Haben Sie auch Kinder, die derzeit mit Maske am Schulunterricht teilnehmen müssen? Dann werden Sie sich sicherlich oft gefragt haben, welche gesundheitlichen und psychischen Auswirkungen es hat, wenn Kinder und Heranwachsende 6 Stunden (und manchmal auch noch länger) einen Mund-Nasen-Schutz, also eine „Maske“, tragen müssen und ob derartige Maßnahmen überhaupt rechtmäßig sind oder hier die Exekutive wieder einmal mehr über das Ziel hinaus schießt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
Ausgangspunkt für den Rechtsstreit war, dass ein Schüler aus Rheinland-Pfalz wenige Tage nach dem Neustart der Schule offensichtlich die Faxen dick hatte und anstatt mit der vorgeschriebenen Mund-Nasen-Bedeckung mit einem Gesichtsvisier (zu neudeutsch Face Shield), wie Sie es vielleicht aus der Gastronomie und Einzelhandel kennen, in der Schule erschienen war. Die Schulleitung war allerdings wenig erfreut und forderte den Schüler auf unverzüglich wieder eine herkömmliche Mund-Nasen-Bedeckung, also eine Gesichtsmaske, zu tragen. Daraufhin wandte sich der Vater mit einem Schreiben an die Schulleitung in dem er darum bat, dass sein Sohn anstatt mit einer Maske mit einem Gesichtsvisier am Unterricht teilnehmen könne. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm das Tragen einer Maske nicht zumutbar. Untermauert wurde das Ganze mit einem ärztlichen Attest des Hausarztes der Familie.
Die Schulleitung lehnte dies mit förmlichen Bescheid mit der Begründung ab, dass das ärztliche Attest keine ausreichende Begründung dafür sei, weswegen es dem Antragsteller unzumutbar sein solle, eine Maske beim Schulbesuch zu tragen. Dagegen wandte sich der Vater nun mit Widerspruch und einem Antrag an das Verwaltungsgericht Neustadt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren den Sohn von der Maskenpflicht zu befreien. Er war dabei der Meinung, dass das von seinem Sohn getragene Face Shield eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der 10. Corona Bekämpfungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz sei, dieser also schon gar nicht gegen die Verordnung verstoßen würde. Im Übrigen verwies er auf das vorgelegte ärztliche Attest. Wer nun meint, dass Maske einerseits und Face Shield andererseits sich wechselseitig substituieren würden und es deshalb gleichgültig sei welche Art von Mund-Nasen-Bedeckung getragen werde, der irrt, denn die Richter haben den Antrag mit Beschluss vom 10.09.2020 (5 L 757/20.NW) zurückgewiesen.
Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht
Zur Begründung der Zurückweisung haben die Richter ausgeführt, dass der Antragsteller den erforderlichen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe, denn der Antragsteller sei seiner Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht nachgekommen und es liege auch kein von dieser Verpflichtung befreiender Ausnahmetatbestand vor.
Face Shield ist keine geeignete Mund-Nasen-Maske
Die Richter vertraten dabei die Auffassung, dass der Antragsteller, obwohl sein Sohn unstreitig ein Face Shield getragen habe, seiner in der 10. CoBeLVO angeordneten Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Maske nicht nachgekommen sei. Dies deshalb, weil ein sogenanntes Face Shield eine solche nicht substituieren würde.
Mund-Nasen-Bedeckungen, auch Alltagsmasken oder Community-Masken genannt, hätten unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie die Funktion, als mechanische Barriere dazu beizutragen, die Verbreitung durch virushaltige Tröpfchen in die unmittelbare Umgebung, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstoße, zu reduzieren und dadurch andere Personen zu schützen (Fremdschutz).
Deshalb müsse die Mund-Nasen-Bedeckung möglichst eng anliegen und gut sitzen, um das Vorbeiströmen von Luft an den Rändern der Maske zu verringern. Unter den Begriff der „Mund-Nasen-Bedeckung“ fielen nach dem Sinn und Zweck der Maskenpflicht Masken, die aus handelsüblichen Stoffen genäht würden, so die Richter.
