Während Beamte im Lockdown weiter vom Staat alimentiert wurden und Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht beschäftigt werden konnten, weiter Anspruch auf Lohn oder jedenfalls Kurzarbeitergeld hatten, standen Selbstständige, deren Betrieb ohne eigenes Verschulden und ohne eigene Erkrankung durch staatliche Anordnung präventiv zwangsweise geschlossen wurde, erst einmal vor dem Problem, nicht nur von einem Tag auf den anderen keine Einnahmen mehr zu haben, sondern gleichzeitig, neben den eigenen Kosten der privaten Lebensführung auch fortlaufende Betriebskosten, wie Miete, Lohnkosten, Versicherungen, etc. bezahlen zu müssen. Um hier erhitzte Gemüter zu beruhigen und zu verhindern, dass aufgebrachte Selbstständige auf die Straße gehen, wurden großzügig Coronahilfen angekündigt und nach dem Gießkannenprinzip auch ohne größere Prüfung ausgezahlt.
Was viele dabei allerdings nicht bedacht haben, die in den Genuss dieser Hilfen kamen ist, dass der Staat, jedenfalls an seine steuerzahlenden Bürger, grundsätzlich nichts verschenkt und die Hilfszahlungen nicht dazu gedacht waren, das Überleben der Selbstständigen im Privatbereich zu finanzieren, sondern dass nur Betriebskosten abgedeckt werden sollte. Gerade kleinere Selbständige, insbesondere Soloselbständige, die oft keine oder keine nennenswerten Betriebsausgaben haben, gerade wenn sie im Dienstleistungsbereich oder künstlerisch tätig sind, erleben derzeit gerade, dass der Staat keineswegs so großzügig ist, wie es den Anschein hatte, weil landauf und landab Rückforderungsbescheide versandt werden, die die Empfänger nun ein 2. Mal in existenzielle Bedrängnis bringen, weil oft das Geld ausgegeben wurde und die Einnahmen nicht so üppig sind, dass daraus problemlos das Rückforderungsverlangen bedient werden könnte. Das ist aber eine andere Geschichte.
Präventive Betriebsschließung geht ausschließlich zulasten der Selbstständigen
Wer nun aber meint, dass der Staat, wenn er einen Betrieb schließt, ohne dass der Betreiber selbst eine Ursache für die Schließung gesetzt hat, für dadurch entstandene Schäden aufkommen müsste, der hat die Rechnung ohne die Justiz gemacht, denn der BGH hat nun mit Urteil vom 11.05.2023 (III ZR 41/22) entschieden, dass eine 6-wöchige Betriebsschließungen im Frühjahr 2020 (1. Lockdown) verhältnismäßig gewesen sei und der Staat auch nicht verpflichtet gewesen sei Regelungen für Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche zu treffen, sondern es zum Unternehmerrisiko gehöre, die Verluste, die mit einer solchen Betriebsschließung einhergehen, entschädigungslos hinzunehmen.
Friseurin klagt erfolgsos auf Schadenersatz
Geklagt hatte die Betreiberin eines Friseurgeschäfts, deren Laden vom 23.03. bis zum 04.05.2020 aufgrund einer Coronaschutzverordnung des Landes Baden-Württemberg zwangsweise geschlossen worden war und die die 9.000 € Corona Soforthilfe, die sie erhalten hatte, zwischenzeitlich wieder zurückzahlen musste. Im Klageweg hatte sie nun vom Land eine Entschädigung in Höhe von 8.000 € verlangt und dies mit den durch die unverschuldete Betriebsschließungen verbundenen erheblichen finanziellen Einbußen begründet und damit argumentiert, dass so weit reichende Maßnahmen, insbesondere die Betriebsschließungen ihres Friseurladens, zum Schutze der Allgemeinheit gar nicht erforderlich gewesen wäre.
Betriebsschließungen waren verhältnismäßig
Zunächst haben die obersten deutschen Bundesrichter klargestellt, dass auch unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, aber auch der Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, staatlich angeordnete Betriebsschließungen bzw. Betriebseinschränkungen verhältnismäßig gewesen seien. Die landesrechtlichen Regelungen, die Betriebsschließungen anordneten, so die Richter, verfolgten das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Gefahren, insbesondere auch die der Überlastung des Gesundheitssystems, zu bekämpfen. Schutzpflichten für Leben und Gesundheit der Bürger, die der Staat verfolgt hat, seien damit ein legitimer Zweck.
