Waren Sie schon einmal vor Gericht? Für den Fall, dass Sie den Rechtsstreit – aus Ihrer Sicht natürlich völlig zu Unrecht – verloren haben, führt dies meistens dazu, dass die Meinung über den mit der Angelegenheit befassten Richter nicht allzu gut ist. Manchmal bleibt es dann nicht nur dabei, der Justiz Blindheit zu unterstellen, sondern es kommt auch der Gedanke auf, ob nicht sachfremde Motive ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen sein könnten. Auch an Rechtsbeugung wird gedacht. Aber, Hand aufs Herz: Haben Sie schon einmal gehört, dass ein Richter oder eine Richterin, auch, wenn das Urteil noch so falsch war, das erlassen wurde und Verhandlungsleitung und/oder Urteilsbegründung an der Grenze zur Arbeitsverweigerung liegen, wegen Rechtsbeugung verurteilt worden ist. Nein. Sehen Sie, das liegt daran, dass die richterliche Unabhängigkeit kaum angetastet werden kann und deshalb der Tatbestand der Rechtsbeugung eher theoretischer Natur ist, in der Praxis aber ein Schattendasein führt.
Der BGH hat nunmehr allerdings mit Beschluss vom 24.02.2016 (2 StR 533/15) die Revision eines Richters gegen ein Urteil des LG Erfurt verworfen und damit eine Verurteilung eines Richters zu einer Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten wegen Rechtsbeugung bestätigt.
Aber nicht etwa, weil der Richter eine Partei benachteiligt hätte, sondern weil er zu milde war. Er hat nämlich als Richter am Amtsgericht in einer Reihe von Bußgeldverfahren die Betroffenen vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen, weil die Straßenverkehrsbehörde weder ein Meßprotokoll noch einen Eichschein für das bei der Verkehrskontrolle verwendete Messgerät zur Akte genommen hatte. Der Richter sah darin zu Gunsten der Autofahrer einen Verfahrensfehler, der im Verantwortungsbereich der Behörde gelegen habe. Dieser Fehler habe dazu geführt, dass er das Messergebnis nicht nachprüfen könne und deshalb für ihn die Ortungswidrigkeit nicht beweisbar sei. Obwohl das Thüringer Oberlandesgericht ein ums andere Mal die Entscheidungen des Richters aufhob, weil er seine Aufklärungspflicht verletzt habe, zeigte sich der angeklagte Richter auch bei weiteren Verfahren unbelehrbar, zog die vermissten Unterlagen wiederum nicht bei und sprach die Betroffenen erneut frei oder stellte die Bußgeldverfahren ein.
Die „Milde“ (oder mangelnde Einsichtsfähigkeit) des Richters war dann der Justiz doch zu viel, so dass das LG Erfurt den Richter wegen Rechtsbeugung verurteilt hatte. Die Rechtsbeugung sah es im Einklang mit dem BGH darin, dass der Richter sein Amt dazu missbraucht hatte, die Straßenverkehrsbehörde zu disziplinieren, über deren schlampige Aktenführung er sich geärgert hatte.
Anmerkung:
Die Frage, ob der Richter auch angeklagt worden wäre, wenn er im umgekehrten Fall trotz bestehender Verfahrenshindernisse verurteilt hätte, bleibt dagegen offen…