Senioren- und Pflegeheime sind bekanntermaßen besonders stark betroffen von der Corona Pandemie. Gleichwohl heiligt auch dort der Zweck nicht die Mittel, wie ein Beschluss des VG Darmstadt vom 10.12.2020 (4 L 1947/20.DA) zeigt. Die Richter haben dem Eilantrag eines Bewohners eine Seniorenresidenz gegen eine Verfügung der Stadt Darmstadt stattgegeben, mit der diese aufgrund bestätigter Covid-19 Infektionen in der Wohneinrichtung verschiedene Quarantänemaßnahmen, u.a. verfügt hatte, dass nicht infizierten Bewohner bis mindestens 26.11.2020 das Verlassen ihrer Zimmer nicht gestattet werden dürfe und den so behördlich verfügten „Hausarrest“ für unwirksam erklärt.
Seniorenresidenz bereits falscher Adressat der Verfügung
Zunächst haben die Richter beanstandet, dass die behördliche Anordnung nicht an die betroffenen Bewohner, die hierdurch in ihrer Bewegung- und Handlungsfreiheit betroffen werden, adressiert war, sondern stattdessen an die Seniorenresidenz.
Die Richter haben weiter ausgeführt, dass es auch rechtlich unzulässig sei durch behördliche Anordnung der Seniorenresidenz aufzugeben, den in Quarantäne befindlichen Personen ein Verlassen ihrer Zimmer zu untersagen. Das Infektionsschutzgesetz sehe nämlich eine Übertragung solcher hoheitlichen Befugnisse auf Dritte gar nicht vor. Dies erst recht, wenn so wie hier in nicht unerheblicher Weise in die Freiheitsrechte eingegriffen werde.
Verfügung auch zu unbestimmt
Weiter haben die Richter beanstandet, dass die getroffene Anordnung in zeitlicher Hinsicht zu unbestimmt sei. Soweit nämlich angeordnet wurde, dass die Maßnahme bis „mindestens 26 November 2020“ gelten würde, bleibe unklar, ob die Maßnahme an diesem Tag endet oder auch darüber hinaus wirksam bleibt.
Anmerkung:
Auch dieser Fall verdeutlicht exemplarisch, wie rechtlich dilettantisch und im Ergebnis damit rechtswidrig und unwirksam landauf und landab die Behörden in die Rechte der Bürger eingreifen. Das Problem besteht dabei darin, dass auch bereits auf den 1. Blick rechtswidrige Anordnungen gleichwohl, solange sie nicht gerichtlich kassiert werden, wirksam sind. Hier hat die Behörde wohl nicht damit gerechnet, dass auch in Senioreneinrichtungen Bürger leben, die nicht klaglos alles mit sich machen lassen, sondern sich nötigenfalls mit gerichtlicher Hilfe zur Wehr setzen. Aber wie heißt es so schön: wo kein Kläger, da kein Richter. Deshalb haben in 2020 unterschiedlichste Regelungen der Behörden Bestand gehabt, weil sich niemand die Mühe gemacht hat, sie auf den rechtlichen Prüfstand zu stellen. Gerade dadurch, dass Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz grundsätzlich immer zeitlich begrenzt sind, werden oft Betroffene dazu verleitet, sich nicht zur Wehr zu setzen, weil regelmäßig die Maßnahme ja ohnehin schon wieder außer Kraft ist, bevor überhaupt ein Gericht sich mit der Sache befasst hat. Diese Denkweise greift aber nach Ansicht des Verfassers zu kurz, weil derjenige, der sich heute nicht gegen einen rechtswidrigen Rechtseingriff zur Wehr setzt, den Eindruck erweckt er sei ein leichtes Opfer für weitere, zukünftige Rechtsangriffe. Es ist auch nicht, wie es manchmal anklingt, unsolidarisch oder unsozial sich trotz Corona gegen rechtswidrige staatliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen. Es gehört vielmehr zu einem funktionierenden Rechtsstaat, dass das Handeln der Exekutive immer wieder von der Judikative auf Rechtmäßigkeit überprüft wird. Alles andere wäre mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht zu vereinbaren. Es gehört daher zu den Bürgerrechten einer Demokratie willkürliches Verwaltungshandeln nicht klaglos zu akzeptieren.