Versicherungen wollen bekanntlich nur Ihr Bestes, nämlich dass Sie als Versicherungsnehmer Prämien bezahlen, aber keine Leistungen in Anspruch nehmen. Kommt es dann zum Schadensfall, dann wird mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten versucht möglichst eine Eintrittspflicht zu umgehen. Nicht immer und nicht bei allen Versicherungen, aber doch überraschend oft. Diese Erfahrung mussten auch diejenigen machen, die zu Beginn der Coronakrise die damit verbundene Betriebsschließungen noch entspannt sahen, weil sie glaubten mit einer sog. Betriebsschließungsversicherung gut abgesichert zu sein. Die böse Überraschung kam erst hinterher, als viele Versicherungen unter Berufung auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen die Leistung mit der Begründung verweigert haben, dass die Corona Pandemie nicht unter die versicherten Risiken fallen würde.
So argumentierte auch in einem nun vom Landgericht München I mit Urteil vom 01.10.2020 (12 O 5895/20) entschiedenen Rechtsstreit eine Versicherung, bei der ein Gastronom, dessen Gaststätte von der Schließung betroffen war, und der von der Versicherung eine Entschädigung in Millionenhöhe haben wollte. Die Richter gaben allerdings dann doch dem Wirt recht, indem sie die Vertragsklausel in den Bedingungen des Versicherers, aus der sich eine Beschränkung auf die dort aufgelisteten Krankheiten um Krankheitserreger geben sollte, als intransparent und damit unwirksam einstuften und die Versicherung zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.014.000 € verurteilt haben.
Streit um Eintrittspflicht eine Betriebsschließungsversicherung
Der Kläger war Gastronom in München. Nach Beginn der Corona Pandemie schloss er noch am 04.03.2020 eine sog. Betriebsschließungsversicherung bei der beklagten Versicherungsgesellschaft ab. Der Kläger hatte entweder einen guten Versicherungsberater oder selbst einen guten Riecher, denn am 21.03.2020 hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege den Betrieb des Klägers aufgrund des Coronavirus geschlossen.
Als der Kläger dann von seiner neu erworbenen Versicherung profitieren wollte, lehnte diese ab.
Zur Begründung hat die Versicherung dabei unter anderem ausgeführt, dass ihre Eintrittspflicht schon deshalb nicht bestünde, weil die Betriebsschließungen durch eine Allgemeinverfügung, nicht aber durch das Infektionsschutzgesetz erfolgt sei und der Kläger es auch pflichtwidrig unterlassen habe die staatliche Anordnung anzugreifen. Im Übrigen sei der Virus ja auch nicht in seinem Betrieb aufgetreten, sondern nur allgemein, was schon per se von der Versicherungsleistung nicht umfasst werde. Hinzu komme, dass nur die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen genannten Krankheiten und Krankheitserreger versichert seien, wozu gerade Covid 19 nicht zählen würde. Ein etwaiger Anspruch sei aber auch deshalb zu kürzen, weil es der Kläger unterlassen habe sein Restaurant auf einen Außerhausverkauf umzustellen. Auch müssten Kurzarbeitergeld und staatliche Coronahilfen anspruchsmindernd berücksichtigt werden.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, auf die sich die Beklagte berief hatten dabei folgenden Wortlaut:
„§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und
Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger
in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger
a) den versicherten Betrieb […] schließt; […]
2. Versicherungsschutz besteht für die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren
Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000:
a) Krankheiten
[…]
b) Krankheitserreger
[…]
§ 3 Ausschlüsse
1. Der Versicherer haftet nicht
[…]
b) für andere als die in § 1 Ziffer 2 genannten Krankheiten und Krankheitserreger, insbesondere nicht für […].“
LG München I bejaht Eintrittspflicht der Betriebsschließungsversicherung
Nach Auffassung der Münchner Richter hat die Versicherung zu Unrecht ihre Eintrittspflicht abgelehnt.
Der Betrieb des Klägers sei unstreitig aufgrund einer Anordnung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ab dem 21.03.2020 aufgrund des Coronavirus geschlossen worden.
Keine Pflicht des Versicherungsnehmers Coronaschutzmaßnahmen gerichtlich anzugreifen
Für den Kläger habe weder eine Verpflichtung bestanden gegen die Anordnung vorzugehen noch sei erforderlich, dass der Betrieb wegen eines auftretendes Virus im klägerischen Betrieb geschlossen worden wäre. Nach den AVB der Beklagten komme es nämlich, so die Richter, lediglich darauf an, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei. Dies sei aber vorliegend der Fall gewesen, nachdem sich die Allgemeinverfügung und die nachfolgende Coronaschutzverordnung ausdrücklich auf die §§ 28-32 des Infektionsschutzgesetzes als Ermächtigungsgrundlage bezogen hätten.
Der Betrieb des Klägers sei auch vollständig geschlossen gewesen, weil nachweislich kein außer Haus Verkauf stattgefunden hatte und Letzterer dem Kläger auch unzumutbar gewesen sei. Im Übrigen stelle für einen Restaurantbetrieb ein Außerausverkauf keine unternehmerische Alternative dar, auf die sich der Gastronom verweisen lassen müsste, sondern es handele sich lediglich um ein untergeordnetes Mitnahmegeschäft.
Regelung in AVB der beklagten Versicherung intransparent und damit unwirksam
Schließlich sei die Regelung in § 1 Ziff. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen intransparent und damit unwirksam. Immer dann, wenn Versicherungsschutz durch eine Klausel in den AVB eingeschränkt werde, müsse nämlich dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe. Diesen Anforderungen genügt die verwendete Klausel nicht, denn der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts von § 1 Ziffer 1 AVBR davon aus, dass der Versicherungsschutz umfassend sei und mit dem Infektionsschutzgesetz decke.
Er gehe aufgrund des Wortlauts und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 AVB zudem davon aus, dass in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolge, und nur in § 3 AVB Einschränkungen enthalten seien. Die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger sei jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig. Außerdem sei das Infektionsschutzgesetz seit dessen Einführung vor 20 Jahren bereits mehrfach geändert und um weitere Krankheiten und Erreger ergänzt worden. Dies bliebe dem Versicherungsnehmer verborgen und damit müsse er auch nicht rechnen. Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar sei, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt sei, sei intransparent, so die Richter.
Keine Anrechnung von Kurzarbeitergeld und staatlichen Coronahilfen
Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele und damit keine Entlastung der Versicherungswirtschaft stattfinden solle.
Anmerkung:
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. In nächster Instanz wird hier dann zunächst das OLG München mit der Angelegenheit befasst sein. Allein beim Landgericht München I sind nach derzeitigem Kenntnisstand 86 Klagen mit dem Thema Betriebsschließung anhängig. Tendenz steigend.
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