Wir Deutsche gelten bekanntlich als Reiseweltmeister. Deshalb haben viele Menschen schon längst vor Zeiten der Corona-Pandemie ihren Urlaub zu Pfingsten oder während der Sommerferien gebucht. Was aber ist, wenn nun aufgrund von Covid-19 der wohlverdiente Urlaub nicht angetreten werden kann? Erhalte ich mein Geld zurück oder muss ich mich mit einem Gutschein abspeisen lassen? Viele Reiseveranstalter wollen ihren Kunden nämlich glauben machen, dass diese keinen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises hätten. Dies ist aber nach derzeit geltendem Recht (noch) unrichtig.
Gutscheinlösung zulasten der Verbraucher beabsichtigt?
Viele Reiseveranstalter kämpfen ums Überleben. Deshalb wäre die Option, bei Stornierung einer Reise wegen der Coronakrise anstatt den Reisepreis zu erstatten lediglich einen Gutschein auszugeben, für viele Reiseunternehmen eine willkommene Option zur Erhaltung dringend benötigten Liquidität.
Die von der Bundesregierung zunächst im Rahmen der Coronakrise angedachte „Gutscheinlösung“, die offensichtlich viele Reiseveranstalter bereits im Hinblick auf geplatzte Osterreisen dazu bewogen hat, die Rückzahlung des Reisepreises mit fadenscheinigen Argumenten zu verzögern, ist so (bislang) nicht umgesetzt worden. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung hätte dies für Reisen gelten sollen, die vor dem 08.03.2020 gebucht worden waren. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss allerdings die EU-Kommission noch das europäische Recht anpassen. Sowohl die Bundesregierung aber auch andere Mitgliedstaaten haben bereits angekündigt, die EU-Kommission dazu auffordern zu wollen. Wenn diese dieser Aufforderung entspricht, dann wäre der Weg für die Bundesregierung frei eine entsprechende Regelung zu beschließen, wonach Sie als Reisende und Fluggäste zwangsweise Reiseveranstalter und Fluggesellschaften mit einem zinslosen Privatkredit unterstützen …Sie bekommen nach den Vorstellungen der Bundesregierung nämlich nicht etwa einen Gutschein für die stornierte Reise, sondern nur einen Wertgutschein. Ändern sich also die Preise, weil entweder die Nachfrage steigt oder aber es aufgrund der derzeitigen Geldpolitik zu einer massiven Inflation kommt, dann kann es sein, dass Sie entweder bei einer neu zu buchen Reise Abstriche oder aber ordentlich zuzahlen müssen.
Bedenken von Verbraucherschützern und Teilen der Opposition, dass ein solcher Gutscheinzwang dazu führt, dass Kunden dazu gezwungen worden wären, Reiseveranstalter bis Ende 2021, solange hätte der Gutschein seine Gültigkeit haben sollen, bevor er in Geld hätte umgewandelt werden können, ein zinsloses Darlehen zu gewähren, sind bislang bei der Bundesregierung abgeprallt. Bei dem Versuch die sich im freien Fall befindende Tourismusbranche zu stützen, werden zunächst Sie als Pauschalreisender und Fluggast zu einer Art „Zwangsabgabe“ verpflichtet. Am Ende des Tages trifft es im Falle einer Insolvenz dann aber, jedenfalls bei Pauschalreisen, den Steuerzahler und damit uns alle, weil der Staat dafür geradestehen möchte, dass Sie (irgendwann) ihr Geld (zinslos) zurückgehalten, für den Fall, dass der Reiseveranstalter die Krise nicht überlebt und in die Pleite geht, was bei etlichen Veranstaltern kaum zu vermeiden sein wird.
Lassen Sie sich das Konstrukt auf der Zunge zergehen: nach den Vorstellungen der Bundesregierung behält zunächst der Reiseveranstalter den von Ihnen gezahlten Reisepreis. Da die Reise nicht stattgefunden hat, hat er diesen (vielleicht sogar) vollständig vereinnahmt, weil er die Leistungsträger nicht bezahlt. Ende 2021 kann er das Geld nicht zurück bezahlen und meldet Insolvenz an und sie bekommen dann, wann auch immer, das Geld, dass sie für ihre Reise bezahlt haben vom Steuerzahler, der nach der Coronakrise erst noch näher definiert werden muss, zurück. Gewinner dieser Lösung sind für den Augenblick diejenigen, die hinter den Reiseveranstaltern stecken. Verlierer sind nicht nur Sie als Pauschalreisen dar, sondern jeder der Steuern bezahlt.
