Am 24. November ist in Bayern die 15. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Kraft getreten. Dort findet sich in § 4 Abs. 1 folgende Regelung:
§ 4 Geimpft, genesen und zusätzlich getestet (2G plus)
(1) Der Zugang zu öffentlichen und privaten Veranstaltungen außerhalb privater Räumlichkeiten, zu Sportstätten, praktischer Sportausbildung, dem Kulturbereich mit Theatern, Opern, Konzerthäusern, Bühnen, Kinos, Museen, Messen, Tagungen, Kongressen, Ausstellungen, Gedenkstätten, Objekten der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, zoologischen und botanischen Gärten, außerdem zu Freizeiteinrichtungen einschließlich Bädern, Thermen, Saunen, Solarien, Fitnessstudios, Seilbahnen und Ausflugsschiffen, Führungen, Schauhöhlen und Besucherbergwerken, Freizeitparks, Indoorspielplätzen, Spielhallen und -banken, Wettannahmestellen, dem touristischen Bahn- und Reisebusverkehr und infektiologisch vergleichbaren Bereichen darf nur durch Anbieter, Veranstalter, Betreiber, Besucher, Beschäftigte und ehrenamtlich Tätige erfolgen, soweit diese
1. im Sinne des § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV geimpft oder genesen oder noch nicht zwölf Jahre und drei Monate alt sind und
2. zusätzlich über einen Testnachweis nach Abs. 6 verfügen oder Abs. 7 unterfallen.
Für Betreiber von Golfanlagen wie Golfspieler stellt sich daher gleichermaßen (zum wiederholten Mal) die Frage, welche Auswirkungen die missverständlich formulierte Regelungen auf den Golfsport in Bayern haben.
Das sagt der Bayerische Golfverband
Golf ist ein kontaktloser Individualsport. Gleichwohl versteht Bayerische Golfverband die Regelung so, dass hiermit neuerlich der Zugang zu Golfanlagen in Bayern seitens der Exekutive (in nicht nachvollziehbarer Weise) erschwert wird und hat dazu auf seiner Internetseite (Stand 03.12.2021) die Auswirkungen folgendermaßen interpretiert:
- Golfplatz: bis zu einer weiteren Bekanntgabe durch die Bay. Staatsregierung bzw. bis zum 15.12. (Gültigkeit der derzeitigen Verordnung) gilt 2G plus auf den Golfplätzen in Bayern.
- Übungsanlage, wie z.B. Driving-Range, Putting-Grün, Kurzspielbereich fällt im Sinne des § 4 unter „Sportstätten“ und erfordert 2G plus
- Indoor-Golf-Halle: 2G plus und Maskenpflicht bis zum Betreten der Abschlagsmatte (Sportausübung ist von der Maskenpflicht befreit)
- Gastronomie: 2G (Ausnahme bis 31.12.: Ungeimpfte 12- bis 17-jährigen) mit Sperrstunde 22 Uhr
- Einzelhandel, d.h. Pro-Shop: 10 m2 pro Kunde ab 8.12. zusätzlich 2G
- Bzgl. Zugang zur Sanitäranlagen, Umkleiden und Duschen gilt bis zur Veröffentlichung des aktualisierten Rahmenhyghienekonzepts Sports die Zugangsbeschränkungen für das Clubhaus und das ist 2G plus
In Landkreisen und kreisfreien Städten, die eine 7-Tage-Inzidenz von 1.000 überschreiten, gilt ein regionaler Hotspot-Lockdown:
- alle Sportstätten und damit auch Golfplätze und das gesamte Übungsgelände sind geschlossen
- Indoor-Trainingsbereiche z.B. Indoor-Golf sind geschlossen.
- Gastronomie ist geschlossen
- Einzelhandel bleibt zwar geöffnet, es gilt aber eine Kundenbegrenzung auf einen Kunden je 20 pro m2 Ladenfläche.
Der Hotspot-Lockdown gilt in einem Landkreis, bis der Inzidenzwert fünf Tage in Folge wieder unter dem Inzidenzgrenzwert von 1.000 lag.
Bei einer Inzidenz unter 1.000 würde also die Regelung nach der Interpretation des Bayerischen Golfverbands so zu verstehen sein, dass
- Ungeimpften der Zugang zu Golfanlagen (als Golfspieler, nicht aber Spaziergänger) verwehrt ist.
- im Club Restaurant, also in geschlossenen Räumen, mit 2G weniger strenge Regeln gelten als im Freien mit 2G plus.
- Schüler, die nicht geimpft sind, und deshalb derzeit dreimal in der Woche in der Schule getestet werden, Golfanlage und Club Restaurant ohne Einschränkungen nutzen können, während für geimpfte Schüler, wie bei Erwachsenen bei der Benutzung von Driving Range und Golfplatz die 2G plus Regelungen gelten.
Werden Golfplätze von § 4 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung überhaupt erfasst?
Dieses Ergebnis wirkt befremdlich, weil es dem gesunden Menschenverstand widerspricht. Welchen Sinn soll es infektiologisch haben, dass der Besuch des Club Restaurants weniger streng reglementiert ist, als der Besuch der Golfanlage selbst?
