Der Laie staunt und der Fachmann wundert sich. Förmlich in letzter Minute hat die Bundesregierung die seit März bestehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen wegen Überschuldung, die an sich zum Jahresende enden sollte, neuerlich verlängert und zwar diesmal bis zum 31.01.2021.
Begründet wird dies diesmal damit, dass sich die Auszahlung der November- und Dezemberhilfen, die im Hinblick auf den Teillockdown und zugesagt worden waren, sich verzögert habe, so das eine Auszahlung zum Großteil erst im Januar erfolgen solle. Während zunächst für die verzögerte Auszahlung die Beschlusslage auf EU-Ebene, wonach die Beihilfen erst am 20.11.2020 genehmigt worden sei, schuld gewesen sein soll, soll jetzt die für die Auftragsbearbeitung erforderliche Software noch nicht bereit stehen … Während Bundesjustizministerin Lambrecht bereits ursprünglich eine Verlängerung bis zum 31.03.2021 favorisiert hatte, und dieser Wunsch wohl am Widerstand der Union gescheitert war, findet hier nun doch eine „ratenweise“ Annäherung statt, denn wer weiß schon zum jetzigen Zeitpunkt, ob damit dann endgültig Schluss ist und die lang vorausgesagte Insolvenzwelle mit voller Härte zuschlägt, oder weitere Gründe gefunden werden, sog. Zombieunternehmen künstlich am Leben zu erhalten.
Das von der Bundesregierung im Rahmen ihrer Formulierungshilfe von Anfang an vorgegebene Ziel, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, die infolge der Covid-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, ließe sich nämlich mit genügend Fantasie sicherlich immer wieder aufs Neue bemühen. Am Ende zahlen die Zeche nicht nur die Gläubiger, weil so massearme Verfahren generiert werden, sondern letztlich auch der Steuerzahler und damit wieder die Allgemeinheit.
Anmerkung:
Nach § 14 InsO können im Insolvenzfall nicht nur Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen, sondern es sind auch die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmen zur Stellung eines solchen Antrags verpflichtet. Diese Pflicht ist straf- und haftungsbewehrt. Weitere Haftungsgefahren resultieren aus gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverboten bei eingetretener Insolvenzreife (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG, § 130a Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB und § 99 Satz 1 GenG). Auch die Vorstände von Vereinen unterliegen haftungsbewehrten Insolvenzantragspflichten, § 42 Absatz 2 BGB.