Bislang geltendes Recht verpflichtet zur Rückzahlung des Reisepreises
Wenn also Ihr Reiseveranstalter oder Ihre Fluggesellschaft bislang die Rückzahlung des Reisepreises mit Verweis darauf, dass Sie nur einen Anspruch auf einen Gutschein hätten, verweigert hat, dann wird damit augenblicklich noch gegen geltendes Recht verstoßen, denn in der Pauschalreisenrichtlinie bzw. der EU Fluggastrechteverordnung ist klar geregelt, dass derjenige, der keine Leistung bekommt auch nicht bezahlen muss und bereits geleistete Zahlungen zurückgezahlt werden müssen und zwar bei Pauschalreisen innerhalb von 14 Tagen und bei Flügen sogar innerhalb von 8 Tagen. Wenn also Reiseveranstalter und Fluggesellschaften so tun, als sei das Vorhaben der Bundesregierung Reisende zwangsweise dazu zu verpflichten als Bank der Reiseindustrie zu fungieren bereits geltendes Recht, dann werden Verbraucher bewusst getäuscht. Reiseveranstalter und Fluggesellschaften pokern und spielen auf Zeit, in der Hoffnung, dass doch noch rückwirkend das EU-Recht soweit angepasst wird, dass der deutsche Gesetzgeber sein Vorhaben zulasten der Verbraucher umsetzen kann und die meisten Reisenden irgendwann zähneknirschend oder aber aus Solidarität einem Gutschein akzeptieren werden.
Insolvenzabsicherung und Härtefallregelung beabsichtigt
Das Insolvenzrisiko, das grundsätzlich jeder Kreditgeber trägt, und damit auch Reisende, die ihren Reisepreis nicht mit Nachdruck zurückverlangen, soll bei Pauschalreisen dadurch abgefedert werden, dass im Falle einer Insolvenz, ähnlich wie bei der Pleite von Thomas Cook, die Bundesregierung und damit der Steuerzahler dafür eintritt, denn auch diesmal werden die Versicherungssummen der Insolvenzsicherungsscheine, die Sie nach der Buchung erhalten haben, im Falle einer Insolvenz kaum ausreichen, um die Rückzahlung aller Reisepreise abzudecken. Für extra gebuchte Flüge ist eine solche Absicherung nicht vorgesehen. Die beabsichtigten Regelungen Reisende zur Vergabe von Zwangskrediten zu verpflichten, stellt daher aus Sicht des Verfassers einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff nicht nur in den Grundsatz der Privatautonomie, sondern auch in die Grundrechte dar. Diese Bedenken versucht die Bundesregierung dadurch auszuräumen, indem eine Härtefallklausel eingebaut werden soll, die vorsieht, dass diejenigen Reisenden, denen aufgrund ihrer eigenen finanziellen Lage die Gewährung eines Kredits unzumutbar ist, gleichwohl den Reisepreis zurückverlangen können. Im Streitfall wird dann aber derjenige, der sich auf die Unzumutbarkeit beruft, diese vor Gericht nicht nur darlegen, sondern auch beweisen müssen. Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass die Reiselobby ganze Arbeit geleistet hat, den derjenige, dem es unzumutbar sein soll, dem Reiseunternehmen die Rückzahlung des Reisepreises zu stunden, der verfügt regelmäßig kaum über die finanziellen Möglichkeiten deshalb einen Rechtsstreit anzustrengen.
Das gilt bei Individualreisen
Wenn Sie eine Individualreise gebucht hat, also beispielsweise direkt beim Hotel oder dem Eigentümer der Ferienwohnung, der hat grundsätzlich, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt, ebenfalls einen Anspruch auf Rückzahlung, wenn die Reise aufgrund von Reisebeschränkungen unmöglich geworden ist.
Wurde direkt im Ausland gebucht, dann gilt regelmäßig das Recht des Landes, in dem die Ferienimmobilie liegt. Nicht jedes Land sieht für derartige Fälle die Rückzahlung des Reisepreises vor, sondern es gibt auch Rechtsordnungen, in denen lediglich ein Anspruch auf einen Gutschein besteht. Aber gleichwohl trägt hier der Reisende nicht nur stets allein das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners, sondern auch die Durchsetzung von Rechtsansprüchen über Landesgrenzen hinweg gestaltet sich, selbst in Europa, aufwendig und kostenintensiv, so dass Kosten und Nutzen der Rechtsverfolgung oft in keinem sinnvollen wirtschaftlichen Verhältnis mehr zueinanderstehen und geleistete Anzahlungen bei wirtschaftlicher Betrachtung abgeschrieben werden müssen.