Ein Testament muss, um wirksam zu sein, handschriftlich (sog. privatschriftliches Testament) oder aber zur Niederschrift eines Notars (sog. notarielles Testament) errichtet sein. Wird diese Form nicht eingehalten so ist es formunwirksam und damit ohne Bedeutung.
Das OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 19.01.2016 (8 W 23/15) über einen Fall entschieden, bei dem die Nichten des Erblassers aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu jeweils ½ einen Erbschein beantragt hatten. Im Erbscheinsverfahren lag nämlich nur ein auf den 18.10.2011 datierter Nachtrag zu einem Testament vom 20.09.2011 vor, während das Testament selbst aber nicht auffindbar war. Dieser Nachtrag lautete:
„Testament vom 20.09.2011 1. Änderung
Der Inhalt von Garage, Scheuer, Schuppen sowie Schuppen von Tante Anna soll beim Haus bleiben und gehört somit Gerhart und Heidemarie …“
Die im Nachtrag am Ende erwähnten Personen haben in einer schriftlichen Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht als Beteiligte zu 3) und 4) ausgeführt der Beteiligte zu 3) habe ein Testament des Erblassers vom 20.09.2011 bei einem Besuch des Erblassers von diesem gezeigt bekommen. Dieses habe Verfügungen zugunsten der Beteiligten zu 3) und 4) enthalten. Er habe sodann eine „Nachschrift“ des Testaments vom 20.09.2011 angefertigt und dem Nachlassgericht vorgelegt. Sie seien deshalb Erben durch Testament geworden. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 3) sodann eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, wonach er das formgerecht errichtete Testament des Erblassers vom 20.09.2011 gelesen habe und dieses Testament den Inhalt gehabt habe, wie er ihn in seiner „Nachschrift“ wiedergegeben habe.
Gleichwohl hat das Nachlassgericht den beiden Nichten aufgrund gesetzlicher Erbfolge einen Erbschein zu je ½ erteilt. Es hat die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen aufgrund gesetzlicher Erbfolge für festgestellt erachtet und die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.
Die Beschwerde blieb auch vor dem OLG Stuttgart erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts ist grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Vielmehr können Form und Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden. Dabei muss sowohl die formgerechte Errichtung als auch grundsätzlich der Gesamtinhalt zuverlässig nachgewiesen werden. Dies kann z.B. durch Ablichtung, Durchschrift, Abschrift, Zeugen oder Sachverständige geschehen. Wer sich auf ein unauffindbares Testament beruft, trägt im Erbscheinsverfahren insofern die Feststellungslast. Ist die Urschrift einer Testamentsurkunde nicht auffindbar, so sind an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen. Grundlage dieser hohen Beweisanforderung ist die für die Errichtung des Testaments geltende Formstrenge.
Bei dem Dokument vom 18.10.2011 handelt es sich unzweifelhaft um ein vom Erblasser verfasstes, formgültig errichtetes Testament, welches allerdings keine Erbeinsetzung enthält. Zwar liegt in diesem Schriftstück ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Beteiligten zu 3 und 4 nach dem Willen des Erblassers das Haus erhalten sollten und der Erblasser davon ausging, dass dies so geregelt ist. In welcher Form eine solche Zuwendung aber erfolgen sollte und tatsächlich erfolgt ist, ist damit noch nicht gesagt. Insoweit der Inhalt des Testaments vom 18.11.2011 zumindest als Bestätigung der Zuwendung des Hauses im Wege des Vermächtnisses gewertet werden kann – wofür einiges spricht – ist im Erbscheinsverfahren nicht zu klären. Jedenfalls ist die bloße „Nachschrift“ des Beteiligten zu 3 und dessen Angaben in seiner persönlichen Anhörung nicht ausreichend für die Feststellung einer entsprechenden Erbeinsetzung, auch nicht unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde vorgelegten eidesstattlichen Erklärung. Der Beteiligte zu 3 ist nicht Zeuge, sondern selbst Verfahrensbeteiligter mit einem unmittelbaren Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens. Andere, gegebenenfalls die Darstellung des Beteiligten zu 3 entscheidend verstärkende objektive Anhaltspunkte für den In-halt des im Testament vom 18.10.2011 genannten Testaments vom 20.09.2011 sind nicht vorhanden. Auch Äußerungen des Erblassers, wonach er seinen Verwandten nichts zukommen lassen wollte, lassen keine hinreichen-den Rückschlüsse zu, wie er letztlich tatsächlich testiert hat. Daher ist im Erbscheinsverfahren von der gesetzlichen Erbfolge auszugehen.“
Anmerkung:
Für die Beteiligten zu 3) und 4) ist damit aber nur geklärt, dass diese nicht aufgrund Testaments Erben geworden sind. Da aufgrund des Nachtrag sich entnehmen lässt, dass diese etwas, nämlich das Haus, erhalten sollten, wäre nun in einem streitigen Gerichtsverfahren zu klären, ob diese Regelungen als Vermächtnis zu verstehen sind, so dass sie nunmehr gegen die erbenden Nichten einen Anspruch auf Übertragung des Hauses aus Vermächtnis haben. Unterstellt, dass ein solcher Anspruch besteht und auch erfolgreich bei Gericht durchgesetzt werden kann, dann könnten nunmehr die Beteiligten zu 3) und 4) wiederum Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 1) und 2), also der Nichten, ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn das, was nach Abzug des Hauses verbleibt, weniger wert ist als der Pflichtteil. Dies verdeutlicht, dass der Umstand, dass das Testament nicht aufgefunden werden konnte, zahlreiche rechtliche Probleme und Streitigkeiten für die Beteiligten aufwirft.
Wer als Erblasser vermeiden möchte, dass sein letzter Wille deshalb nicht umgesetzt werden kann, weil das Testament nicht auffindbar ist oder bewusst „verschwindet“, kann dies dadurch vermeiden, indem er das Testament beim Nachlassgericht, einem Notar bzw. Rechtsanwalt hinterlegt oder aber das Testament zur Verwahrung dem künftigen Erben aushändigt. Im letzten Fall muss niemand befürchten, dann an dieses Testament gebunden zu sein. Wer es sich nämlich anders überlegt und seinen Nachlass anders verteilen möchte, kann dies mit einem neuen Testament machen, weil jedes weitere Testament grundsätzlich ein vorangegangenes Testament aufhebt, also zugleich einen Widerruf beinhaltet.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.