Wer alleinerziehend ist und in einem systemrelevanten Beruf arbeitet, der hat die Möglichkeit sein Kind, auch trotz des Shutdown in der Kita unterzubringen. Dies ist bekannt. Weniger bekannt ist allerdings, dass gerade diese Kita-Unterbringung, dazu führen kann, jedenfalls dann, wenn der Kindesvater dies nutzt um „anzugreifen“, eine Änderung des Umgangsrechts im Rahmen eines Eilverfahrens zu erwirken. Genauso ist es einer alleinerziehenden Mutter ergangen, die in einer Zahnarztpraxis arbeitete, und die ihre 5-jährige Tochter deshalb in einer Notfallbetreuung in dem selben Kindergarten, in dem das Kind auch regulär war, untergebracht hatte. Diese sieht nunmehr ihre Tochter, die ihren Lebensmittelpunkt bei ihr hatte, jedenfalls solange die Notfallbetreuung andauert, nach einer Entscheidung des Amtsgerichts München nur noch an den Wochenenden.
Geschiedener Vater erstreitet vorübergehende Änderung des Umgangsrechts wegen Corona
Der Kindesvater, von dem die Mutter seit 5 Jahren getrennt lebte, und zwischenzeitlich auch geschieden war, und der bislang nur ein Umgangsrecht dahingehend hatte, dass seine Tochter jedes 2. Wochenende und alle 2 Wochen einmal während der Woche bei ihm übernachtete, und mit dem die Mutter nach wie vor trotz gemeinsamen Sorgerechts in Unfrieden lebte, nutzte genau dies, um den Spieß umzudrehen und sein Umgangsrecht deutlich zu erweitern. Da er selbst nämlich im Home Office arbeitete hatte er beim Amtsgericht München im Rahmen einer einstweiligen Anordnung eine Entscheidung erwirkt, mit der das Umgangsrecht völlig auf den Kopf gestellt wurde. Das Kind, das bisher seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter hatte, soll nun nämlich auf Anordnung des Gerichts während der Woche ganz beim Vater leben und nur an den Wochenenden noch ein Umgangsrecht mit der Mutter haben. Der Vater hatte damit argumentiert, dass die Unterbringung des Kindes in der Kita das Kindeswohl gefährden würde, weil dies eine erhebliche Ansteckungsgefahr mit sich bringen würde. Diese Argumentation ist das Gericht gefolgt und hat dabei ausgeführt, dass die Gefahr der Ausbreitung von Infektionen in Schulen oder Kindertageseinrichtungen besonders hoch sei.
Gerichtliche Eilentscheidung kann nicht unmittelbar angegriffen werden
Was für die Mutter fatal ist, ist dass derartige Entscheidungen nicht justiziabel sind, also nicht angegriffen werden können. Der Vater ist dann auch gleich, kaum dass er die Entscheidung in Händen hatte, schnurstracks in die Kita marschiert und hat sein Kind dort abgeholt.
Eine Änderung ist nur in einem Hauptsacheverfahren möglich, das aber nicht nur per se dauert, sondern vom Vater bei geschickter Prozessführung auch durchaus noch ganz erheblich verschleppt und verzögert werden kann. Einziger Wermutstropfen für die Mutter ist, dass die Regelung nur so lange Geltung hat, bis die Kita-Schließung wieder aufgehoben ist, also dort regulärer Betrieb stattfindet. Die Entscheidung ist aber auch deshalb rechtlich problematisch, weil hier über eine Eilentscheidung im Bereich des Umgangsrechts hinaus systemwidrig in den Bereich des Sorgerechts eingegriffen wurde.
Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand
Der Fall macht exemplarisch deutlich, nicht nur welche Auswirkungen manchmal die richterliche Unabhängigkeit für den Einzelnen haben kann, sondern auch wie willkürlich manchmal Gerichte einen Sachverhalt beurteilen. In der Verhandlung soll sich nämlich die entscheidende Richterin auch noch dahingehend geäußert haben, dass sie selbst ihre beiden Kinder in einer Notbetreuung untergebracht habe … Sie wollte damit wohl zum Ausdruck bringen, dass sie besondere Sachkenntnis über die Gefährdungslage habe, die der Vater hier ins Feld geführt hat.
Der Laie staunt und der Fachmann wundert sich. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand und das nicht nur in der Coronakrise.
Allerdings ist nach Meinung des Verfassers der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin, der oder die die Mutter in dem Verfahren vertreten hatte, nicht ganz unschuldig an dem Dilemma. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht ganz überraschend gefällt wurde. Von daher hätte durch einen (in der Sache zwar unbegründeten) Befangenheitsantrag auf jeden Fall eine Entscheidung vorübergehend verhindert werden können. Gerade ein solcher Befangenheitsantrag und das Procedere, das daran anschließt, hätte aber dazu geführt, dass wenn auch nicht zur Sache, aber doch im Zusammenhang mit dem Befangenheitsantrag, sich andere Richter nebenbei mit dem Sachverhalt befasst und so vielleicht der Kollegin auch den ein oder anderen Hinweis mit auf den Weg gegeben hätten, dass die von ihr vertretene Auffassung wohl eher von übertriebener Angst als von juristischem Sachverstand, vor allen Dingen aber gesunden Menschenverstand, geprägt ist. Aber Letzteres hat ja bereits Ludwig Thoma bei Juristen angezweifelt. Bei der Richterin scheint noch nicht angekommen zu sein, dass (leider) bei Scheidungen aber auch danach bei manchen Eltern die eigenen Befindlichkeiten mit Kindeswohl verwechselt werden und Kinder als Waffe gegen den anderen instrumentalisiert und eingesetzt werden.