Nun ist es amtlich. Das, was viele Betreiber der durch die coronabedingten Schließungsanordnungen gebeutelten Fitnessbranche bereits befürchtet hatten, ist eingetreten. Der BGH hat mit Urteil vom 04.05.2022 (XII ZR 64/21) den Betreiber eines Fitnessstudios zur Rückzahlung der Beiträge verurteilt, die dieser beim Kunden abgebucht hatte, obwohl das Fitnessstudio aufgrund staatlicher Anordnungen vom 16.03.2020 bis zum 04.06.2020 nicht geöffnet werden durfte. Einer Verlängerung der Vertragslaufzeit um die Dauer der Schließung, die das Fitnessstudio angeboten hatte, erteilten die Richter eine klare Absage.
Streit um Pflicht zur Beitragszahlung während coronabedingter Schließung in 2020
Der Kläger hatte bei dem beklagten Fitnessstudio am 13.05.2019 einen Vertrag mit einer Laufzeit von 2 Jahren abgeschlossen. Die monatlichen Mitgliedsbeiträge in Höhe von 29,90 € nebst einer halbjährigen Servicepauschale wurden dabei vereinbarungsgemäß per Lastschrift eingezogen. Obwohl das Fitnessstudio nach der einschlägigen Coronaschutzverordnung vom 16.03.2020 bis zum 04.06.2020 geschlossen war, zog der Betreiber weiter die Monatsbeiträge ein. Am 07.05.2020 erklärte der Kläger seine Kündigung zum 08.12.2021. Der Aufforderung die Beiträge für die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen war und der Kläger dieses daher nicht aufsuchen konnte zurückzahlen, kam er allerdings nicht nach. Auch einen Wertgutschein wollte er nicht ausstellen, sondern stattdessen einfach die Laufzeit des Vertrags über den Kündigungszeitpunkt hinaus entsprechend verlängern.
Der Kläger zog daraufhin vor Gericht und klagte 86,75 € ein. Nachdem bereits zuvor das Amtsgericht und das Landgericht der Klage stattgegeben hatten, hatten auch der BGH die Richtigkeit der Urteile bestätigt.
Rückzahlungsanspruch wegen Unmöglichkeit der Leistung
Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge habe.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB sei der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf.
So liege der Fall hier. Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liege kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird – wie im vorliegenden Fall – für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sei für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Könne der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er – wie hier – das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, könne dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung sei deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar, so die Richter.
Keine Anpassung über die Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage
Der Argumentation des Fitnessstudiobetreibers, dass hier eine Anpassung des Vertrags nach den Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, erfolgen müsse, erteilten Gericht eine klare Absage. Dies bereits deshalb, weil im Fall des Anwendungsbereichs des § 275 Abs. 1 BGB aufgrund des bestehenden Konkurrenzverhältnisses ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 313 BGB ausgeschlossen sei. Soweit Instanzgerichte dies teilweise anders gesehen hat, erteilten die Richter BGH eben eine klare Absage.
Ergänzend führte das Gericht dann weiter aus, dass eine Anwendung von § 313 BGB aber auch an der spezielleren Vorschrift des Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB scheitern würde. Grundsätzlich sei eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nämlich nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Bei der durch Art. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vom 15. Mai 2020 mit Wirkung vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 948) eingeführten Vorschrift des Art. 240 § 5 EGBGB handele es sich um eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgehe. Der Gesetzgeber habe sich dort für die sog. Gutscheinlösung entschieden, so dass eine abweichende Anpassung über § 313 BGB nicht möglich sei.
Anmerkung:
Rechtlich ist die Entscheidung nicht zu beanstanden, weil es zum kleinen Einmaleins des Leistungsstörungsrechts gehört, dass die Regelungen über die Unmöglichkeit die Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage als lex spezialis verdrängen. Dass sich einzelne Instanzgerichte nicht an dieses Prinzip gehalten haben, zeigt nicht nur, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist, sondern dürfte daran liegen, dass das Leistungsstörungsrechts eine durchaus diffizile Rechtsmaterie ist, sodass auch Richter oder Richterin schnell einmal, auch wenn dies ein Klassiker aus der Juristenausbildung ist, die falsche Abzweigung nehmen und Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen. Denn vom Ergebnis her scheint es doch irgendwie unbillig zu sein, die Lasten der staatliche Schließungsanordnungen einseitig den Unternehmern aufzubürden.