Von daher soll nachfolgend der Frage nachgegangen werden, ob der Verordnungsgeber hier neuerlich eine Regelung geschaffen hat, die dem gesunden Rechtsempfinden widerspricht, oder aber vielleicht die Verantwortlichen im Golfverband die Regelung vorschnell fehlinterpretiert haben.
Betrachten wir nochmals die Fakten. Kann es wirklich sein, dass der Verordnungsgeber regeln wollte, dass
- Ungeimpfte ihre Golfanlage nur noch als Spaziergänger, aber nicht mehr als Golfspieler betreten können,während sie außerhalb der Golfanlage als Crossgolfer die freie Natur unsicher machen können?
- Geimpfte und Genesenezwar das Club Restaurant besuchen können, aber für den Besuch der Übungsanlage und des Golfplatzes dann zusätzlich einen Test benötigen?
- geimpfte Schüler – ebenso wie Erwachsene – für die Benutzung von Golfplatz und Driving Range zusätzlich einen Test benötigen, während ungeimpfte Schüler diese Einrichtungen uneingeschränkt nutzen können?
oder aber ist es vielleicht so, dass die Regelung, die zu den vorgenannten merkwürdigen Ergebnissen bei dieser Interpretation führen würde, in Wahrheit auf Golfplätze gar keine Anwendung findet, weil sie nicht einschlägig ist?
Der Wortlaut der Vorschrift ist keineswegs so eindeutig, wie dies vom Bayerischen Golfverband verstanden wird. Zutreffend ist, dass in der beispielhaften Aufzählung auch das Wort „Sportstätten“ auftaucht, auf das der Bayerische Golfverband in seiner Interpretation abstellt. Da Golfplätze nicht explizit genannt sind, müsste man sich also zunächst fragen, ob der Verordnungsgeber mit „Sportstätten“ auch Golfplätze erfassen wollte. Zweifel könnte bereits deshalb aufkommen, weil der Verordnungsgeber das Wort „Sportstätten“ nicht „Sportplätze“ verwendet. dies mag bedeutsam, könnte aber auch eine sprachliche Unachtsamkeit geschuldet sein.deshalb ist es erforderlich den Terminus nicht aus dem Gesamtzusammenhang herauszulösen, sondern vielmehr den Gesamtzusammenhang, in dem er verwendet wird, zu betrachten.
a) In der weiteren Aufzählung finden sich Begrifflichkeiten wie Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Kinos, Museen, Messen, Tagungen, Kongresse, Ausstellungen, Bäder, Thermen, Saunen, Solarien, Fitnessstudios, Seilbahnen und Ausflugsschiffe, Indoorspielplätze, Spielhallen und -banken, Wettannahmestellen, sowie der touristische Bahn- und Reisebusverkehr. dabei fällt auf, dass dies allesamt Einrichtungen sind, bei denen sich die Nutzer regelmäßig nicht im Freien, sondern in geschlossenen Räumen aufhalten.
b) Soweit in der Aufzählung dann als Begrifflichkeiten auch Gedenkstätten, Objekte der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, zoologische und botanischen Gärten sowie Freizeitparks genannt werden, sind dies Einrichtungen, bei denen sich Besucher nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern – jedenfalls teilweise – auch im Freien aufhalten. bei bloßer oberflächlicher Betrachtung könnte man also zum Ergebnis kommen, dass der Verordnungsgeber hier beispielhaft, ohne dass eine Systematik erkennbar wäre, wahllos Freizeitaktivitäten exemplarisch, also nicht abschließend aufgelistet hat, denn am Ende verwendet er die Formulierung „und infektiologisch vergleichbaren Bereichen“.betrachtet man allerdings die hier genannten Begrifflichkeiten näher, dann wird schnell deutlich, dass all diesen gemeinsam ist, dass sich Besucherströme regelmäßig in geschlossenen Räumlichkeiten konzentrieren, wie beispielsweise in einem Gewächshaus in einem botanischen Garten oder aber auch im Affenhaus in einem Tierpark. Niemand wird dagegen ernsthaft auf die Idee kommen, dass der Verordnungsgeber hier geregelt hat, dass ein Spaziergang an einem der Bayerischen Seen nur noch nach den Vorgaben von 2G plusmöglich wäre, oder dass auch der bei Münchnern beliebte Spaziergang im Nymphenburger Schlosspark diese Regelung unterliegt, wohl dagegen schon der Besuch von Schloss Nymphenburg selbst.
