Bekleidungsgeschäfte dienen der Deckung des täglichen Bedarfs und werden deshalb vom Geltungsbereich des § 10 Abs. 1 S. 1 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht erfasst. Dies hat der BayVGH im Rahmen eines Eilverfahrens mit Beschluss vom 29.12.2021 (20 NE 21.3037) klargestellt und folglich den Eilantrag eines Bekleidungsunternehmens als unzulässig zurückgewiesen.
Unklar formulierte 2G-Regelung führt zu (unnötigem) Rechtsstreit
In § 10 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sind die als 2 G-Regelung bekannten Einschränkungen für den Einzelhandel geregelt. Die Vorschrift hat in Abs. 1 folgenden Wortlaut:
„(1) 1Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr für Handelsangebote ist nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und des § 4 Abs. 3 und 5 gestattet, soweit diese nicht der Deckung des täglichen Bedarfs dienen. 2Zum täglichen Bedarf gehört insbesondere der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Schuhgeschäfte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen, der Verkauf von Presseartikeln und Tabakwaren, Filialen des Brief- und Versandhandels, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Baumärkte, Gartenmärkte, der Verkauf von Weihnachtsbäumen und der Großhandel. 3Für Beschäftigte der Ladengeschäfte gilt § 28b Abs. 1 IfSG.“
Nachdem Bekleidungsgeschäfte nicht ausdrücklich als Geschäfte des täglichen Bedarfs genannt sind, wurde die Regelung von Händlern und Unternehmen ausnahmslos so verstanden, dass dort nur noch Kunden, die den geforderten 2G-Status erfüllen, Zutritt haben, also „Ungeimpfte“ keinen Zutritt haben, was gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts im Einzelhandel für erheblichen Unmut und Unverständnis gesorgt hatte.
Ein Bekleidungsunternehmen wandte sich deshalb mit einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO und einem korrespondierenden Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.
VGH weist Antrag als unzulässig zurück
Vor Gericht erlebten die Antragsteller dann eine kuriose Überraschung. Denn anstatt, wie ansonsten in derartigen Fällen üblich, sich mit der Frage zu befassen, ob der mit der Regelung verbundenen Rechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (Anm.: Noch am 08.12.2021 hatte der bei VGH einen Eilantrag gegen die 2 G-Regelung abgewiesen – 20 NE 21.2821) haben die Richter diesmal einen anderen Weg gewählt und den Antrag, nicht wie sonst üblich, als unbegründet, sondern bereits als unzulässig zurückgewiesen. Dies aber nicht etwa, weil die Antragsteller bei der Antragstellung einen Fehler gemacht hätten, sondern weil nach Auffassung des Gerichts ein Bekleidungsgeschäft als Geschäft des täglichen Bedarfs einzustufen sei, und damit vom Anwendungsbereich der Regelung nicht erfasst werde, so dass es an der erforderlichen Antragsbefugnis fehle. Begründet haben die Richter dies damit, dass der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 1 S. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung beispielhaft, aber nicht abschließend, einen Katalog von Geschäften genannt habe, die dem täglichen Bedarf dienen. Darin seien auch solche aufgenommen worden, die vergleichsweise eher selten und i.d.R. anlassbezogen aufgesucht würden (z. B. Optiker, Hörakustiker, Baumärkte und Weihnachtsbaumverkäufe), sowie solche, die eindeutig nicht der Grund- und Akutversorgung zuzuordnen seien (Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte und Gartenmärkte). Der Katalog an Geschäften zum täglichen Bedarf sei zudem ausdrücklich eine nicht abschließende Auflistung („insbesondere“). Vor diesem Hintergrund sei der Begriff der Geschäfte, die der „Deckung des täglichen Bedarfs“ dienen, so zu verstehen, dass auch Bekleidungsgeschäfte unter die Ausnahme von der 2G-Regelung fallen, weil deren Bedeutung für die Allgemeinheit nicht hinter die von Schuhen, Büchern, Schnittblumen oder Gartengeräten zurücktrete und der Bedarf an Kleidung täglich eintreten könne.
