Infektionsschutz ist bekanntlich Ländersache. Folge des Föderalismus ist, dass für viele Bürger oft unverständlich, in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten. Dass der Föderalismus zu seltsamen Ergebnissen führen kann, wird besonders deutlich, wenn man sich die unterschiedlichen Coronaregelungen für den Golfsport ansieht. Einige Bundesländer, darunter auch Bayern, waren nämlich offensichtlich der Auffassung (will man nicht andere Motive unterstellen), dass sich auch der Golfsport negativ auf das Infektionsgeschehen im Hinblick auf Covid 19 negativ auswirken könnte und haben deshalb in ihren jeweiligen Coronaschutzverordnungen die Schließung aller Sportstätten, und damit auch der Golfplätze verfügt. In Bayern ist dies seit dem 3. Dezember durch die 9. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmen Verordnung geregelt:
„Der Betrieb und die Nutzung von Sporthallen, Sportplätzen, Fitnessstudios, Tanzschulen und anderen Sportstätten ist untersagt.“
Diese Regelung wurde auch durch die mittlerweile gültige 11. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die bis einschließlich 7. März gilt, bestätigt.
Letzteres erstaunt nicht nur deshalb, weil Individualsport in der freien Natur nicht nur gemeinhin als gesund und gut für das Immunsystem gilt und deshalb auch grundsätzlich zulässig ist, sondern die Golfsaison bekanntlich von Anfang Mai bis Ende Oktober in Deutschland, speziell in Bayern, andauert, also eine Schließung außerhalb der Saison, also einer Zeit in der Golfplätze nur sehr schwach frequentiert werden, bereits deshalb sinnentleert erscheint. Dies erst recht, wenn man als Ergebnis der Regelung dann feststellt, dass das Golfspielen zwar per se nicht verboten ist, aber eben auf Golfplätzen, während beispielsweise in öffentlichen Parkanlagen (unter Gefährdung von Spaziergängern und Radfahrern) – jedenfalls aus infektionsrechtlicher Sicht – bedenkenlos gegolft werden könnte … Cross golfen ja, Platz golfen nein?
Nachdem durch Corona alles anders ist als zuvor, überrascht es dann kaum noch, dass der BayVGH im Rahmen einer Eilentscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO in seinem Beschluss vom 12. Januar (20 NE 20.3026) die Verordnung nicht gekippt, sondern als wahrscheinlich verhältnismäßig eingestuft hat. In der sehr oberflächlich und lebensfremd wirkenden Begründung haben die obersten Bayerischen Verwaltungsrichter dann zwar festgestellt, dass es nicht das Golfspielen per se sei, das die Gefahr von Infektionen begründen würde, sondern die Gefahr bestehe, dass sich Golfspieler, auf den zugehörigen Parkplätzen mit anderen Golfspielern, die sie kennen, unterhalten würden, was zu einer Verbreitung des Coronavirus beitragen könnte. Dass diese Argumentation doch sehr konstruiert ist, zeigt sich daran, dass später als aufgrund von Eis und Schnee ohnehin nicht an Golfsport zu denken war, und sich manche Golfanlage zum Langlaufparadies entwickelt hat, volle Parkplätze mit Langläufern weder für Politik noch Justiz ein Problem waren.
Golfplätze in NRW ab heute wieder geöffnet
In Nordrhein-Westfalen hat jetzt Ministerpräsidenten Laschet reagiert, denn dort öffnen ab dem 22. Februar 2021 wieder die Golfplätze, so dass derzeit nur noch in Bayern und Sachsen keine Öffnungsperspektive besteht. Vorangegangen war ein offener Brief des Präsidenten des Golfverbandes Nordrhein-Westfalen an Armin Laschet mit der Forderung die Golfanlagen wieder zu öffnen sowie eine Petition von Golferinnen und Golfern, die dem Landtag bereits zuvor übergeben worden war. Dies hatte dann den umtriebigen Ministerpräsidenten, der sicherlich erkannt hat, dass Golfspieler auch Wähler sind, zum Umdenken bewegt, zumal aufgrund der gesunkenen Infektionszahlen eine solche Schließung, sollte sie überhaupt jemals verfassungsgemäß gewesen sein, einer rechtlichen Nachprüfung wohl kaum mehr standhalten würde.
Bemühungen des Bayerischen Golfverbands bislang erfolglos
Da auch in Bayern der Bayerische Golfverband sich bislang vergeblich darum bemüht hat, sowohl auf juristischer als auch auf politischer Ebene eine rasche Öffnung der Golfplätze zu erreichen und auch eine Petition von Bayerischen Golfern und Golferinnen noch keine Wirkung gezeigt hat, wird jedenfalls durch das Einlenken von Armin Laschet der politische Druck auf den Bayerischen Ministerpräsidenten steigen.
Hinzu kommt, dass sich immer mehr Präsidenten von Golfclubs, so beispielsweise auch der Präsident des Münchner Golfclubs, Thomas Ritz, der mit einer über 110-jährigen Tradition und mehr als 2.400 Mitgliedern nicht nur der älteste, sondern auch der größte Golfclub in Bayern ist, in offenen Briefen direkt an den Bayerischen Ministerpräsidenten gewandt und im Interesse der Gesundheit ihrer Mitglieder gefordert haben, den Golfclubs, die allesamt ein Hygienekonzept umgesetzt haben, eine Öffnung des Golfplatzes möglichst rasch wieder zu gestatten.