Ein Gesichtsvisier könne – zumindest nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand – nicht als Mund-Nasen-Bedeckung bzw. als Alternative zur Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden. Aktuelle Studien wiesen darauf hin, dass die Rückhaltewirkung von Visieren auf ausgestoßene respiratorische Flüssigkeitspartikel deutlich schlechter sei. Denn Visiere könnten in der Regel maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen auffangen.
Ausnahme nicht hinreichend glaubhaft gemacht
Weiter waren die Richter der Auffassung, dass der Antragsteller auch nicht das Vorliegen eines Ausnahmetatbestand hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar habe er entsprechend dem Corona-Hygieneplan ein ärztliches Attest vorgelegt. Diesem fehle es jedoch an der Aussagekraft. Aus diesem müsse sich nämlich ergeben, auf welcher Grundlage der Hausarzt seine Diagnose gestellt und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller gerade im Unterricht (im Gegensatz zu Bayern) keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müsse, so dass sich die Nutzungspflicht lediglich auf die Zeit außerhalb des Unterrichts beschränkt hätte. Deshalb hätte der Hausarzt darlegen müssen, aus welchen konkreten Gründen es dem Sohn des Antragstellers unzumutbar sein soll in diesem überschaubaren Zeitraum im Schulgelände eine Maske zu tragen.
Anmerkung:
Der Fall zeigt exemplarisch einmal mehr wie willkürlich vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt werden. Einem Kind ist nämlich nicht nachvollziehbar zu vermitteln, dass dann, wenn die Verkäuferin in der Bäckerei, im Gemüseladen oder beim Metzger lediglich ein Face Shield trägt, weshalb dann für Kinder in der Schule etwas Anderes gelten soll. Vor gar nicht allzu langer Zeit, als der Lock Down seinen Höhepunkt hatte, war nicht einmal der Einkauf im Supermarkt maskenpflichtig. Damals wurde, obwohl einfache Schutzmasken, wie sie jetzt gefordert sind, wobei bereits ein Schaal ausreichend ist, suggeriert, dass das Tragen einfacher Masken durch weite Kreise der Bevölkerung weder erforderlich noch sinnvoll sei.
Die Entscheidung ist aber auch deshalb bemerkenswert, weil die Richter im Rahmen eines ärztlichen Attests verlangen, dass der Arzt konkrete Angaben zum Gesundheitszustand seines Patienten macht. Losgelöst davon, dass eine solche Sichtweise durchaus problematisch im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht ist, wird hier offensichtlich auch mit zweierlei Maß gemessen, denn auf ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen finden sich – was vielen Arbeitgebern ein Dorn im Auge ist – ebenfalls keinerlei Angaben zum Grund der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber hat nicht einmal einen Anspruch darauf, wenn er nachfasst, darüber informiert zu werden, welche Beschwerden den Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung hindern. Von daher ließe sich auch gut damit argumentieren, dass Schule und Gericht sich mit einem ärztlichen Attest begnügen muss und derjenige, der ausgesonderten Gründen keine Mund-Nasen-Maske tragen kann, nicht verpflichtet ist, seinen Gesundheitszustand offenzulegen.
Hinzu kommt, dass dann, wenn so wie derzeit in Bayern, die Maske auch während des Unterrichts getragen werden muss, vortrefflich darüber diskutiert werden kann, ob eine solche Maßnahme überhaupt rechtmäßig, da unverhältnismäßig ist. Das Problem ist, dass da, wo es keinen Kläger gibt, es auch keinen Richter gibt. Dieses Wissen hat auch die Verwaltung, die zunächst einfach, sinnvoll oder nicht, Fakten schafft, die dann jedenfalls so lange Bestand haben, bis sie von einem Gericht kassiert werden. Das ganze erinnert fast ein bisschen an das Märchen der Gebrüder Grimm vom Wettlauf zwischen dem Igel und dem Hasen. Betroffene, die sich zur Wehr setzen wollen, laufen den fortlaufend modifizierenden Regelungen meistens ungläubig hinterher …Irgendwann bricht der Hase, also heute der Widerstand, dann tot zusammen.