Bekleidungsgeschäfte waren also zu Unrecht der Auffassung auch sie würden von der Regelung betroffen werden und haben sich damit nicht nur völlig unnötig einem erhöhten Verwaltungs- und Kontrollaufwand unterworfen, sondern auch zu Unrecht Ungeimpften den Zutritt verweigert …
Das antragstellenden Unternehmen wird es einerseits freuen, weil faktisch damit der Rechtsstreit gewonnen wurde, andererseits aber auch ärgern, dass aufgrund der unklaren und missverständlichen Regelung nun auch noch die Verfahrenskosten nicht etwa zulasten der Staatskasse, sondern zulasten des antragstellenden Unternehmens gehen und darüber hinaus die Klarstellung erst am 29. Dezember erfolgt ist, also zu einer Zeit, als das Weihnachtsgeschäft bereits gelaufen war.
Anmerkung:
Grundsätzlich ist die Entscheidung richtig, weil klar war, dass durch das Wort „insbesondere“ die Aufzählung nicht abschließend, sondern nur beispielhaft durch den Verordnungsgeber erfolgt ist. Da allerdings Verstöße gegen die Verordnung, gerade für Unternehmen und Gewerbetreibende, mit nicht unerheblichen Geldbußen strafbewehrt sind, sind viele Unternehmen, wie das Beispiel Bekleidungsgeschäft verdeutlicht, so verunsichert, dass sie lieber selbst vermeintliche Beschränkungen in Kauf nehmen, bei denen der Verordnungsgeber eine entsprechende Regelung nicht getroffen hat oder nicht treffen wollte. Hinzu kommt, dass die Situation aufgrund der Rechtsprechung auch schwierig und für Betroffene kaum mehr überschaubar ist. Allein im Dezember hat der bei VGH nicht nur, wie oben bereits ausgeführt, einen Eilantrag gegen die 2 G-Regelung zurückgewiesen, sondern mit Beschluss vom 20.12.2021 (20 NE 21.3012) Spielwarenläden als Geschäfte des täglichen Bedarfs eingestuft und einem entsprechenden Antrag stattgegeben. Gerade diese Entscheidung macht es sehr schwer auf unklare Regelungen situationsadäquat angemessen zu reagieren, denn, vom Grundsatz ist das Verständnis der Richter in beiden Fällen vergleichbar. Hier wie da haben Sie entschieden, dass Spielwarenläden, ebenso wie Bekleidungsgeschäfte, dem täglichen Bedarf dienen. Wieso im erstgenannten Fall sich dies nicht aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, so dass eine positive Entscheidung des VGH erforderlich ist, der den Antrag stellende Spielwarenhändler also gewinnt, während im nunmehr entschiedenen Fall, dass Wort „insbesondere“, dazu führt, dass der Bekleidungshändler, verliert, weil keine Entscheidung erforderlich sei, sondern sich bereits aus dem Wortlaut ergebe, dass Bekleidungsgeschäfte nicht von der Regelung erfasst sein, erschließt sich auf den 1., aber auch auf den 2. Blick nicht wirklich. Noch weniger erschließt sich, nachdem der Einzelhandel lautstark gegen die 2 G-Regelung, noch dazu im Weihnachtsgeschäft, protestiert hatte, sich niemand aus der Staatsregierung dazu berufen gefühlt hat, klarzustellen, dass jedenfalls Bekleidungsgeschäfte, auch wenn sie nicht ausdrücklich erwähnt sind, die aber sehr stark vom Saisongeschäft leben, nicht in der Anwendungsbereich der Verbotsregelungen fallen. Eine solche Gleichgültigkeit gegenüber den betroffenen Unternehmen, die aufgrund der zahlreichen Coronabeschränkungen allesamt ums Überleben kämpfen, ist befremdlich. Erlittene Umsatzeinbußen sind jetzt nicht auf staatliche Beschränkungen, sondern darauf zurückzuführen, dass die betroffenen Unternehmen irrig der Auffassung waren, eine Coronabeschränkung würde auch für sie gelten. Damit ließe sich vortrefflich darüber diskutieren, ob nicht durch ein Unterlassen der Aufklärung darüber, dass das Weihnachtsgeschäft von Bekleidungsgeschäften nicht von der Regelung betroffen sein soll, Schadensersatzansprüche begründen kann.