Bei einer sog. eBay Auktion, also wenn der Vertrag mit dem Höchstbietenden zustande kommt, handelt es sich nicht um eine Auktion im herkömmlichen Sinn, bei der der Höchstbietender einen Zuschlag erhält, sondern der Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande.
Was aber ist, wenn ein Käufer ein Angebot abgibt, also Höchstbietender ist, danach der Verkäufer die Artikelbeschreibung ändert, der (mögliche) Käufer daraufhin mitteilt, dass er von seinem Angebot Abstand nehmen möchte und ihn der Verkäufer streichen soll, der Verkäufer dem aber nicht nachkommt, so dass der Käufer, der eigentlich an sein Angebot nicht mehr gebunden sein wollte, zum Zeitpunkt des Auktionsablaufs Höchstbietender bleibt?
Diese Frage hat das AG Dieburg in seinem Urteil vom 15.04.2015 (20 C 945/14) entschieden und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zu den ursprünglichen Bedingungen abgeschlossen worden ist, also denjenigen, die zum Zeitpunkt, als der Käufer sein Angebot abgegeben hatte, noch aktuell waren, dem Käufer aber kein Recht zugestanden hat sich durch die Änderung des Verkaufsangbots ganz von seinem Vertragsangebot zu lösen.
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Verkäuferin hat ein gebrauchtes Fahrzeug, einen Opel Kadett, zum Kauf angeboten. Nachdem der Käufer ein Angebot abgegeben hatte und Höchstbietender war, hat die Verkäuferin 2 Tage vor Auktionsende folgende Angaben in ihr Verkaufsangebot eingefügt:
„Das Umbauprojekt geht ab sofort in seine heiße Phase und mir fehlt der Platz, um den Opel weiter stehen zu lassen. Deshalb muss der Opel nach dem Ende der Auktion innerhalb von sieben Tagen gegen Barzahlung am Artikelstandort abgeholt werden. Danach bin ich gezwungen, den Opel an einen geeigneten Ort einlagern zu lassen. Die dadurch entstehenden Lagerkosten von 11 € pro Tag bis zum Tag der Abholung gehen dann zulasten des Käufers. Als Bieter erklären Sie ihr Einverständnis mit dieser Regelung.“
Der Käufer, der zu diesem Zeitpunkt Höchstbietender war, teilte noch mit E-Mail vom gleichen Tag der Verkäuferin mit, dass sie sein Angebot streichen solle, weil er zwischenzeitlich ein anderes Fahrzeug erworben habe. Nachdem die Verkäuferin darauf nicht reagiert hatte, wandte er sich mit weiterer E-Mail, unmittelbar vor dem Ende der Auktion nochmals an die Verkäuferin, bat darum, dass diese sein Angebot streichen solle und teilte gleichzeitig mit, dass er für den Fall, dass er Höchstbietender bleibe, das Fahrzeug nicht abnehmen werde.
Nachdem der Käufer bei Auktionsende Höchstbietender geblieben ist, verlangte die Verkäuferin von ihm nicht nur Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sondern zugleich verlangte sie von Lagerkosten in Höhe von 11 Euro je Tag seit dem 17.03.2014 freigestellt zu werden.
Das Gericht hat den Käufer zur Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Fahrzeugs verurteilt, jedoch die Klage hinsichtlich der Lagerkosten abgewiesen.
Aus den Urteilsgründen:
„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß §§ 433 II, 320, 322 BGB Zug um Zug gegen Übereignung des Opel Kadett.
Der Vertragsschluss bei sog. Online-Auktionen erfolgt nicht durch Zuschlag des Auktionators im Sinne des § 156 BGB, sondern durch Einigung mittels Angebot und Annahme im Sinne der §§ 145 ff BGB. Der Erklärungsinhalt der jeweiligen Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) richtet sich hierbei auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den AGB des Internetportals, denen die Beteiligten vor der Teilnahme an der Internet-Auktion zugestimmt haben.
Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietenden ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zu Stande. Allerdings räumt § 9 Ziff. 11 der Ebay-AGB den Anbietern ein, ihr Angebot vor Ablauf der festgesetzten Auktionszeit zurückzunehmen, „wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind.“ Auch Bieter dürfen ein Gebot zurücknehmen, „wenn sie dazu gesetzlichen berechtigt sind“, § 10 Ziff. 7 Ebay-AGB.
Eine Abänderung der Angebote, wie hier von der Klägerin vorgenommen, sehen die AGB von eBay nicht vor.
Eine Änderung der Vertragsbedingungen könnte aber als Rücknahme des ursprünglichen und Abgabe eines neuen Angebotes gesehen werden. Dann müsste die Klägerin dazu „gesetzlich berechtigt“ gewesen sein, § 9 Ziff. 11 Ebay-AGB.