So der BGH neben dem Leistungsstörungsrecht noch zusätzlich mit der spezielleren Vorschrift aus Art. 240 § 5 EGBGB argumentiert hat, ist zu bemängeln, dass nicht in letzter Konsequenz dargelegt wurde, ob diese Argumentation nur dazu dienen sollte, die nicht Anwendbarkeit des § 313 BGB zu belegen, oder aber ob hierüber auch eine Modifikation der Regelungen über die Unmöglichkeit bezweckt war. Die Frage, ob also die Betreiber von Fitnessstudios, so wie es der Kläger hier alternativ gefordert hatte, einen Wertgutschein anstatt einer Rückzahlung anbieten können, hat er nicht abschließend beantwortet und so neuen Raum für rechtliche Diskussionen und weitere Rechtsstreitigkeiten geliefert.
Dass sich die Rechtsprechung nicht nur auf Fitnessstudios bezieht, sondern beispielsweise auch auf ein geschlossenes Ballettstudio oder eine Tanzschule übertragen lässt, liegt auf der Hand. Ungeklärt ist allerdings, ob Golfanlagen vergleichbar sind. Im Rahmen der staatliche Schließungsanordnungen haben die Verordnungsgeber er bekanntermaßen nicht zwischen Fitnessstudios und Golfanlagen unterschieden. Von daher könnte man auf den 1. Blick meinen grundsätzlich ja, weil es nach der Begründung des BGH keinen Unterschied macht, ob man aufgrund staatlicher Anordnungen ein Fitnessstudio oder einen Golfplatz nicht betreten darf. Andererseits ist die Struktur bei Golfanlagen regelmäßig anders, als bei Fitnessstudios, weil Golfanlagen regelmäßig in Form von eingetragenen Vereinen betrieben werden und die Jahresspielgebühren dann Vereinsbeiträge sind, während Fitnessstudios von ihren Kunden lediglich oft als “Mitglieder“ sprechen, obwohl ein solcher Vereinscharakter fehlt. Hinzu kommt, dass bei einer geschlossenen Golfanlage trotz der Schließung der Platz gepflegt werden muss, also die damit verbundenen Kosten ungleich höher sind, als bei einem geschlossenen Fitnessstudio bei dem lediglich Fixkosten wie Miete, Versicherungen, Telefon etc. an Kosten weiterlaufen.
So oder so ist aus wirtschaftlicher Sicht der Fitnessstudiobetreiber die Entscheidung des BGH aber alles andere als befriedigend, weil dies im Ergebnis dazu führt, dass das wirtschaftliche Risiko der staatlichen Schließungsanordnungen einseitig auf die Unternehmer abgewälzt wird, während Verbraucher geschützt werden. Der Fehler liegt hierbei aber nicht an der Rechtsprechung, sondern am Gesetzgeber, der trotz aller vordergründig beschlossenen Hilfsmaßnahmen vermögenslose Unternehmer privilegiert, während diejenigen, die Rücklagen hatten, entweder schon keine Hilfen erhalten haben oder aber jedenfalls erhalten Hilfen wieder zurückzahlen müssen …
Wenn Sie also möchten, dass Ihr Fitnessstudio oder die Ballettlehrerin Ihrer Tochter auch morgen noch für Sie da ist, dann sollten Sie vor diesem Hintergrund, so Sie nicht ohnehin um das Fitnessstudio zu stützen, freiwillig weitergezahlt und die Zahlung als Unterstützung verstanden haben, das Urteil nicht zum Anlass nehmen, Ihren Fitnessstudiobetreiber oder die Ballettlehrerin in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben. Beide werden es Ihnen sicherlich so oder so auf die ein oder andere Weise danken. Nicht alles was Recht ist, muss auch richtig sein.