Haben Sie auch schulpflichtige Kinder? Falls ja, dann werden Sie ja hautnah miterlebt haben, dass gerade diese die Hauptleidtragenden der Corona Pandemie und der damit verbundenen Schulschließungen sind. Nicht nur, dass die Kids von heute auf morgen keinen Sozialkontakt mehr zu Gleichaltrigen haben konnten, sondern durch den nur eingeschränkten Unterricht während des Lockdown, aber auch in der Zeit danach, haben sich ganz erhebliche Wissenslücken aufgetan, die nun landauf und landab dazu führen, dass die Kids sich in der Schule deutlich schwerer tun und einem erheblichen Stress ausgesetzt sind. Besonders hart betroffen waren Schüler und Schülerinnen, die im Schuljahr 2019/2020 in den Abschlussklassen waren. Eine Realschülerin aus Braunschweig wollte deshalb in einem Eilverfahren ihr Abschlusszeugnis angreifen, weil die Schule ihr nur den Realschulabschluss, nicht aber den erweiterten Sekundärabschluss zuerkannt hatte. Dafür waren ihre Noten zu schlecht. Die Schülerin meinte, dass dies auf unzureichende und mangelhafte Prüfungsvorbereitung infolge der Coronabeschränkungen der Fall gewesen sei und zog in einem Eilverfahren vor Gericht. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat dann allerdings mit Beschluss vom 07.10.2020 (6 B 160/20) den Antrag abgelehnt. Die Richter waren dabei zum Ergebnis gelangt, dass die Schulen bei Prüfungen keinen „Corona Bonus“ vergeben dürfen, sondern nur die von den Schülern erbrachten Leistungen in die Bewertung einfließen dürfen. Coronabedingte Abstriche bei der Prüfungsvorbereitung seien von den Schülern grds. hinzunehmen.
Streit um die Note 4 in Englisch und Deutsch
Die Antragstellerin war Schülerin eine Abschlussklasse auf einer Realschule in Braunschweig. Um den erweiterten Sekundärabschluss zu erreichen wäre erforderlich gewesen, dass sie in den Pflichtfächern Deutsch, Englisch und Mathematik eine Durchschnittsnote von mindestens 3 erreichen musste. Eine solche erhielt sie allerdings nur in Mathematik. In Englisch und Deutsch wurde sie mit einer 4 bewertet. Die Schülerin führte ihr schlechtes Abschneiden auf eine unzureichende und mangelhafte Prüfungsvorbereitung durch die Schule infolge der Coronabeschränkungen zurück. Sie sei von der Schule nicht ausreichend auf die Abschlussprüfung vorbereitet worden. Im Übrigen hätte die Schule aufgrund der besonderen Umstände der Corona Pandemie und des damit verbundenen Schulausfalls bei Vergabe der Abschlussnoten dies im Rahmen einer pädagogischen Bewertung in die Notenvergabe einfließen lassen müssen.
Mangelnde Prüfungsvorbereitung wurde nicht rechtzeitig gerügt
Vor Gericht fand sie damit kein Gehör, denn die Verwaltungsrichter haben die Schülerin schon aus formellen Gründen „durchfallen“ lassen. Sie habe nämlich, so die Richter, die aus ihrer Sicht bestehenden Mängel in der Prüfungsvorbereitung schon nicht rechtzeitig gerügt und könne sich deshalb auch nicht mehr darauf berufen. Mängel der Prüfungsvorbereitung müssen nämlich vor Beginn der Prüfungen und nicht erst nach Erhalt des Zeugnisses geltend gemacht werden. Dies gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit.
Beeinträchtigungen der Prüfungsvorbereitung sind grundsätzlich hinzunehmen
Die Richter haben dann aber auch klargestellt, dass es darauf nicht maßgeblich ankomme, weil im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht zu erkennen sei, dass die Schule bei der Prüfungsvorbereitung Rechtsfehler begangen hätte. Pandemiebedingte Beeinträchtigungen der Prüfungsvorbereitung treffen nämlich alle Schüler gleich, so dass sie von den Schülern und Schülerinnen hinzunehmen seien. Weiter verwiesen die Richter darauf, dass an der Schule vor und nach den Schulschließungen Präsenzunterricht und während der Schließung auch online-Unterricht stattgefunden habe. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden umfangreichen Kontakt mit den Lehrkräften aufzunehmen. Hinzu kommt, dass während der Schulschließungen von Schülern und Schülerinnen, gerade in Abschlussklassen, ein gesteigertes Maß an Selbstdisziplin und Eigeninitiative bei der Erarbeitung des Lernstoffs habe gefordert werden dürfen.
Zudem habe das Kultusministerium trotz der schwierigen Umstände durch Corona den Schülern eine reguläre Prüfung ermöglichen wollen. Diese sollten nicht durch eine Verschiebung der Prüfungen oder die Erteilung von Notenabschlüssen in ihrem beruflichen Fortkommen, gerade im Hinblick auf anstehende Bewerbungen, beeinträchtigt werden. Auch dürfe der Abschlussnoten nur die von den jeweiligen Prüflingen erbrachte Leistung berücksichtigt werden. Eine Anhebung der Noten aus pädagogischen Gründen, auch vor dem Hintergrund vor Corona, dürfen nicht erfolgen.
Anmerkung:
Nicht bekannt ist, ob die mit der Entscheidung befassten Richter/Richterinnen selbst schulpflichtige Kinder hatten. Für all diejenigen, die schulpflichtige Kinder im Lockdown hatten, dürfte die Entscheidung zumindest ein Stirnrunzeln hervorrufen. Gehen die Richter doch offensichtlich davon aus, dass es Sache der Kinder gewesen wäre, mit Eigeninitiative und Selbstdisziplin den nicht oder nicht ausreichend stattgefunden Unterricht zu kompensieren. Spannend bleibt daher die Frage, ob sich in diesem Schuljahr die Durchfallquoten drastisch erhöhen werden. Dies deshalb, weil ja aufgrund Corona im letzten Schuljahr kein Kind durchgefallen ist, sondern auf Probe vorrücken durfte. Da aber der Lehrplan Corona nicht berücksichtigt, also sofort mit Nachdruck der Stoff der neuen Jahrgangsstufe begonnen wurde, und die Lehrer versuchen möglichst rasch Leistungsnachweise zu erhalten, weil offensichtlich erneute Schulschließungen befürchtet werden, klagen Kinder derzeit ganz massiv nicht nur über den Druck in der Schule, sondern auch darüber, dass sich ihre schulischen Leistungen entgegen der Vor-Corona-Zeit deutlich verschlechtert haben. Gerade hier dürfte die Schere zwischen Kindern, die Unterstützung durch ihr Elternhaus haben und solchen die auf sich allein gestellt sind, noch deutlicher auseinandergehen. Deshalb gibt es bereits erste Diskussionen, ob der Lehrplan nicht coronabedingt angepasst werden müsste.