Eine Berechtigung zur einseitigen Abänderung eines Angebots sieht das Gesetz aber nicht vor. Gemäß § 145 BGB ist der Antragende an seinen Antrag grundsätzlich gebunden. Eine Ausnahme macht die Vorschrift nur, wenn die Gebundenheit ausgeschlossen wurde.
Da bei über die Internetplattform eBay zu Stande gekommenen Kaufverträgen – die unmittelbar nur zwischen dem jeweiligen Kunden und der Plattformen gelten – die eBay AGB als Verkehrssitte i.S.d. § 157 BGB Teil der jeweiligen Willenserklärung werden und zu berücksichtigen sind, könnte sich ein Ausschluss der Gebundenheit aus den AGB ergeben.
§ 9 Z. 11 eBay AGB verweist auf die gesetzliche Berechtigung, die keinen Ausschluss kennt.
Nichts anderes ergibt sich aus den „weiteren Informationen“, die über die genannte Vertragsklausel angeklickt werden können.
Dort befindet sich ein Absatz, der die Möglichkeit von Vertragsänderungen beinhaltet. Danach ist jedoch eine Änderung des Angebots, die die AGB betreffen, nicht mehr möglich, wenn noch mehr als 12 Stunden bis zum Angebotsende verbleiben, und bereits Angebote auf den Artikel abgegeben wurden.
Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – neue AGB vor mehr als 12 Stunden bis zum Bietende eingeführt werden.
Die Möglichkeit der Rücknahme eines Angebots ergibt sich auch nicht aus den sonstigen „weiteren Informationen“, die über § 9 Z. 11 eBay-AGB aufgerufen werden können. Soweit dort eine Rücknahme auch ohne rechtlichen Grund erwähnt wird, handelt es sich nicht um eine eigenständige Regelung, die dem Wortlaut der Vertragsklausel widerspricht.
Der BGH hat mit den beiden Entscheidungen vom 12.11.2014 (VIII ZR 42/14) und vom 10.12.2014 (VI ZR 90/14), denen sich das erkennende Gericht voll inhaltlich anschließt, ausgeführt, dass es sich hierbei lediglich um einen Hinweis zur Abwicklung einer berechtigten vorzeitigen Angebotsbeendigung handelt und keinen eigenständigen Anspruch schafft. Es handelt sich um das rechtliche Können nicht um das rechtliche Dürfen. Wegen der weiteren Gründe wird auf die beiden genannten Entscheidungen des BGH (a.a.O.) zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Somit ist die Klägerin an ihr ursprüngliches Angebot gemäß § 145 BGB i.V.m. § 9 Z. 11 eBay AGB gebunden.
Die Vertragsklausel zur Zahlung von Standgebühren wurde kein Inhalt des Angebots. Das Einstellen des ursprünglichen Angebots durch die Klägerin stellte das verbindliche Angebot auf einen Vertragsschluss dar, gerichtet an den Höchstbietenden im Zeitpunkt des Ablaufs der Auktion.
Da der Beklagte bei Auktionsende Höchstbietender war, kam der Kaufvertrag mit ihm und dem Inhalt des Angebots der Klägerin und seinem Höchstangebot zu Stande.
Auch der Beklagte konnte seine in Form seines Gebotes abgegeben Willenserklärung nicht zurücknehmen.
Eine Rücknahme des Gebots ist, wie das des Angebots, nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Berechtigung möglich, § 10 Z. 7 eBay AGB.
Eine solche liegt nicht vor.
Ein Grund zur Rücknahme ergibt sich auch nicht aus der unberechtigten späteren Einstellung der streitgegenständlichen Vertragsklausel durch die Klägerin.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Pflichtverletzung i.S. der §§ 241 II, 311 II Ziff. 2, 433 BGB handelt. Nach diesen Vorschriften ist nämlich ein Rücktritt vom Vertrag nicht möglich. Vielmehr ist der Vertrauensschaden zu ersetzen. D.h. der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte (Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, Rn. 54 f m.w.N.).
Ohne das schädigende Verhalten bliebe es jedoch bei dem ursprünglichen Angebot, so dass der Vertrag entsprechend der Willenserklärung im Zeitpunkt der Abgabe seines Höchstgebotes mit Auktionsende entstand. Dem Beklagten ist kein Schaden entstanden; sein Erfüllungsinteresse bleibt aufrechterhalten. Nur wenn infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des anderen Teils ein Vertrag zu Stande gekommen ist, hat der Geschädigte Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages (Palandt-Grüneberg, BGB, 72.. Aufl. 2013, Rn. 55).
…
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Kaufvertrag ohne den nachträglichen von der Klägerin eigenmächtig eingeführten Zusatz zur Zahlung der Standgebühren zustande gekommen ist, so dass ihr auch kein Anspruch auf Zahlung der Standgebühren zusteht.“