Der von den einzelnen Landesregierungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verhängte Shutdown wegen der Corona-Pandemie ist für kleine, mittlere, aber auch große Unternehmen nicht nur wirtschaftlich schwierig zu verkraften, sondern kann nicht nur existenzgefährdend, sondern auch existenzvernichtend sein. Nachdem die erste Schockstarre, die bei vielen Menschen eingetreten ist, langsam zu weichen beginnt, berichten wir in unserem heutigen Beitrag darüber, mit welchen Rechtsbehelfen einzelne Maßnahmen zulässig vor Gericht angegriffen werden können. Wenn Sie nämlich beabsichtigen sich mit Rechtsbehelfen zur Wehr zu setzen, dann ist auf jeden Fall wichtig, auch den richtigen Rechtsbehelf zu wählen. Ansonsten wird dieser bereits als unzulässig zurückgewiesen, noch ohne, dass es überhaupt zu einer inhaltlichen Prüfung der angegriffenen Maßnahme gekommen ist.
Verfassungsbeschwerden oder vorgeschaltete Eilverfahren zum Bundesverfassungsgericht, aber auch zu Landesverfassungsgerichten, sind meist keine Option
Diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen gegen Coronaschutzmaßnahmen der Verwaltung vor Gericht zu ziehen, werden regelmäßig damit argumentieren, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht mit den Grundrechten aus dem Grundgesetz und/oder den Landesverfassungen zu vereinbaren sind. Gleichwohl ist es keine gute Idee deshalb mit einer Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht oder das entsprechende Landesverfassungsgericht, je nachdem, ob eine Verletzung von Bundesgrundrechten oder Landesgrundrechten gerügt wird, anzurufen, weil dort jeweils der Grundsatz der Subsidiarität beachtet werden muss. Dies bedeutet, dass zunächst der Rechtsweg erschöpft werden muss. Beschwerdeführer müssen also nachweisen, dass zunächst erfolglos ein vorhandener Rechtsweg beschritten worden ist. Wurde dies versäumt, dann wird bereits aus diesem Grund die Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Normenkontrolle und Popularklage (Bayern)
Rechtsverordnungen können von den Bürgern mit dem Normenkontrollverfahren und in Bayern noch zusätzlich mit der Popularklage angegriffen werden.
Normenkontrolle
Soll die Corona-Schutzverordnung, die die jeweiligen Landesregierungen erlassen haben, einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden, dann kommt als Rechtsbehelf die Normenkontrolle nach § 47 VwGO zum Oberverwaltungsgericht (in Bayern heißt das Oberverwaltungsgericht VGH) in Betracht. Antragsberechtigt in diesem Verfahren ist jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht durch eine Rechtsvorschrift, die im Rang unter dem Landesgesetz steht, dies sind in erste Linie Verordnungen und Satzungen, also auch die Corona-Schutzverordnung, in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann diesem Verfahren das Gericht auf Antrag auch eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Wer sich für diesen Weg entscheidet, der wird wohl zweckmäßig seinen Normenkontrollantrag mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kombinieren.
Popularklage
In Bayern gibt es daneben noch den in Art. 98 S. 4 BV geregelten besonderen Rechtsbehelf der Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Mit einer Popularklage kann jedermann geltend machen, dass eine Rechtsnorm des Bayerischen Landesrechts Grundrechte der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Dabei muss die angefochtene Rechtsvorschrift genau bezeichnet werden. Es ist also erforderlich den einzelnen Paragrafen der Verordnung anzugeben, gegen den sich die Popularklage richten soll. Es muss auch für jede angegriffene Rechtsvorschrift im Einzelnen begründet werden, inwiefern sie nach Meinung des Antragstellers zu einem bayerischen Grundrecht in Widerspruch steht.
Für die Popularklage besteht kein Anwaltszwang und sie ist grundsätzlich kostenfrei. Ist die Popularklage jedoch unzulässig, weil die vorgenannten Formalien nicht erfüllt sind, oder offensichtlich unbegründet, d. h., dass sie von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat, so kann der Verfassungsgerichtshof dem Antragsteller oder der Antragstellerin eine Gebühr bis zu 1500 € auferlegen.