Golfplatz als Teil der freien Natur
Eine Sonderweg geht wieder der Präsident und Geschäftsführer der Golfanlage Bergkramerhof aus Wolfratshausen, Dr. Josef Hingerl. Wie bereits im Mai 2020 beschränkt dieser sich nunmehr nicht nur darauf, sich erneut in einem offenen Brief vom 19.02.2021 an den Bayerischen Ministerpräsidenten zu wenden, sondern unter der Überschrift „Mir reicht‘s zum 2. Mal“, bringt er das deutlich zum Ausdruck was derzeit viele Golfer in Bayern von der Schließung der Golfplätze halten. Im Gegensatz zum 1. Mal ist die Strategie diesmal eine andere, indem er kurzerhand die Rasenflächen der Golfanlage Bergkramerhof zu einem „Teil der freien Natur“ erklärt und am vergangenen Traumwochenende der Gesamtbevölkerung zur Nutzung mit Sport an der frischen Luft zur Verfügung gestellt hat. Neben den Grundstücken der Golfanlage stellt er auch noch ein weiteres, angrenzendes landwirtschaftliches Grundstück Fußgängern, Joggern und Golfern zur Nutzung zur Verfügung. Diese Nutzung, von der zahlreiche Spaziergänger, aber auch Golfer, dankbar Gebrauch gemacht hatten, soll ausweislich des Schreibens nur für das vergangene Traumwochenende gelten.
Unter Ziffer 2 führte er dann aus, dass er voraussichtlich zu dem Ergebnis kommen wird, dass eine Nutzung von Fußgängern, Joggern und Golfern gleichzeitig zu einer Gefährdung der Erstgenannten führt, weshalb dann in der 2. Stufe die „freien Natur“ zu nur noch Golfern mit DGV Ausweis zugänglich sein soll, um die Gefährdung Dritter zu vermeiden.
In einer 3. Stufe wird dann wiederum die Öffnung der Golfanlage notfalls unter Verstoß gegen die geltende Coronaschutzverordnung, so wie er dies bereits am 04.05.2020 gemacht hatte, angekündigt.
Damit aber nicht genug. Nachdem offensichtlich – aus welchen Gründen auch immer – das zuständige Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen bislang für die eigenmächtige Öffnung im Mai 2020 noch keinen rechtsmittelfähigen Bußgeldbescheid zugestellt hat, wird Ministerpräsidenten Söder aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass ihm endlich der Bußgeldbescheid zugestellt wird, damit er den Rechtsweg dagegen beschreiten kann.
Zur Erinnerung: Im Mai sind dann kurze Zeit später offiziell die Golfplätze geöffnet worden. Von daher bleibt abzuwarten, wie die Bayerische Staatsregierung nun reagieren wird. Der politische, aber auch der rechtliche Druck, wächst, während die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet. Zu welchen kuriosen Ergebnissen die unterschiedlichen Landesregelungen führen verdeutlicht, dass augenblicklich Golfspieler aus dem Großraum München nach Ulm zum Golfspielen fahren, weil dort die Golfplätze nicht geschlossen sind. Sowohl aus Infektionsschutzgründen, aber auch umweltpolitisch ist ein solcher „Golftourismus“ sicherlich nicht wünschenswert. Hinzu kommt, dass bei einem Sonntagsspaziergang im Münchner Englischen Garten das Infektionsrisiko sicherlich deutlich höher ist, als eine Golfrunde auf einem der bayerischen Golfplätze. Parkplätze hin oder her. Von daher kann es nur eine Entscheidung geben, nämlich die Regelung in der Infektionsschutzverordnungen so zu fassen, dass wirklich nur das geschlossen wird, was geschlossen werden muss. Regelungen, die mit gesundem Menschenverstand nicht verständlich sind, führen dazu, dass auch vernünftige Regelungen auf Ablehnung stoßen.
Anmerkung:
Das Kalkül, dass hinter der Vorgehensweise der Golfanlage Bergkramerhof steht, ist klar. Neben einer überregionalen medialen Präsenz, die ähnlich wie bereits im Mai 2020 ausfallen dürfte, geht es rechtlich dabei darum überhaupt erst den Rahmen dafür zu schaffen, dass die staatlichen Maßnahmen einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Das System der Coronaschutzverordnungen ist nämlich aufgrund der jeweils kurzen Laufzeiten so, dass Maßnahmen kaum effektiv gerichtlich überprüft werden können. In den wenigsten Fällen wird nämlich ein Oberverwaltungsgericht (in Bayern heißt dieses VGH) gewillt sein im Rahmen einer Eilentscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO und der dort durchzuführenden reinen Güterabwägung eine Verordnung zu kippen. Von daher kann die Exekutive, ohne hinreichende gerichtliche Kontrolle schalten und walten. Ein Bußgeldbescheid ist dagegen geeignet ein Gerichtsverfahren in Gang zu stoßen, bei dem dann jeder damit befasste Richter in der Lage ist, die Coronaschutzverordnung dahingehend zu überprüfen, ob diese verfassungsgemäß ist. Wird dies verneint, dann kann jeder Richter eine solche Verordnung verwerfen, also nicht anwenden, weil es sich dabei um ein Gesetz im nur materiellen Sinn handelt, also eine Rechtsvorschrift, die nicht von der Legislative, sondern von der Exekutive stammt. Hinzu kommt, dass nur so gewährleistet werden kann, dass zeitnah auch das Bundes- oder Landesverfassungsgericht angerufen werden kann. Wer weiß, mit welchem Nachdruck der Staat als Gläubiger seine Forderungen durchsetzt, der kann sich nur wundern, dass der Delinquent, hier in Person des Dr. Hingerl, regelrecht darum betteln muss für seinen formellen Rechtsverstoß aus dem Mai 2020 endlich auch einen Bußgeldbescheid, den er dann mit Rechtsbehelfen angreifen kann, zu erhalten.