Erfolgen Zahlungen in der wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens können diese oftmals von einem späteren Insolvenzverwalter angefochten und die gezahlten Gelder so zurückgeholt werden. Dabei sind Zahlungen aufgrund einer angedrohten oder tatsächlich durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag fast uneingeschränkt anfechtbar. Da Sozialversicherungsträger, also insbesondere Krankenkassen, effektiv und zeitnah ihre Forderungen über die Hauptzollämter (nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 4b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 FVG) vollstrecken können, weil die von ihnen erlassenen Bescheide bereits vollstreckbar sind, sind sie von Anfechtungen des Insolvenzverwalters besonders häufig betroffen.
Um einer Anfechtung des Insolvenzverwalters von Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums vor dem Insolvenzantrag nach § 133 Abs. 1 InsO, für welche die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des späteren Insolvenzschuldners notwendig ist, zu entgehen, hatten in den letzten Jahren Sozialversicherungsträger oftmals behauptet, sie hätten keine derartige Kenntnis, da ihnen insbesondere das Wissen des mit der Vollstreckung beauftragten Hauptzollamts bzw. den dortigen Sachbearbeitern nicht nach § 166 BGB (Wissenszurechnung) zugerechnet werden könne. Dieser Argumentation hat der BGH nun mit Beschluss vom 14.02.2013, Az.: IX ZR 115/12, ein jähes Ende bereitet.
Der BGH entschied, dass sofern eine Behörde oder ein Sozialversicherungsträger eine andere zuständige Behörde mit der Vollstreckung fälliger Forderungen beauftragt mit der Folge, dass diese für das Vollstreckungsverfahren als Gläubigerin der Forderung fingiert wird, muss sich die ersuchende Behörde das Wissen des Sachbearbeiters der ersuchten Behörde zurechnen lassen.
Dabei argumentierte der BGH, dass das Hauptzollamt nicht mit einem Gerichtsvollzieher, dessen Wissen dem Gläubiger nicht zuzurechnen ist, vgl. BGH, NZS 2012, 581, zu vergleichen ist. Denn im Bereich der Vollstreckung trete die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht neutral gegenüber allen Beteiligten auf, sondern rücke immer in die Gläubigerstellung der Behörde, in deren Auftrag sie vollstreckt. Kenntnisse, die sie hinsichtlich einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund dieser Stellung erlange, seien ggf. durch die Behörde zu sammeln und weiterzuleiten. Diese von einem Gerichtsvollzieher abweichende Aufgabe der ersuchten Vollstreckungsbehörde rechtfertige es im Ergebnis, die von ihr erlangten Kenntnisse der ersuchenden Behörde zuzurechnen. Maßgebend ist dabei der Kenntnisstand des Sachbearbeiters der vollstreckenden Behörde.