Jedes Jahr werden in Deutschland rund 150 – 200 Mrd. € an Vermögen vererbt. Um einen sozialen Ausgleich zu schaffen und zu verhindern, dass sich Vermögen in der Hand von Wenigen bilden, die nicht dafür gearbeitet haben, wird Erbschaftsteuer erhoben. Das Grundgesetz schreibt insoweit den Gesetzgeber als Richtline vor, dass „Eigentum verpflichtet“.
Wenn es darum geht diese Vorgaben in der Praxis umzusetzen, hat der Gesetzgeber seit jeher seine Schwierigkeiten gehabt in dem er unterschiedliches Vermögen unterschiedlich besteuert hat. Während bis zur Erbschaftsteuerreform 2009 es noch einen erheblichen Unterschied gemacht hat, ob Geld und Wertpapiere einerseits oder Immobilien andererseits übertragen worden sind, hat der Gesetzgeber danach die Übertragung von Betriebsvermögen privilegiert. Dies wurde u.a. damit begründet, dass so Arbeitsplätze erhalten würden. Problematisch war dabei allerdings, dass bei Betrieben bis zu 20 Mitarbeitern eine solche Verpflichtung zur Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht bestanden hat, während trotzdem die Vermögensübertragung privilegiert erfolgen konnte. Vor diesem Hintergrund war es nahliegend, dass auch neuerlich das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber rügen wird, was es nun auch mit seiner Entscheidung vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) gemacht und die §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt hat. Um zu verhindern, dass nun im Erbschaftsteuerrecht eine Lücke entsteht, sind die Vorschriften allerdings weiter anwendbar. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet bis zum 30.06.2016 eine Neuregelung zu treffen.
Die Verfassungsrichter haben dabei nicht verkannt, dass es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liegt, kleine mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestandes und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu privilegieren. Dies sei, so das Bundesverfassungsgericht, jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinaus greift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und 13b ErbStG sind auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind.
Das Urteil finden Sie hier.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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