Wie bereits im ersten harten Lockdown im Frühjahr 2020 landen nunmehr wieder die ersten Schreiben von Gewerbemietern bei uns auf dem Schreibtisch, die behaupten, es sei wie von der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten im Dezember angekündigt nun gesetzlich geregelt, dass sie aufgrund der staatlich angeordneten Betriebsschließungen keine oder jedenfalls keine vollständige Miete mehr bezahlen müssten. Dies deshalb, weil nun das Vorliegen eines Mietmangels, jedenfalls aber eine Störung der Geschäftsgrundlage gesetzlich festgeschrieben sei. Wir sagen Ihnen, ob dies wirklich so ist oder aber hier mancher Gewerbemieter, bewusst oder unbewusst, etwas falsch verstanden hat.
Art. 240 § 7 EGBGB am 01.01.2021 in Kraft getreten
Am 01.01.2021 ist die neu geschaffene Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB in Kraft getreten. Diese entspricht letztendlich inhaltsgleich einen Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder vom 13.12.2020 und wurde sozusagen im Eilverfahren vom Bundestag abgesegnet. Die Regelung lautet:
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
Bei richtiger Betrachtung handelt es sich dabei aber keineswegs um den „großen Wurf“ zugunsten der Gewerbemieter, wie er von der Politik angekündigt wurde, sondern der Gesetzgeber hat hier den arg gebeutelten Mietern „Steine statt Brot“ gegeben, weil mit der Regelung gerade nicht geregelt ist, dass nun Gewerbemieter, deren Geschäftsbetrieb staatlichen Beschränkungen ausgesetzt ist, damit automatisch ganz oder teilweise keine Miete mehr bezahlen müssten. Stattdessen ist lediglich geregelt, dass bei den dort genannten staatlichen Rechtseingriffen eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB vermutet wird.
Vermutet wird aber lediglich die schwerwiegende Änderung eines zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstands. Hierüber wird in derartigen Fällen aber meist schon gar kein Streit zwischen Mieter und Vermieter bestehen und noch seltener wird es in einem Rechtsstreit ein non-liquet geben. Die Beweisschwierigkeiten, die Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Vermutungsregel ist, bestehen nämlich bei diesem Fall der Störung der Geschäftsgrundlage regelmäßig gerade nicht. Sollte es doch einmal anders sein, wird es dem Vermieter meist gelingen, den Beweis des Gegenteils zu führen und nachzuweisen, dass die durchgängige Nutzbarkeit nicht Geschäftsgrundlage war, oder eben die Einschränkung der Nutzung nicht schwerwiegend im Hinblick auf die vertragliche Äquivalenz.
Die neue gesetzliche Regelung ist bei richtiger Betrachtung nichts anderes wie die Grundsätze, die die Rechtsprechung bereits im Zusammenhang mit dem ersten Lockdown mehrheitlich herausgearbeitet hat. Urteile, die explizit gesagt hätten, durch pandemiebedingte Betriebsschließungen hätte sich die Geschäftsgrundlage nicht geändert, gibt es nämlich nicht. Wenn gleichwohl Ansprüche der Mieter auf entsprechende Anpassung des Vertrags abgelehnt worden sind, dann aus Gründen der fehlenden Unzumutbarkeit (so z.B. LG Stuttgart, Urteil vom 19. November 2020, 11 O 215/20).
Daran ändert auch die neu geschaffene Regelung nichts, denn auf die Frage der Unzumutbarkeit bezieht sich die gesetzliche Vermutungsregelung gerade nicht. Vermutet wird nur, dass sich Geschäftsgrundlage geändert hat, nicht aber die Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag.
Damit ist die Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB gesetzgeberische gerade nicht das, was sich Gewerbemieter gewünscht hätten, sondern ein inhaltlich leeres Lippenbekenntnis, das den betroffenen Mietern den Eindruck vermitteln sollte, man würde ihre Not erkennen und habe sich dieser angenommen. Diese Leere auszufüllen bleibt wieder bei den Gerichten. Das bedeutet, dass in jedem Fall ein Gericht anhand der Umstände des Einzelfalls entscheiden muss, ob es einem Mieter unzumutbar ist, trotz staatlich angeordnete Betriebsschließung unverändert die Miete zu bezahlen. Dies wird aber regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn eine solche Zahlungsverpflichtung coronabedingt die Existenz des Unternehmens gefährden würde, weil ansonsten das Verwendungsrisiko nach der vertraglichen Konzeption der meisten im Umlauf befindlichen Gewerbemietverträge nicht beim Vermieter, sondern bei Mieter liegt.
