Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Erst gestern hatten wir an dieser Stelle von einem Beschluss des VG Hamburg berichtet, in dem der Betreiber eines Fitnessstudios im Rahmen eines Eilverfahrens in Hamburg einen ersten Erfolg gegen die Schließung seiner Fitnessstudios durch die dortige Coronaschutzverordnung erzielen konnte. Bereits heute legt der BayVGH nach und kippt mit Beschluss vom 12.11.2020 (20 NE 20.2463) die Regelung in der 8. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die den Betrieb von Fitnessstudios vollständig untersagt.
Individualsport ab sofort wieder in Bayerischen Fitnessstudios zulässig
Die Richter sahen in der Regelung, wonach einerseits Fitnessstudios auch im Teil-Lockdown vollständig schließen mussten einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, weil Einrichtungen des Freizeitsports ab dem 02.11.2020 noch für den Individualsport, und zwar allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands, genutzt werden dürfen.
Die Richter haben dabei ausgeführt, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Regelungen davon ausgegangen sei, dass Individualsport im genannten Umfang zulässig bleiben soll. Es sei keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich, warum dies für Fitnessstudios nicht gelten solle. Von daher sei die vollständige Schließung der Fitnessstudios unverhältnismäßig. Von daher haben die Richter die Regelung außer Vollzug gesetzt.
Uneingeschränkte Eröffnung dagegen nach wie vor nicht gestattet
Einen weitergehenden Antrag auf Außervollzugsetzung der übrigen Beschränkungen des Freizeitindividualsports haben die Richter dagegen im Rahmen einer Folgenabwägung abgelehnt. Das derzeitige Infektionsgeschehen rechtfertige aus Gründen des Schutzes von Leben und Gesundheit die für den Bereich des Freizeitsports getroffenen Beschränkungen, auch wenn die wirtschaftliche Betätigung in Einrichtungen des Sportbetriebes stark beschränkt werde, so die Richter.
Was dies für Bayerische Fitnessstudiobetreiber bedeutet
Im Gegensatz zu dem gestrigen Beschluss des VG Hamburg, der nur zwischen den am Verfahren beteiligten Parteien gilt, also keinerlei Wirkung für die Betreiber anderer Fitnessstudios hat, gilt die Entscheidung der Bayerischen Richter, weil sie im Rahmen eines Eilantrags eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO ergangen ist, allgemeinverbindlich, also für alle Betreiber von Fitnessstudios in Bayern. Dies bedeutet, dass dann, wenn Sie Betreiber oder Betreiberin eines Fitnessstudios in Bayern sind, Sie grundsätzlich ab sofort Ihr Studio wieder für Kunden öffnen dürfen. Dies allerdings nur im Rahmen der vorgenannten Grundsätze, also für maximal 2 Kunden gleichzeitig. Mehr Personen sind nur dann möglich, wenn diese dem gleichen Hausstand angehören.
Die Entscheidung dürfte daher den meisten Betreibern von Fitnessstudios Steine statt Brot geben, weil so ein Fitnessstudio nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Sie müssten jetzt nämlich, ähnlich wie auf einem Golfplatz, feste „Startseiten“ für das Training vergeben, die sicherstellen, dass nie mehr als 2 Personen gleichzeitig in ihrem Studio trainieren, wenn diese nicht im gleichen Haushalt angehören. Der VGH hat dabei nicht danach differenziert, ob ein Fitnessstudio 50 m² oder 500 m² aufweist. Falls Sie trotzdem Ihr Studio aufmachen möchten, dann beachten Sie auch, dass nach wie vor Duschen etc. geschlossen bleiben müssen und auch der Verzehr von Speisen und Getränken, so Sie so etwas beispielsweise an einer Bar anbieten, nicht gestattet ist. Den Proteinshake können Sie also Ihren Kunden nur „to go“ mitgeben.
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Nachtrag: Bayerische Staatsregierung reagiert prompt und schließt als Reaktion auf die Entscheidung des VGH die Tennishallen
Die Reaktion der Bayerischen Staatsregierung auf die gestrige Entscheidung des VGH ließ nicht lange auf sich warten. Nicht aber so, wie so mancher Freizeitsportler gehofft hat, sondern „bockig“. Während nämlich bislang trotz Lockdown light Indoorsportarten, wie Tennis, noch möglich waren, verschärft die Regierung die Regelungen nunmehr dahin, dass ab sofort auch Einzelsport in Innenräumen verboten ist und schließt damit die Tennishallen.
