In Deutschland gilt nach dem Grundgesetz das Prinzip der Gewaltenteilung. Dies bedeutet, dass die Staatsgewalt nicht zentralisiert, sondern aufgeteilt ist, sich also die unterschiedlichen Gewalten kontrollieren. Hierdurch soll die staatliche Macht begrenzt werden. Dabei gibt es 3 Gewalten, nämlich die Legislative (gesetzgebende Gewalt), die Exekutive (vollziehende Gewalt) und die Judikative (Recht sprechende Gewalt).
Bezogen auf die augenblickliche Politik zur Coronapandemie bedeutet dies, dass der rechtliche Rahmen im Infektionsschutzgesetz geregelt ist. Dieser wird dann auf Landesebene durch entsprechende Coronaschutzverordnunen und Allgemeinverfügungen vollzogen. Letztere werden dann von den Gerichten kontrolliert und teilweise auch wieder beschnitten oder kassiert.
Damit könnte es aber bald vorbei sein, denn der medienwirksame Schrei nach bundeseinheitlichen Regelungen führt dazu, dass von den Bürgern nicht nur weitere Grundrechtseinschränkungen hinzunehmen sind, sondern die Justiz nahezu völlig aus dem Spiel genommen, also sprichwörtlich „kastriert“ wird. Wir erklären Ihnen nachfolgend, warum dies so ist und wie sich betroffene Bürger künftig (nur noch sehr eingeschränkt) zur Wehr setzen können.
Verwaltungsgerichte werden künftig umgangen
Tritt das geänderte Infektionsschutzgesetz, so wie von der Bundesregierung beschlossen, in Kraft, dann hat dies zur Folge, dass künftig dort geregelte Rechtseingriffe einer Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte vollständig entzogen sind. Dies deshalb, weil dann regelmäßig kein Vollzug durch landesrechtliche Coronaschutz- oder Infektionsschutzverordnungen mehr erforderlich ist, sondern sich die Grundrechtseinschränkungen unmittelbar aus dem Infektionsschutzgesetz ergeben.
Ein Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO, verbunden mit dem entsprechenden Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO, gilt nur für Rechtsvorschriften im materiellen Sinn, also für Landesverordnungen. Damit können Einschränkungen durch das Infektionsschutzgesetz nicht mehr, so wie bisher, vor dem Oberverwaltungsgerichten (in Bayern VGH) angegriffen werden.
Die ähnlich klingende abstrakte Normenkontrolle zum Bundesverfassungsgericht, die in Art. 93 Abs. 2 und 2a GG geregelt ist, und mit der Gesetze im formellen Sinn überprüft werden können, steht Bürgern gerade nicht offen. Hier fehlt es an der Antragsberechtigung.
Da insoweit auch keine Allgemeinverfügungen als besondere Arten eines Verwaltungsaktes mehr erforderlich sind, scheidet auch ein Rechtsschutz vor den Landesverwaltungsgerichten aus.
Keine Verwerfungskompetenz des einfachen Richters mehr
Ebenso wenig hat der einzelne Richter nur für Rechtsverordnungen eine Verwerfungskompetenz. Bei Gesetzen im nur materiellen Sinn, also Coronaschutzverordnungen, war es ja bisher so, dass jeder Richter und jeder Richterin, die eine solche Verordnung für verfassungswidrig hielten, diese einfach verwerfen, also nicht anwenden mussten. Hatte also ein Bürger gegen eine landesrechtliche Verordnung verstoßen und deshalb einen Bußgeldbescheid erhalten, dann konnte er gegen den Bußgeldbescheid vor dem zuständigen Amtsgericht klagen. Dort konnte es dann passieren, dass trotz formellen Verstoßes der Bußgeldbescheid aufgehoben wurde, weil das Gericht die Verordnung für verfassungswidrig und damit nichtig hielt, und damit der Bußgeldbescheid mangels wirksamer Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig wurde. Damit wäre nun Schluss.
Künftig ist es vielmehr so, dass dann, wenn ein Richter oder eine Richterin eine Regelung aus dem Infektionsschutzgesetz für verfassungswidrig hält, nicht mehr selbst verwerfen darf. Er/Sie muss vielmehr sein Verfahren aussetzen und dann im Rahmen einer sog. konkreten Normenkontrolle oder Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG die abstrakte Frage, ob die Regelung im Infektionsschutzgesetz mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.
Verfassungsbeschwerde und Rechtssatzverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht
Damit verbleibt grundsätzlich im Einzelfall nur die Möglichkeit Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zu erheben. Da eine Verfassungsbeschwerde aber regelmäßig nur dann zulässig ist, wenn zuvor der Rechtsweg erschöpft ist, müsste also zunächst der Rechtsweg gegen eine getroffene Maßnahme, also z.B. gegen einen Bußgeldbescheid, beschritten werden. Legt dann der zuständige Amtsrichter/Amtsrichterin im Rahmen der vorgenannten Richtervorlage nicht ohnehin die verfassungsrechtlich relevante Frage dem Bundesverfassungsgericht vor, dann könnte gegen die letztinstanzlichen Entscheidung eine Urteilsverfassungsbeschwerde erhoben werden.
