Unternehmer, die von behördlich angeordneten Betriebsschließungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen sind, werden nun verstärkt darüber nachdenken, ob sich daraus nicht Schadenersatz oder Entschädigungsansprüche gegen den Staat konstruieren lassen. Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung nach den § 839 BGB, Art. 34 GG oder aber auch Ansprüche aus enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff erscheinen hier überlegenswert. Bis die Frage obergerichtlich entschieden ist, wird noch viel Zeit vergehen. Gleichwohl liegt nun, soweit ersichtlich, ein erstes landgerichtliches Urteil vor, mit der die Klage der Inhaberin eines Friseursalons, die für eine Schließung ihres Friseurladens in Baden-Württemberg 1.000 € an Schadenersatz wollte, abgewiesen wurde (LG Heilbronn, Urteil vom 29. April 2020, 4 O 82/20).
Inhaberin eines Friseursalons möchte mit einstweiliger Verfügung vorläufig 1.000 € Schadenersatz
Vor Gericht zog die Inhaberin eines Friseursalons deren Laden in Baden-Württemberg Ende März zur Eindämmung der Corona-Pandemie aufgrund behördlicher Anordnung schließen musste. Die Friseurin zog dagegen sofort vor Gericht und wollte im Wege einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass ihr das Land Baden-Württemberg für die Zeit der Zwangsschließung für Miete und weitere Aufwendungen einen Vorschuss in Höhe von 1.000 € bezahlt.
Gericht verneint Zahlungsanspruch
Jedenfalls im vorläufigen Rechtschutzverfahren, das die Friseurin gewählt hatte, um möglichst rasch an Geld zu gelangen, hatte sie keinen Erfolg. Dies bereits deshalb, weil nach Auffassung des Gerichts keine existenzielle Notlage, die in einem Eilverfahren hätte nachgewiesen werden müssen, vorgelegen habe, denn die vom Land Baden-Württemberg zur Verfügung gestellten 9.000 € seien zur Abfederung von Notlagen ausreichend.
Im Rahmen der vorgenommenen summarischen Prüfung hat dann das Gericht aber auch bereits dem Grunde nach Entschädigungsansprüche verneint.
Keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz bei allgemeinen Betriebsschließungen
Einen Anspruch aus § 56 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz hat das Gericht mit der Begründung verneint, dass solche Ansprüche nur dann bestünden, wenn eine Maßnahme mit dem Infektionsschutzgesetz selbst begründet wird, wenn also eine Schließung aufgrund einer Infektion oder drohenden Infektion des Inhabers angeordnet wird. Allgemeine Betriebsschließungen zu Präventionszwecken würden hingegen von dieser Regelung nicht erfasst werden.
Keine Entschädigung nach Polizeirecht
Auch einen Entschädigungsanspruch nach § 55 Polizeigesetz Baden-Württemberg hat das Gericht verneint. Zwar kann nach dieser Vorschrift nicht beteiligten Personen, die von einer polizeilichen Maßnahme betroffen sind, grundsätzlich eine angemessene Entschädigung für den durch die Maßnahme entstandenen Schaden zustehen. Allerdings sei diese Regelung vorliegend schon deshalb nicht anwendbar, weil sie von den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes als lex specialis (vorrangiges Spezialrecht) verdrängt werden würden.
Kein Sonderopfer
Schließlich hatte das Gericht auch einen Anspruch aus enteignendem Eingriff, bei dem im Fall einer rechtmäßigen Grundrechtsbeschränkung durch den Staat der Betroffene eine Entschädigung verlangen könne, wenn ihm der Eingriff ein entschädigungspflichtiges Sonderopfer abverlange, verneint. Dies deshalb, weil, so das Gericht, nicht nur die Klägerin, sondern alle Inhaber von Friseurgeschäften des Landes gleichermaßen betroffen gewesen seien, so dass man nach Auffassung des Gerichts schon nicht von einem Sonderopfer sprechen könne. Hinzu komme, dass dafür ein Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erforderlich sei. Daran würde es aber fehlen, weil Art. 14 GG nur das Erworbene, nicht aber die lediglich von Art. 12 GG (Berufsfreiheit) geschützte Erwerbschance schützen würde.
Anmerkung:
Derartige Ansprüche im Wege eines Eilverfahrens geltend zu machen ist regelmäßig keine gute Idee, weil selbst dann, wenn wie hier, nur ein geringer Betrag geltend gemacht worden ist, eine solche Entscheidung regelmäßig eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellt, die an sich in Eilverfahren stets unzulässig ist.
Wer also vor hat erlittene Umsatzeinbußen nicht naturgegeben hinzunehmen, der sollte keinen Schnellschuss aus der Hüfte machen, sondern wohlüberlegt und strategisch vorgehen.
Das Gericht ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass die Betriebsschließungen rechtmäßig gewesen seien. Von daher ist zu unterstellen, dass die Klägerin die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, weil es sich beispielsweise um einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff gehandelt hat, gar nicht angegriffen hat. Von daher musste sich das Gericht auch nicht mit der Frage befassen, ob Ansprüche aus Amtspflichtverletzung, die immer dann gegeben sind, wenn Amtsträger bei Vornahme einer Amtshandlung die einem Dritten gegenüber bestehende Amtspflicht verletzen und dadurch einen Schaden verursachen für den der Geschädigte nicht anderweitig Ersatz erlangen kann, gegeben sein können.
Wenn aber die Exekutive, also Behörden, Maßnahmen ergreifen, die unverhältnismäßig in Grundrechte eingreifen, dann ist nach Meinung des Verfassers jedenfalls diese Anspruchsgrundlage stets zu diskutieren. Dies bedeutet, dass derjenige, der Schadenersatz bzw. Entschädigung geltend macht, zweckmäßig nicht von einer Rechtmäßigkeit der angeordneten Betriebsschließung ausgehen sollte, sondern im Rahmen eines Rechtsstreits darlegen muss, weshalb die Betriebsschließungen rechtswidrig gewesen ist. Der beste Hebel dürfte dafür sein, stets damit zu argumentieren, dass die getroffene Maßnahme nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei jedem Grundrechtseingriff zu beachten ist, zu vereinbaren gewesen ist. Das vorliegende Urteil ist daher keinesfalls ein Präzedenzfall. Dass es so schnell vorliegt macht auch deutlich, dass die Prozessführung auf Klägerseite wohl nicht ganz optimal gewesen sein dürfte.
Wenn auch Sie als Unternehmer von Betriebsschließungen oder sonstigen Maßnahmen staatlicher Stellen im Zusammenhang mit dem Lockdown betroffen sind, dann beraten und unterstützten wir Sie gerne. Bundesweit. Falls Sie sich entschließen vor Gericht zu ziehen, dann müssen Sie sich auf einen langjährigen Rechtsstreit einstellen. Aber wie heißt es so schön: „Wer nämlich nicht kämpft, der hat schon verloren.“