berichtet) hat nun der BGH am 30.03.2017 (I ZR 19/16) „zurückgerudert“ und in einer neuen Entscheidung klargestellt, dass Eltern verpflichtet sind, wenn sie im Rahmen ihrer Nachforschungen herausbekommen haben, welches ihrer Kinder die Tat begangen hat, den Namen des Kindes preisgeben müssen, wenn sie nicht selbst als Anschlussinhaber in Haftung genommen werden wollen. Das Recht am geistigen Eigentum des Klägers nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG und auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta würde hier dem Schutz der Familie Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG nach Auffassung der Richter vorgehen.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Die Eltern hatten sich damit verteidigt, dass nicht sie, sondern eines ihrer Kinder die Tat begangen hätte. Dieses hätte auf Nachfrage auch seine Täterschaft eingeräumt. Gleichwohl wollten die Eltern ihr Kind schützen und den Namen nicht preisgeben.
Sie waren der Auffassung dazu nicht verpflichtet zu sein, weil der Schutz der Familie dem Recht der Klagepartei vorgehen würde. Da hatten die Eltern offensichtlich die Rechnung ohne den BGH gemacht, der nun verlangt, dass Eltern ihre Kinder denunzieren.
Namen des Kindes nennen oder Prozessbetrug begehen? Das ist die Frage, die die Entscheidung des BGH für Eltern aufwirft
Dass ein Obergericht Eltern dazu zwingen will, ihre eigenen Kinder zu verpfeifen und das Recht am geistigen Eigentum über den Schutz der Familie stellt, ist nach Meinung des Verfassers nicht nur bedenklich, sondern auch absurd. Dies deshalb, weil hier die Ehrlichen bestraft werden. Hätten die Eltern nämlich zu ihrer Verteidigung nicht angegeben, eines ihrer Kinder habe die Tat ihnen gegenüber eingeräumt, sondern sie wüssten nicht, welches ihrer drei Kinder die Tat begangen hat, dann hätten sie damit grundsätzlich eine Chance gehabt, die Haftung abzuwenden. Letztlich werden hier nicht nur die Ehrlichen bestraft, sondern Eltern werden in die Zwickmühle gebracht, entweder ihr Kind zu verraten oder Prozessbetrug zu begehen. Ein solches Verständnis vom Schutz der Familie erscheint rechtlich bedenklich. Führt dies doch dazu, dass Eltern im Rahmen ihrer Nachforschung, bevor ein Kind seine Schuld einräumt, diesen nahe legen müssen, besser nichts zu sagen und die „Aussage zu verweigern“. Betrachtet man die Entscheidung des BGH wirtschaftlich, dann führt dies im Ergebnis letztendlich doch zu einer Erweiterung der Haftung der Eltern als Anschlussinhaber, denn, wenn sie den Namen ihres Kindes preisgeben, dann werden sie zwar nicht direkt als (vermutete) Täter in Anspruch genommen, gleichwohl aber wirtschaftlich trotzdem zur Kasse gebeten. Der Abmahner geht dann nämlich gegen das Kind vor und, nachdem dieses regelmäßig über keine eigenen ausreichenden finanziellen Mittel verfügt, um die finanziellen Forderungen der Abmahnindustrie zu befriedigen, werden die Eltern faktisch dann doch wieder gezwungen finanziell ihren Kindern unter die Arme zu greifen. Hier ist der Gesetzgeber zwingend gefordert um diesen Missstand, dass Familien in großem Stil verfolgt werden, einen Riegel vorzuschieben. Zumal hier die Rechtsprechung recht unübersichtlich ist und gerade eine erfolgreiche Rechtsverteidigung bei den Abgemahnten einen langen Atem verlangt. Neigen doch Untergerichte manchmal dazu, schnell den wohlklingenden Standardschriftsätzen der Abmahnungskanzleien Glauben zu schenken, um so die Akte schnell vom Tisch zu haben. Rechtssicherheit sieht anders aus.