Sodann hatte das Gericht damit argumentiert, dass der Verordnungsgeber von Anfang an eine „Ausstiegsstrategie“ im Blick gehabt habe, also ein schrittweises Öffnungskonzept verfolgt hätte, aber auch die Corona Soforthilfe, die ab dem 25.03.2020 zur Verfügung stand und die für Betriebe mit bis zu 5 Beschäftigten bis zu 9.000 € vorsah in Baden-Württemberg zur Auszahlung von 2.100.000.000 Finanzhilfen geführt habe. Dass es sich dabei um eine politische „Mogelpackung“ gehandelt hat, weil die Auszahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung gestanden hat und viele, so auch die Klägerin, das erhaltene Geld wieder zurückzahlen musste, hat dabei nach Ansicht des Gerichts offensichtlich keine Rolle gespielt. Unklar ist, ob dies übersehen wurde, im Verfahren nicht hinreichend thematisiert wurde oder es für den BGH nur auf die Auszahlung ankam und die Rückforderung, die zeitlich versetzt folgte, komplett ausgeblendet wurde.
Gesetzgeber muss keine Ausgleichspflicht regeln
Es sei auch gerade im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden, dass in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die zu Betriebsschließungen geführt hätten, weder Schadenersatz- noch Entschädigungsregelungen enthalten waren, weil der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet sei für Belastungen, die innerhalb der Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Absatz ein S. 2 GG legen, Ausgleichsansprüche zu regeln. Vielmehr sei eine Betriebsschließung von 6 Wochen angesichts der gesamtwirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der Pandemie und auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin zu tragen Unternehmensrisikos nicht als unzumutbar einzustufen. Da die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates begrenzt sein müsste er sich in Pandemiezeiten gegebenenfalls auf seine Kardinalspflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken.
Anmerkung:
Vermieter haben ihre Miete erhalten, Banken ihre Zinsen, Versicherungen ihre Versicherungsprämien …
Reduziert man die Argumentation des BGH auf den wesentlichen Kern, dann heißt dies nichts anderes, als dass derjenige, der selbstständig ist, der Angeschmierte ist, weil er am Ende, im Vergleich mit anderen Bevölkerungsgruppen, wie Beamten oder Arbeitnehmern, alleingelassen wird und die Zeche der staatlichen Regelungswut zu bezahlen hat. Nicht nur, dass hier, wie im Fall der Friseurin, die Coronahilfe vollständig zurückgezahlt werden musste, weil sie im Restjahr 2020 offensichtlich noch so viel Umsatz gemacht hat, dass sie als nicht förderungswürdig gegolten hat, sondern sie musste auch im maßgeblichen Zeitraum ihren vollständigen privaten Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln, also entweder Erspartem oder über Schulden, finanzieren. Dies jedenfalls dann, wenn sie nicht gleich in dieser Zeit Arbeitslosengeld II, jetzt Bürgergeld, in Anspruch nehmen musste. Der markige Spruch von Kanzler Scholz, „You never walk alone“, der zugegebenermaßen erst später getroffen wurde, bekommt hier gleich eine andere Bedeutung und müsste ergänzt werden, „unless you are self employd“. Wie pflegte einer unserer Ausbilder während des Jurastudiums immer zu predigen: „wenn Sie Richter werden wollen, dann müssen sich eingewöhnen in ihren Klausuren immer staatstragend zu argumentieren. Dann liegen sie auf der richtigen Seite“. Anders als „staatstragend argumentiert“ lässt sich das Urteil des BGH kaum rechtfertigen.
Gerichte waren übrigens im Lockdown auch teilweise geschlossen, nicht aber, weil dies angeordnet gewesen wäre, sondern weil einzelne Richter und Richterinnen sich im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit geweigert habe in dieser Zeit zu terminieren. Mit Gehaltseinbußen war dies allerdings nicht verbunden, sondern allenfalls mit einem Zugewinn an Freizeit …ein „Unternehmerrisiko“, dass hier bemüht worden ist, um den Schaden bei der klagenden Friseurin zu belassen, tragen Richter natürlich nicht.
Nachdem wir zwischenzeitlich von einer Krise in die nächste Krise schlittern, also die Corona Pandemie bereits zum alten Eisen zählt, die jetzt nur noch juristisch aufgearbeitet werden muss, und das nächste Ungemach durch die Klimakrise droht, lässt sich bereits unschwer prognostizieren, was die Versprechungen im Hinblick Heizungstausch, die die Gemüter besänftigen sollen, wert sind. Wohl im Einzelfall nicht allzu viel. Aber das ist dann wieder ein anderes Thema.