c) Aus Sicht des Verfassers ist daher zur Klärung der Frage, ob ein Golfplatz überhaupt von der Regelung erfasst wird zu fragen, ob es sich dabei um einen „infektiologisch vergleichbaren Bereich“ im Hinblick auf die explizit genannten Einrichtungen handelt. Es geht also um nichts anderes die Frage, was überhaupt Sinn und Zweck der Regelung ist.damit diese nicht bereits per se verfassungswidrig und damit unwirksam ist, muss Sinn und Zweck der Regelung sein, verhältnismäßig das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen, also Infektionen und damit eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Dass ein Golfplatz, bei dem die Aktivität ausschließlich in der freien Natur stattfindet, nicht mit dem Besuch eines Fitnessstudios, eines Kinos oder eines Museums vergleichbar ist, liegt auf der Hand. Aber auch eine infektiologische Vergleichbarkeit mit zoologischen und botanischen Gärten oder Freizeitparks ist nicht gegeben, weil zum einen all diesen Einrichtungen immanent ist, dass ein Großteil der Aktivitäten – gerade in den Wintermonaten – sich nicht im Außenbereich abspielt, sondern im Innenbereich. Ein Gewächshaus mit tropischen Temperaturen im botanischen Garten oder ein Affenhaus im Tierpark ist sicherlich infektiologisch nicht mit einem Golfplatz vergleichbar. Auch aus der Formulierung „Objekte der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen“ wird aus dem Wort „Objekte“ deutlich, dass damit Baulichkeiten gemeint sind, also eher der Besuch des Schlosses selbst, als der des Schlossgartens. Niemand wird nämlich ernsthaft auf die Idee kommen, dass der Regelung zu entnehmen sei, dass ein Spaziergang an einem der Bayerischen Seen nur noch unter den Voraussetzungen von 2G plus gestattet sei. Hinzu kommt, dass es sich bei der Verordnung um eine Vorschrift im Range unter dem Landesrecht handelt und diese ansonsten bereits deshalb unwirksam wäre, weil sie gegen das in Bayern geltende Rechtauf Naturgenuss und Erholung (Art. 26 Bayerisches Naturschutzgesetz, Art. 141 Abs. 3 BV) verstoßen würde.
Bei den vorgenannten Objekten, zoologischen und botanischen Garten, aber auch Freizeitparks, handelt es sich zudem um Einrichtungen, die eine Vielzahl von Personen anzieht, so dass mit Menschenansammlungen zu rechnen ist, was auf einem Golfplatz, gerade außerhalb der Saison in der Winterzeit, mitnichten der Fall ist. Am deutlichsten wird es aber nach Auffassung des Verfassers, dass der Verordnungsgeber nicht Spielplätze per se in seine Regelung aufnimmt, sondern dort nur „Indoorspielplätze“ genannt sind, während damit „Outdoorspielplätze“ gerade nicht erfasst werden. An dieser Stelle wird deutlich, dass dem Verordnungsgeber bewusst war, dass im Outdoorbereich ein anderes Infektionsgeschehen herrscht, wie im Indoorbereich, weshalb er hier bewusst differenziert hat. Auch Skipisten finden sich nicht in der beispielhaften Aufzählung, sondern lediglich Seilbahnen. Auch hier unterscheidet der Verordnungsgeber also zwischen der im Freien stattfinden Nutzung einer Piste einerseits und der kontaktintensiven Nutzung einer Seilbahn andererseits. Wer Spaß daran hat kann also, ohne in Konflikt mit der Regelung zu geraten, auch ohne die Voraussetzungen von 2G plus zu erfüllen, also beispielsweise eine Skipiste nutzen. Erst dann, wenn er die Piste nicht hochlaufen möchte, sondern bequem mit der Seilbahn fahren, fällt er unter der Anwendungsbereich der Vorschrift.
Ergebnis:
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Golfplätze kein infektiologisch vergleichbarer Bereichim Sinne dieser Regelung sind, wie die beispielhaft in der Verordnung genannten Einrichtungen und sie damit bei richtiger Betrachtung nicht unter die 2G plus Regelung des § 4 der 15. Bayerischen Infektionsschutzverordnung fallen, so dass Geimpfte und Genesene keinerlei Einschränkungen unterliegen und auch Ungeimpfte nicht gänzlich vom Golfsport ausgeschlossen sind, sondern diesen, im Rahmen der von § 3 vorgegebenen Kontaktbeschränkungen für Ungeimpften und Nichtgenesene, also den Angehörigen des eigenen Hausstandes sowie zusätzlich den Angehörigen eines weiteren Hausstands ausüben können.
Nur bei einem solchen Verständnis der Vorschrift lassen sich auch die „merkwürdigen“ Ergebnisse vermeiden, zu der der Bayerische Golfverband bei seiner Interpretation gelangt ist.
Für den Fall, dass der Verordnungsgeber seine Regelung doch so verstanden haben möchte, dass davon auch Golfplätze erfasst sein sollen, dann wäre sie aber ohnehin nach Meinung des Verfassers zum einen wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit und zum anderen auch wegen Verstoß gegen das Willkürverbot, Art. 3 I GG, unwirksam. Im übrigen gilt auch hier der Grundsatz „in dubio pro libertate“ (= im Zweifel für die Freiheit). Dies bedeutet, dass dann, wenn über den Regelungsgehalt einer Norm Zweifel bestehen, stets die Interpretation gelten soll, die die Freiheitsrechte am wenigsten beschränkt.