Hinzu kommt, dass der Staat vollmundige Entschädigungsregelungen für alle von Betriebsschließung betroffenen Unternehmen abgegeben hat, wonach zumindest die Fixkosten, und dazu zählt letztendlich auch die Miete, abgedeckt sein soll, so dass sich ein Anspruch des Mieters regelmäßig ohnehin nicht auf Erlass oder Teilerlass der Miete richten, sondern nur auf vorübergehende Stundung ergeben wird, und dies auch nur für den Fall, dass der Staat die versprochenen Hilfen neuerlich nicht so rasch auszahlt, wie er es zugesagt hat.
Bevorzugte Behandlung bei Gericht
Weitgehend unbemerkt ist dagegen mit § 44 EGZPO prozessual gleichzeitig eine neue Regelung in Kraft getreten, die Rechtsstreitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern über Mietstreitigkeiten in derartigen Fällen beschleunigen soll. Der Gesetzgeber hat insoweit nicht nur die vorrangige und beschleunigende Behandlung der Verfahren festgeschrieben, sondern auch geregelt, dass ein früher 1. Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden soll.
Bei Betriebsschließung handelt es sich regelmäßig um keinen Mietmangel im Sinne von § 536 BGB
Da manche Mieter nicht müde werden zu behaupten eine staatlich angeordnete Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung würde eine Mietmangel im Sinne von § 536 BGB darstellen, weshalb sie jetzt keine oder zumindest weniger Miete bezahlen müssten (besonders dreiste Mieter behaupten sogar, Ihnen würde ein Anspruch auf Rückzahlung bereits gezahlte Miete zustehen) so ist auch dies unzutreffend, weil schon der Vermieter nach einer Mängelanzeige der Vermieter nicht in der Lage ist, den Mangel zu beseitigen. Ganz im Gegenteil. Eine Beseitigungsmöglichkeit hat insoweit nur der Mieter selbst, indem er dann, wenn er den Eingriff für unzulässig erachtet, die dafür vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen den Rechtseingriff einlegt. Hier käme gegen staatliche Coronaschutz- oder Infektionsschutzverordnungen regelmäßig eine Normenkontrolle nach § 47 VwGO in Kombination mit einem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO in Betracht. Eine öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkung begründet daher nur dann einen Sachmangel, wenn ihre Ursache in der konkreten Beschaffenheit der Mietsache oder ihrer Beziehung zur Umwelt liegt. Allerdings gilt das nicht, wenn die öffentlich-rechtliche Maßnahme nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters verhindert. Die angeordnete Geschäftsschließung betrifft lediglich das Risiko, das Ladengeschäft wirtschaftlich nicht erfolgreich nutzen zu können. Dies ist aber kein Mietmangel.
Anmerkung:
In sämtlichen Verfahren, in denen wir im Lockdown im Frühjahr 2020 Vermieter gegen zahlungsunwillige Gewerbemieter vertreten haben, haben diese samt die zu Unrecht einbezahlte Miete nachgezahlt. Diejenigen, die hier taktiert haben, haben am Ende – sei es aus Uneinsichtigkeit oder wegen falscher Rechtsberatung – wirtschaftlich unklug gehandelt, weil am Ende nicht nur die Miete, sondern auch außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten und manchmal sogar noch Prozesskosten zusätzlich bezahlen mussten. Von daher sollten auch jetzt Gewerbemieter, deren Existenz nicht wirklich aufgrund einer coronabedingten Betriebsschließung gefährdet ist, sich gut überlegen, wie weit sie mit ihrem Vermieter „Pokern“. Bleibt dieser Art, dann kann es am Ende ein durchaus teures Vergnügen werden, die Miete vorübergehend ganz oder teilweise nicht bezahlt zu haben.
Hat auch ihr Gewerbemieter die Miete unter Berufung auf Corona-Regelungen nicht bezahlt? Wir unterstützen Sie gerne dabei mit Nachdruck Ihre Forderungen bundesweit durchzusetzen. Befindet sich der Mieter mit der Zahlung im Verzug, was regelmäßig bereits der Fall ist, wenn er innerhalb der im Mietvertrag vereinbarten Frist nicht gezahlt hat, dann haben Sie insoweit, wenn die Miete zu Unrecht einbehalten wurde, einen Anspruch darauf, dass die für unsere Einschaltung angefallenen Gebühren als Verzugsschaden erstattet werden.