Schlechte Zeiten für Bordellbetreiber und Prostituierte, denn nach den Coronaschutzverordnungen der Länder müssen grundsätzlich Bordelle und vergleichbare Einrichtungen, die rechtlich als Vergnügungsstätten eingestuft werden, geschlossen bleiben.
Nachdem zuletzt die Insolvenz des Kölner Großbordells „Pascha“ für überregionale Schlagzeilen in der Boulevardpresse gesorgt hat, dürfte nun eine Entscheidung des OVG Münster vom 08.09.2020 (13 B 902/20.NE) für das Rotlichtmilieu wie das Licht am Ende des Tunnels erscheinen, denn dort haben die Richter kurzerhand in einem Eilverfahren die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen per Eilbeschluss hinsichtlich des Verbots von sexuellen Dienstleistungen in und außerhalb von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen außer Vollzug gesetzt. Die „Brechstange“, die die Verordnung zu Fall gebracht hat, war auch diesmal der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den die Richter hier nicht (mehr) gewahrt sahen.
Coronaschutzverordnung schießt über das Ziel hinaus
nach Auffassung der Richter am OVG Münster sei zwar das Infektionsgeschehen weiterhin dynamisch und damit der Erlass von Schutzmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung grundsätzlich gerechtfertigt. Gleichwohl sei in der gegenwärtigen Situation aber (voraussichtlich) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, weil es sich bei einer vollständigen Untersagung aller sexuellen Dienstleistungen um keine notwendige Schutzmaßnahme mehr handeln würde. Da nämlich der Verordnungsgeber mittlerweile weit in die Lockerungen in nahezu allen gesellschaftlichen, sozialen wirtschaftliche Bereichen zugelassen habe und dem daraus resultierende Infektionsrisiko im Grundsatz durch die Anordnung bestimmter Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen ging begegne, sei kein Grund dafür ersichtlich, warum bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen, gleich welcher Art sie seien und unter welchen Umständen sie erfolgten, nach wie vor eine vollständige Untersagung zum Ausschluss der Infektionsgefahr erforderlich sei.
Veranstaltungen versus käuflicher Sex
Weiter haben die Richter ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, wieso das Risiko der Ansteckung bei sexuellen Handlungen, an denen regelmäßig nur 2 Personen beteiligt sind, deutlich größer sein soll, als bei privaten Feiern mit bis zu 150 Personen, die zum Teil durch eine ausgelassene Atmosphäre mit Musik, Tanz und dem Konsum alkoholischer Getränke einhergeht und vom RKI als Ursache größerer und kleinerer Ausbruchsgeschehen eingestuft würden. Da auch die Ausübung nicht Kontakt freier Sportarten und das Training in Fitnessstudios zulässig ist, also Aktivitäten, bei denen es zu erhöhter Artenaktivität und dem damit verbundenen vermehrten Ausstoß von möglicherweise virushaltigen Aerosol komme, bestehe kein Anlass das Verbot zum jetzigen Zeitpunkt weiter in der bisherigen Weise aufrechtzuerhalten, zumal Infektionsgefahr bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen auch durch begleitende Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen begegnet werden könne.
Regelung vollständig außer Vollzug gesetzt
Der von den Richtern festgestellte Mangel erfasst dabei die gesamte Regelung, weil der Verordnungsgeber sexuelle Dienstleistungen allein an die Tätigkeit anknüpft und umfassend verbietet. Ein solch umfassendes Verbot sei aber entgegen des anderslautenden Beschlusses vom 25.05.2020 (13 B 800/20), so die Richter, nicht (mehr) erforderlich.
Anmerkung:
Eines der Hauptprobleme der Corona Pandemie aus rechtlicher Sicht ist, dass diese dazu geführt hat, dass bildlich gesprochen der Schwanz mit dem Hund wedelt und nicht umgekehrt. Dies bedeutet, dass der in Deutschland geltende Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach die Legislative, also die Gesetzgebung und damit die gewählten parlamentarischen Vertreter an sich das Sagen haben und die Richtschnur vorgeben, während die Exekutive, also die Regierungen und Verwaltungen, dies nur zu vollziehen haben, weitgehend ausgehebelt ist, weil durch das weit gefasste Infektionsschutzgesetz sich die Verwaltung zwischenzeitlich in vielen Bereichen weitgehend verselbstständigt hat, während die Legislative sich augenscheinlich in einer lethargischen Schockstarre befindet und deshalb die vom Wähler übertragene Verantwortung der Exekutive überlässt. Diese wiederum agiert, – sei es bewusst oder unbewusst – in Verordnungen und Allgemeinverfügungen mit Regelungen, die bei Lichte betrachtet, oftmals ganz oder in Teilen rechtlich fragwürdig sind. Aber wie heißt es so schön: wo kein Kläger da kein Richter. Deshalb kann die Justiz nur dort korrigierend eingreifen, wo einzelne weder Kosten noch Mühen scheuen und vor Gericht ziehen. Letzteres erfolgt aber meistens nur dann, wenn die Kläger durch die Maßnahme der Exekutive derart betroffen sind, dass für sie ein weiteres zuwarten inakzeptabel wird. Die Mehrzahl der Maßnahmen, die von der Exekutive erlassen werden, werden deshalb, jedenfalls von der breiten Masse, akzeptiert oder geduldet, auch wenn ihnen der Makel der Rechtswidrigkeit anhaftet. Letztlich ist es wie meist im Leben, dass die Macht des Faktischen den rechtlichen Möglichkeiten immer einen Schritt voraus ist. Werden erst einmal Fakten geschaffen, dann ist es meist schwierig und langwierig diese wieder aus der Welt zu schaffen. Vor diesem Wissen werden nicht nur in Coronazeiten geschaffene Fakten oft, weil man es nicht besser weiß oder aber jedenfalls zähneknirschend akzeptiert. Dieses Wissen wird, jedenfalls nach Meinung des Verfassers, von der Exekutive, gestützt von manchen Presseorganen, die schnell das Unwort des Jahres, nämlich des Covidioten, geprägt haben in bislang nie dagewesene Weise ausgenutzt.
Die Entscheidung betrifft übrigens nur die Regelungen aus Nordrhein-Westfalen. Gleichlautende Regelungen aus anderen Bundesländern sind nach wie vor so lange in der Welt, bis sie entweder ebenfalls von zuständigen Gerichten geprüft und gekippt oder aber vor dem Hintergrund der Entscheidung des OVG Münster durch die einzelnen Länder entsprechend aufgehoben oder geändert werden.