Erfolgsaussichten derartiger Rechtsbehelfe
In der jetzigen Situation hält der Verfasser die Einlegung derartiger Rechtsbehelfe im Einzelfall zwar nicht von vornherein als nicht überlegenswert, aber gleichwohl in der Mehrheit aller Fälle für erfolglos. Dies deshalb, weil wohl die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens als überragendes Gemeinschaftsgut gewertet werden wird und deshalb die ausgesprochenen Beschränkungen nach der derzeitigen Risikoeinschätzung des RKI als erforderlich angesehen werden können. Danach drohe nämlich angesichts des hochdynamischen, expotentiell verlaufenden Infektionsgeschehens mit teils schweren Krankheitsverläufen in absehbarer Zeit eine gravierende Überlastung des Gesundheitswesens, wenn keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Die Corona-Schutzverordnung bezweckt den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwerer und schwerstkranker Menschen. Dies stellt eine überragendes Gemeinwohlinteresse dar, hinter dem die Grundrechte der Handlungsfreiheit, der Berufsfreiheit oder aber auch des Eigentums grundsätzlich zurücktreten.
Die ergriffenen Maßnahmen sind wohl auch verhältnismäßig, weil die Reduzierung persönlicher Kontakte zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich sind. So jedenfalls hat das OVG Münster in seinem Beschluss vom 06.04.2020 (13 B 398/20. NE) im Hinblick auf die Corona- Schutzverordnung des Landes NRW entschieden.
Gleichwohl haben die Richter darauf hingewiesen, dass den Verordnungsgeber eine fortwährende Beobachtungs- und Überprüfungspflicht trifft, ob die getroffenen Maßnahmen noch notwendig sind und/oder, ob Sie gegebenenfalls auch verkürzt werden können.
Da in Bayern die Beschränkungen allerdings weiter reichen als in anderen Bundesländern, lässt sich die Entscheidung nicht grundsätzlich übertragen. Hier würde ein Gericht dann wieder abwägen, wobei dabei dann wohl zugunsten des Verordnungsgebers berücksichtigt werden müsste, dass Bayern mittlerweile das in Deutschland am stärksten betroffene Bundesland ist.
Auch Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen einzelne Schließungsanordnungen regelmäßig erfolglos
Einzelne Gewerbetreibende haben landauf und landab, allerdings meist erfolglos, auch versucht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten gegen Betrieb Schließungsanordnungen vorzugehen, so beispielsweise zur Schließung einer Lottoannahmestelle sowie eines Pralinenfachgeschäfts (VG Aachen, Beschluss v. 21.3.2020, 7 L 230/20 und VG Aachen, Beschluss v. 23.3.2020, 7 L 233/20); Schließung eines Hundesalons sowie die Schließung eines Eiscafés (VG Minden, Beschluss v. 30.3.2020 7 L246/20 und Beschluss v. 31.3.2020,7 L 257/20).
Mehr Glück hatte dagegen in Aachen ein Weinhändler. Die Stadt Aachen hatte nämlich auch gegen diesen eine Schließungsanordnungen erlassen, weil es sich nach Auffassung der Stadt bei Wein nicht um ein Lebensmittel handeln würde, so dass für ihn der Ausnahmetatbestand, dass Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel geöffnet bleiben dürfen, nicht gelten würde. Die Richter am Verwaltungsgericht sahen dies allerdings anders (VG Aachen, Beschluss v. 3.4.2020, 7 L 259/20) und entschieden, dass auch Genussmittel unter den Lebensmittelbegriff fallen würden, so dass die Schließungsverfügung nicht von der Verordnung, auf die sie gestützt worden ist, gedeckt wird und deshalb mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig sei.
Der Fall zeigt wieder einmal mehr wie willkürlich Recht und Rechtsprechung doch sind, weil nicht ersichtlich ist, weshalb einerseits die Untersagung des Verkaufs von Pralinen rechtmäßig sein soll, wenn gleichzeitig die Untersagung des Verkaufs von Weinen rechtswidrig ist. Wie sagt der Volksmund: Dummheit frisst und Intelligenz säuft. Oder anders ausgedrückt hatte der Weinhändler vielleicht Glück, dass er an keine Richter geraten ist, die dem Konsum von Alkohol abgeneigt gegenüberstehen …