Lehrer gehören ja bekanntlich zu den „Gewinnern“ der Corona-Pandemie, weil diese während des sog. Lockdown keine oder nur eine eingeschränkte Arbeitsleistung erbracht haben, aber gleichwohl – im Gegensatz zu vielen Arbeitnehmern oder Selbstständigen – trotz hinzugewonnener Freizeit weder Einbußen bei den Bezügen hinnehmen noch sich Sorgen um ihre Zukunft machen mussten. Nachdem nun in einigen Bundesländern bereits nach den Sommerferien die Schule wieder begonnen hat und in anderen Bundesländern spätestens im September wieder beginnen wird, und viele damit rechnen, dass nach den Ferien aufgrund der wiedererstarkten Reisefreudigkeit die Infektionszahlen ansteigen werden, wollen wir uns heute mit der Frage befassen, ob Lehrer, auch wenn sie zu einer Risikogruppe zählen, gleichwohl in der Schule unterrichten müssen. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen. Eine pauschale Antwort gibt es wohl nicht, sondern es kommt sehr stark auf die Umstände des Einzelfalls an, aber in der Mehrzahl der Fälle wohl ja.
Über 60-jähriger Lehrer muss trotz seines Alters Präsenzunterricht leisten
Eine 62-jährige Lehrer, der mit einem Eilantrag vor dem Arbeitsgericht Mainz seinem Arbeitgeber, einer Berufsschule mit Förderunterricht, verbieten lassen wollte, ihn während der Corona Pandemie zum Präsenzunterricht heranzuziehen, war damit im Juni gescheitert. Die Richter haben dies damit begründet, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei darüber zu entscheiden, welche Lehrer wie eingesetzt werden können, sondern den Schulen sei ein Ermessensspielraum zuzugestehen, wie sie den Gefahren der Corona-Pandemie begegnen wollten.
Auf Unverständnis stieß dabei die Argumentation des Pädagogen, dass kein Interesse an dem Einzel-förderunterricht, zu dem er eingeteilt war, bestünde. Dies vermochten die Richter schon deshalb nicht nachzuvollziehen, denn der Förderunterricht werde vorzugsweise benachteiligten Schülern, die typischerweise nicht aus Akademikerhaushalten stammten und nicht immer problemlos Internetzugang und Unterstützung durch ihre Eltern hätten, erteilt. Hinzu kam, dass der Förderunterricht in einem 25 m² großen Raum stattfinden sollte, indem nach Auffassung des Gerichts jederzeit die Abstandsregeln problemlos eingehalten werden können.
Grundschullehrerin muss auch ohne ausgefeilten Hygieneplan zurück in die Schule
Ebenso war es einer Grundschullehrerin aus Hessen ergangen, die ihre Teilnahme am Präsenzunterricht mit der Argumentation verhindern wollte, dass das beklagte Land (Hessen), insbesondere aber das Schulamt, bisher keinen hinreichenden Hygieneplan und kein hinreichendes Arbeitsschutzkonzept vorgelegt hatte. Dem erteilten die Richter am VG Frankfurt am Main mit Beschluss vom 06.05.2020 (9 L 1127/20.F) eine Absage, denn die Schule, an der die Lehrerin unterrichtete, hatte nach Auffassung der Richter durchaus Vorkehrungen getroffen, um eine Gefährdung von Schülern und Lehrkräften hinreichend zu minimieren. Die Lehrerin könne dagegen nicht erwarten mit einem bis ins letzte Detail ausgefeilten Hygieneplan eine Situation anzutreffen, dass in der Schule keinerlei Risiko bestünde.