Die Begründung, dass dies erforderlich sei, um den vom VGH montierten Verstoß gegen den Gleichheitssatz wieder herzustellen, wirkt fast trotzig, als wollte man den Richtern sagen, das habt ihr nun davon. Überlegt Euch künftig besser, was ihr entscheidet…
Nachdem die Exekutive immer wieder vor Gericht Schiffbruch erlitten hat, weil die Ermächtigungsgrundlage aus dem Infektionsschutzgesetz zu allgemein gehalten sind und damit oftmals die Regelungen der Coronaschutzverordnungen nicht wirklich decken und diese damit angreifbar machen, arbeitet die Groko auf Bundesebene mit Nachdruck daran, dieses Manko zu beseitigen. Der Bundestag soll nämlich zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes noch in diesem Monat das „Dritte Bevölkerungschutzgesetz“ beschließen. Bereits jetzt mehren sich die Stimmen namhafter Verfassungsrechtler, allen voran der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, die kritisieren, dass nun die Exekutive versucht sich einen „Persilschein“ ausstellen zu lassen, in dem die Abwägung zwischen Gesundheitsschutz einerseits und den Freiheitsrechten andererseits, die nach der Konzeption des Grundgesetzes dem Parlament vorbehalten ist, nun vom Parlament vollumfänglich auf die Exekutive delegiert wird. In diesem Fall wird sich früher oder später dann das Bundesverfassungsgericht mit der Gesetzesänderung befassen müssen… Gibt das Gesetz, dann werden alle darauf gestützten Verordnungen rechtswidrig. Die Zeche zahlt dann am Ende der Steuerzahler, weil dann wohl endgültig eine Klagewelle wegen Amtshaftungs– und Entschädigungsansprüchen die Justiz beschäftigen wird.
Es bleibt also in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht sogar Jahren, aus rechtlicher Sicht durchaus spannend, wie der im Grundgesetz geregelte Gewaltenteilungsgrundsatz immer mehr ausgehöhlt wird. Wir werden weiter berichten.
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Anmerkung:
Der Beschluss des BayVGH ist eine weitere Entscheidung, die verdeutlicht, wie viel Rechtsunsicherheit derzeit bei Gericht besteht. Während ja bereits andere Oberverwaltungsgerichte (in Bayern heißt das Oberverwaltungsgericht VGH) z.B. das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 10. November 2020, 2 KM 768/20 OVG), das Oberverwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 9. November 2020, 6 B 113445/20 OVG – Tennishalle) und des OVG Saarland (Beschluss vom 10. November 2020, 2 B 308/20), keine rechtlichen Bedenken gegen die gänzliche Schließung von Fitnessstudios hatten, haben die Bayerischen Richter zumindest insoweit Einsehen, dass auch der Besuch eines Fitnessstudios Individualsport sein kann, so dass zumindest die angeordnete gänzliche Schließung rechtlich unzulässig ist. Was allerdings nach Meinung des Verfassers bislang in keiner Verordnung der Verordnungsgeber aber auch kein Gericht berücksichtigt hat, ist, dass die mit jeder Verordnung verbundenen Eingriffe in Grundrechte zu wenig die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Insoweit macht es sicherlich, jedenfalls im Hinblick auf ein Infektionsrisiko, einen Unterschied, ob ein Fitnessstudio 50 m² oder 500 m² aufweist. Von daher müsste, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, auch die Größe der jeweiligen Räumlichkeiten mit in die Überlegungen einbezogen werden, von wie vielen Personen diese gleichzeitig betreten werden dürfen. Bei Geschäften des Einzelhandels ist dies gängige Praxis. Weswegen das, was im Ladenlokal gilt, in einem Fitnessstudio nicht gelten soll, erschließt sich nicht. nachdem sich nach derzeitiger Rechtslage auch 2 private Haushalte mit maximal 10 Personen treffen dürfen, ist nicht ersichtlich, wie es rechtlich zu rechtfertigen sein soll, dass das, was in einer Privatwohnung gilt nicht auch für ein Fitnessstudio gelten kann. Gerade kleinen Studios, die spezielle Trainingsmöglichkeiten mit wenigen Plätzen anbieten, wäre oft schon geholfen, wenn wenigstens 2 (Ehe-) Paare gleichzeitig trainieren könnten. Wie absurd die Regelungen sind, wird aber deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die vorgenannten Einschränkungen, allein, maximal zu zweit oder aber nur Mitglieder eines Hausstands, auch auf Golfplätzen gilt. Dieser Sport findet nicht nur an der frischen Luft statt, sondern ein Golfplatz misst mehrere Hektar. Ein Grund, der es sachlich rechtfertigen könnte, weshalb, wenn wie üblich, bis maximal 4 Spieler auf einer Bahn ihre Runde drehen, dies die Volksgesundheit unzumutbar gefährden könnte, lässt sich kaum finden. Jedenfalls ist noch kein nachgewiesener Fall bekannt, dass sich jemand während einer Golfrunde auf dem Golfplatz bei seinem Mitspieler angesteckt hättet … So dürfen derzeit beispielsweise 2 befreundete Ehepaare nicht gemeinsam zu viert golf spielen, sondern nur 2 und 2. Anschließend können Sie sich aber gemeinsam mitsamt ihrer Kinder zu Hause zum Abendessen bei einer der Familien treffen!? Dies verdeutlicht auch das Dilemma. Regelungen, die nicht nachvollziehbar sind, finden auf Dauer in weiten Kreisen der Bevölkerung keine Akzeptanz. Ganz im Gegenteil. Sie gefährden den Glauben an den Rechtsstaat und das Funktionieren der Demokratie. Alle Regelungen, die mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar sind, gefährden die Akzeptanz auch der sinnvollen Einschränkungen.