Kennen Sie das Märchen der Gebrüder Grimm vom Wettlauf zwischen dem Igel und dem Hasen? Je mehr der Hase sich anstrengt und je schneller läuft, umso erstaunter ist, dass der Igel immer schon vor ihm am Ziel ist. Am Ende fällt der Hase tot um …
So in etwa geht es Bürgern und Unternehmen, die versuchen verfassungswidrige Coronaschutzmaßnahmen vor Gericht überprüfen und kippen zu lassen. Kommt ein Gericht zum Ergebnis, dass der Verordnungsgeber Grundrechte verletzt hat, dann ist die Freude für den Kläger nur von kurzer Dauer. Denn obwohl er vordergründig gewonnen hat ändert sich für ihn oft nichts, weil die Exekutive sofort nachbessert und eine andere Regelung erlässt, die den gerichtlich erstrittenen Erfolg zur Makulatur macht, und, was noch schlimmer ist, die Freiheiten Dritter weiter einschränkt. Diese Erfahrung musste gerade der Media Markt machen, der mit einem Beschluss des OVG Münster vom 19.03.2021 erreicht hatte, dass die aktuelle nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung im Rahmen eines Eilverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz außer Vollzug gesetzt wurde. Genützt hat es der Media Markt allerdings nichts, denn, die Verwaltung hat sofort reagiert und nunmehr eine strengere Verordnung erlassen, die nun auch andere Einzelhändler, die bisher besser behandelt wurden, und ohne Terminvergabe Kunden einlassen konnte, gleich schlecht behandelt.
Unterschiedliche Modalitäten im Einzelhandel sorgen für Streit
Seit dem 08.03.2021 konnten in Nordrhein-Westfalen wieder alle Einzelhändler öffnen. Allerdings hat sich die Landesregierung eine Regelung ausgedacht, wonach manche Einzelhändler besser und andere schlechter behandelt wurden.
Geschäfte, die schon bislang von einer Schließung ausgenommen waren, wie beispielsweise Lebensmittelhandel, durften so wie bisher ohne Voranmeldung einen Kunden pro 10 m² Verkaufsfläche bzw. pro 20 m² für Verkaufsflächen über 800 m² zu lassen. Im übrigen Einzelhandel war dagegen 40 m² Verkaufsfläche pro Kunde vorgesehen. Gleichzeitig dürfen Kunden nur nach Terminvergabe eingelassen werden. Die zuvor geschlossenen Buchhandlungen und Schreibwarengeschäfte war davon allerdings ausgenommen. Ebenso Blumengeschäfte und Gartenmärkte. Für diese galten ebenfalls die gleichen Regelungen wie für Lebensmittelgeschäfte.
Gleichheitsgrundsatz verletzt
Die Richter haben hier zwar neuerlich bekräftigt, dass dem Verordnungsgeber bei der Pandemiebekämpfung ein Gestaltungsspielraum zustünde, weil er sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen arbeiten könne. Gleichwohl habe er aber über das Ziel hinaus geschossen, denn es erschließt sich nicht, dass wenn nun auch Buchhandlungen, Schreibwarenläden und Gartenmärkte mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen betrieben werden dürften, also größere Kundenzahl ohne Terminbuchung, dies nicht auch für den übrigen Einzelhandel gelten solle, denn eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung hat er nicht geliefert und ein einleuchtender Grund für eine weitere Differenzierung sei, so die Richter, auch nicht ersichtlich.
Als Reaktion verschärft NRW nur rund 3 Stunden später die Regelungen
Damit war die Verordnung zunächst gekippt. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn die Landesregierung hat sofort nachgebessert und nur gut 3 Stunden später die strengeren Regelungen auf den gesamten Einzelhandel ausgedehnt. Ähnlich, wie bereits in Bayern unter der Regierung Söder die Klage eines Fitnessstudiobetreibers, die erfolgreich war, den Fitnessstudios nichts genutzt hat, sondern dazu führte, dass dann als Folge der Tennishallen geschlossen wurden, hat hier der Media Markt auch völlig umsonst geklagt und keine Erleichterung für sich erreicht, sondern nur, dass die zuvor privilegierten Geschäfte nun auch stärker eingeschränkt sind.
Anmerkung:
Die Justiz hat sich einmal mehr, wie der Bulle am Nasenring von der Verwaltung durch die Arena führen lassen. Dies deshalb, weil auch diesmal die Richter der klagenden Partei Steine statt Brot gegeben haben. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz führt nämlich, wie die Erfahrung der Coronagesetzgebung zeigt, nicht etwa dazu, dass sich für die Klagepartei etwas verbessern würde, sondern nur dazu, dass ich für andere etwas verschlechtert. Freiheitsgrundrechte, die nach der Gesetzessystematik, vor Gleichheitsgrundrechten zu prüfen sind, sahen die Richter auch diesmal mit einer zwischenzeitlich doch ziemlich verbrauchten Begründung nicht verletzt. Die Grundrechte der Einzelhändler seien, so die Richter, angesichts der gravierenden Folgen, die ein erneuter unkontrollierter Anstieg der Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hatte, nicht verletzt. Auch hier haben es die Richter neuerlich verabsäumt, sich mit der Frage zu befassen, dass Infektion regelmäßig nicht automatisch schwere Krankheit oder Tod bedeutet, wie die Erkrankung aus Unwissenheit noch während der 1. Welle verkauft worden ist, sondern keine oder nur milde Symptome, vergleichbar einer Erkältung eher dem normalen Krankheitsbild entsprechen, als ein schwerer Verlauf. Ebenso wenig hat sich das Gericht mit der Frage befasst, dass der Anstieg einer Inzidenz nicht zwangsläufig mit einer parallel verlaufenden Gefährdungslage für die Bevölkerung zu tun hat, weil gerade Ausbrüche in Hotspots, wie Asylbewerberunterkünften, Altenheimen oder einzelnen Unternehmen zwar die Inzidenz beeinflussen, nicht oder nur kaum das tatsächliche Infektionsgeschehen. Mit der insoweit gelieferten Begründung der Richter zur Verhältnismäßigkeit ließen sich die Freiheitsgrundrechte stets aufs Neue aushebeln zumal sich die festgestellte Inzidenz auch über die Häufigkeit von Testungen steuern lässt.. Effektiver Rechtsschutz sieht anders aus. So wird der Staatsbürger zum Untertan; der Unternehmer zum Almosenempfänger. Wären Einschränkungsmaßnahmen stets mit Einschränkungen bei den Bezügen der politischen Entscheidungsträger verknüpft, wäre die Sichtweise vielerorts eine gänzlich andere.
Wollte man juristisch spitzfindig sein, dann könnte man jetzt sagen, dass diejenigen Einzelhändler, deren Geschäfte nun von den strikteren Maßnahmen betroffen sind, eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rügen könnten, denn wie die vorangegangenen Regelungen zeigen war aus Sicht des Verordnungsgebers die Anwendung der strengen Regelungen auf ihren Geschäftsbetrieb ja offensichtlich gerade nicht erforderlich … Ein Gericht müsste dann damit argumentieren, dass die Solidarität zu Media Markt und Co. einen solchen Schritt erforderlich machen würde. Allerdings ist Solidarität grundsätzlich nichts rechtliches, sondern eher etwas moralisches. Moralisch macht Solidarität aber nur dann Sinn, wenn derjenige, mit der man sich solidarisch zeigt, davon auch einen Nutzen hat. Dies wäre hier aber nicht der Fall. Deswegen wäre dies falsch verstandene Solidarität.