Es besteht allerdings die Besonderheit, dass mit der sog. Rechtssatzverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Nr. 4 a GG ausnahmsweise auch Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen unmittelbar angegriffen werden können. In Ausnahmefällen kann sich die Verfassungsbeschwerde auch unmittelbar gegen eine Rechtsnorm richten, die noch vollzogen werden muss, z.B. wenn ein Rechtsweg nicht existiert oder wenn das Durchschreiten des Rechtsweges unzumutbar wäre. Im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht ist dies regelmäßig der Fall, denn es kann von niemand verlangt werden, zunächst eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begehen, um die Verfassungswidrigkeit der Norm im fachgerichtlichen Verfahren geltend machen zu können. Wenn also ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz als Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist, dann liegt ein solcher Sonderfall vor, so dass direkt das Bundesverfassungsgericht angerufen werden könnte.
Die Rechtsnorm muss die beschwerdeführende Person selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Eine eigene und gegenwärtige Betroffenheit liegt regelmäßig vor, wenn die beschwerdeführende Person durch die Rechtsnorm mit einiger Wahrscheinlichkeit in ihren Grundrechten berührt wird. Unmittelbar ist die Rechtsbeeinträchtigung, wenn kein Vollzugsakt notwendig ist.
Mit effektivem Rechtsschutz hat dies allerdings wenig zu tun, denn, zum einen wird nur ein Bruchteil aller erhobenen Verfassungsbeschwerden überhaupt vom Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angenommen und zwischen Einreichung und Annahme einerseits, aber auch Annahme und Entscheidung andererseitsseits vergehen oft mehrere Jahre, bevor das Bundesverfassungsgericht überhaupt eine Entscheidung trifft… Das, was auf dem Papier gut aussieht, ist in der Praxis nicht nur mühsam, sondern zudem wenig befriedigend.
Auch ein Eilverfahren nach § 32 BVerfGG dürfte nur wenig hilfreich sein. Dort geht es zwar schneller. Allerdings trifft das Bundesverfassungsgericht nur eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter nach dem Prinzip „Was wäre, wenn…“. Dies bedeutet das Bundesverfassungsgericht wird sich nur die Frage stellen, was wäre, wenn die Regelung nicht außer Kraft gesetzt wird und sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass sie verfassungswidrig gewesen ist. Dass immer dann, wenn individuelle Freiheitsrechte gegen Leben und körperliche Unversehrtheit abgewogen werden, die Abwägung, wie dies zahlreiche Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte im Rahmen von Eilverfahren zu Normenkontrollklage gezeigt haben, regelmäßig zugunsten der staatlich getroffenen Maßnahme und gegen die Freiheit des einzelnen ausfällt, dürfte hier kaum anders sein, da ja auch nun die Grundrechtseingriffe augenscheinlich nur zeitlich beschränkt sind. Ein zeitlich beschränkter Grundrechtseingriff, so die Denkweise, kann aber hingenommen werden, wenn damit gegebenenfalls eine ansonsten drohende Überlastung des Gesundheitssystems verhindert werden kann.
Fazit: Das, was hier medial als zwingend erforderlich im Kampf gegen die Pandemie angepriesen wird, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Dies deshalb, weil nicht nur neuerlich Maßnahmen, wie die nach Meinung zahlreicher Experten völlig sinnlose nächtliche Ausgangssperre, und die so oder in ähnlicher Form bereits von einigen Verwaltungsgerichten kassiert worden ist, trotz berechtigter Zweifel an der Wirksamkeit zur Pandemiebekämpfung und gerichtlich bestätigter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit solcher Maßnahmen, nicht nur ungeniert zu Gesetzestext gemacht, sondern hierdurch auch einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen wird. Dies ist aus Sicht des Verfassers bereits per se bedenklich, aber erst recht auch deshalb, weil alles an einem imaginären Inzidenzwerte von 100 festgemacht wird, also einer Größe, die zum einen frei erfunden und zum anderen beliebig manipulierbar ist, je nachdem, wie häufig getestet wird. Bereits die sinkenden Zahlen der Osterfeiertage haben deutlich gezeigt, dass eine steigende oder fallende Inzidenz nicht zwingend mit einer veränderten Verbreitung des Virus zusammenhängt, sondern letztlich auch widerspiegelt, ob mehr oder weniger getestet wird. Vor dem Hintergrund, dass die Testung derzeit stark zunimmt, wird dies zwangsläufig dazu führen, dass selbst bei einer stagnierenden oder sogar tatsächlich fallenden Verbreitung des Virus die Inzidenz durch die Erhöhung der Testkapazität (jedenfalls so lange keine Herdenimmunität eingetreten ist) nach Belieben hochgehalten werden kann.
Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland! So lautet die erste Zeile der von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben stammenden Deutschen Nationalhymne. Nie war Deutschland so gespalten wie heute. Recht und Freiheit sind Begrifflichkeiten, die sich gerade in bedenklicher Weise verändern und wer den Begriff „Vaterland“ heute in den Mund nimmt, der wird schnell als rechtsradikal abgestempelt. Für diejenigen, die in der BRD großgeworden sind, ist dies alles Neuland, was Erstaunen und Verwunderung hervorruft; für diejenigen, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind, wirkt manches doch unangenehm vertraut. So jedenfalls hat es mir erst unlängst ein Mandant geschildert, der sich mit dem Gedanken trägt, nach der DDR nun auch Deutschland dauerhaft zu verlassen.