Lehrerin aus Risikogruppe muss vorerst nicht in den Präsenzunterricht
Mehr Glück hatte eine Lehrerin aus Schleswig-Holstein, die mit einer Eilentscheidung vor dem Verwaltungsgericht Schleswig vom 06.08.2020, also kurz bevor am 10.08.2020 dort die Schule wieder begann, erreichen konnte vorläufig nicht unterrichten zu müssen. Die Lehrerin zählt allerdings wegen einer Lungenerkrankung zu einer Corona-Risikogruppe und konnte ein ärztliches Attest vorweisen, das ihr ein gesundheitliches Risiko bescheinigte und dass sie besonderen Schutz bei ihrem Arbeitseinsatz benötigen würde. Der betriebsärztliche Dienst teilte allerdings diese Auffassung nicht, so dass die Lehrerin keine Unterrichtsbefreiung erhielt und deshalb vor Gericht gezogen ist. Allerdings ist aufgrund des bevorstehenden Schulbeginns die Entscheidung noch ohne Anhörung des beklagten Lands ergangen, so dass keineswegs sichergestellt ist, dass die Entscheidung dann auch tatsächlich Bestand haben wird.
Anmerkung:
Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einige „besonders ängstliche“ Lehrkräfte handelt, sondern dass offensichtlich eine nicht unerhebliche Anzahl an Lehrkräften die schulische Ausbildung ihrer „Schützlinge“ nicht sonderlich am Herzen liegt, verdeutlicht exemplarisch, dass allein in Schleswig-Holstein rund 1.600 Lehrer Atteste vorgelegt haben, die ihnen bescheinigten, zu einer Risikogruppe zu gehören mit dem Ziel nicht im Präsenzunterricht unterrichten zu müssen. Von bislang rund 780 geprüften Fällen, hat der betriebsärztliche Dienst dagegen lediglich 32 Unterrichtsbefreiungen ausgesprochen. Dies verdeutlicht die Problematik, die daraus entsteht, dass nicht jeder Pädagoge seinen Beruf aus Leidenschaft ergriffen hat und diesem schon gar nicht leidenschaftlich nachgeht, sondern die Motivation für die Berufswahl oft eine andere ist. Da stellt die Coronakrise dann eine Steilvorlage dar, dem wenig geliebten Schuldienst, zumindest vorübergehend, zu entgehen.
Die Situation ist in etwa der vergleichbar, als die ersten Auslandseinsätze auf die Bundeswehr zukamen. Da fürchtete auch so mancher Berufssoldat, um Leib und Leben, weil seine Entscheidung in der Bundeswehr zu dienen, von einer anderen Motivation gesteuert war, und er oder sie bei seiner Berufswahl, nicht damit gerechnet hat, dass es auch einmal über das normale Planspiel „feindlicher Angriff“ hinaus, ernst werden könnte. Gleichwohl ist es erschreckend, wenn von den 25.199 Lehrkräften, die es derzeit in Schleswig-Holstein gibt, 1600 Lehrkräfte, also deutlich mehr als 5 %, versucht haben, durch Vorlage entsprechender Atteste sich ihrer „Berufung“ die nächste Generation auf das Leben vorzubereiten, zu entziehen. Jeder Arbeitnehmer, der durch Verlust des Arbeitsplatzes oder Kurzarbeit in existenzielle Bedrohung gerät, dürfte hierfür jegliches Verständnis fehlen. Falls Sie es noch nicht wussten. Nach den sog. hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums werden Beamte nicht für ihre Arbeitsleistung, sondern ausschließlich für ihre Treue zum Staat bezahlt … Deshalb gibt es bei Beamten weder Kurzarbeit noch haben diese andere Beschneidungen ihre Bezüge zu befürchten.
Die Problematik betrifft im Übrigen nicht nur den Schulbetrieb, sondern auch die Justiz. Der Verfasser war erst unlängst in einer Gerichtsverhandlung, als der Richter laut darüber nachgedacht hatte, wie es mit Verhandlungen in der kalten Jahreszeit weitergehen soll, wenn nicht alle Fenster zur Lüftung sperrangelweit aufgerissen werden können. Er hat dann darüber philosophiert, dass wenn er so recht darüber nachdenke, er nicht glaube, dass er im Winter noch Verhandlungstage ansetzen werde …. Auch hier gegen ist „kein Kraut gewachsen“, weil die Festlegung der Sitzungstage wiederum Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit ist …