Zählen auch Sie zu den Betroffenen, die in den letzten Tagen ein Kündigungsschreiben Ihrer Sparkasse oder Bank erhalten haben, in dem diese nunmehr einen für Sie interessanten, da gut verzinsten Sparvertrag aufgekündigt hat? Dann sind Sie nicht allein, denn in groß angelegten Kündigungswellen versuchen nunmehr Sparkassen und Banken für sie nachteilige „Altlasten“, die aus gut verzinsten Bonus- oder Prämiensparverträgen stammen, loszuwerden. Den Weg für diese Kündigungswelle freigemacht hat ein Urteil des BGH vom 14.05.2019 (XI ZR 345/18) in dem die obersten Bundesrichter entschieden haben, dass zwar ein Kreditinstitut nicht berechtigt ist, solche Sparverträge vor Erreichen der höchsten Prämienstufe zu kündigen. Aber danach, meistens nach 15 Jahren, eine solche Kündigung rechtens ist.
Geschäftsmodell Bonus- bzw. Prämiensparvertrag
Betroffen sind meist Kleinsparer denen, schwerpunktmäßig in den neunziger Jahren, als mit Kapital noch Zinsen zu erzielen waren, gerne so genannte Bonus-bzw. Prämiensparverträge verkauft worden sind. Das interessante an diesen Verträgen, die Sparkassen- und Bankberater landauf und landab, gerne Arbeitern, Angestellten, Hausfrauen und Rentnern angeboten haben, war dass bei einer hohen Flexibilität und grundsätzlich mageren Verzinsung in unterschiedlichen Stufen am Jahresende ein stets steigender Bonus, der am Ende meistens 50 % des eingezahlten Betrags betragen hat, angeboten hatten. Wer also durchgehalten hat und alle Stufen der Staffelung erklommen hat, der konnte sich am Ende über eine gute Rendite freuen.
Das Verkaufsargument der Bankberater gegenüber kritischeren Kunden war oft das, dass der Vertrag ja regelmäßig mit Erreichen der höchsten Bonusstufe nicht automatisch endet, sondern der Sparer dann auch in den Folgejahren stets die hohen Bonuszahlungen erhält. So sollten Skeptiker überzeugt werden, die nachgerechnet hatten und feststellen mussten, dass bezogen auf die gesamte Laufzeit die mageren Zahlungen in den ersten Jahren in Kombination mit den hohen Zahlungen in den letzten Jahren, lediglich dazu geführt haben, dass der Vertrag in der Gesamtheit eine seinerzeit übliche Renditeerwartung hatte. Erst dann, wenn der Vertrag, vergleichbar einem Perpetuum Mobile, unendlich auf der höchsten Stufe fortgeführt wird, wäre es für den Sparer oder die Sparerin ein richtig guter Deal geworden.
Wer nun aber weiß, dass das Bankgeschäft, gleichgültig, ob es in Form einer Privatbank oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts, wie die Sparkassen, betrieben wird, kein Selbstzweck ist, sondern hier wie da ein Gewinnstreben Motivation für den Verkauf von Finanzprodukten und entsprechenden Empfehlungen an die Kunden ist, der hätte sich bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses, bei realistischer Betrachtung, denken können, dass die Banken Mittel und Wege suchen und finden werden, um sich am Ende der für sie auch bei höheren Zinsniveau uninteressanten Zahlungsverpflichtung zu entziehen, denn welche Bank zahlt schon gerne dauerhaft 50 % der jährlich geleisteten Einlage sofort wieder als Bonus oder Prämie zurück? Deshalb haben meist Bankberater, wenn ein solcher Vertrag in der höchsten Bonusstufe angelangt war, versucht mit Engelszungen Kunden dazu zu bewegen, eigeninitiativ den Vertrag zu beenden und das Geld anderweitig „lukrativ“ im eigenen Haus anzulegen.
Wann darf Ihre Bank oder Sparkasse kündigen?
Ein Kündigungsausschluss besteht nur für die Zeit bis zum Erreichen der letzten Prämienstaffel. Davor steht den Banken oder Sparkassen kein Kündigungsrecht zu, weil sie sich ansonsten der Zusage einseitig entziehen könnten, und so die kalkulierte Rendite einseitig zu ihren Gunsten verändern könnten.
Ist dagegen die letzte Prämienstaffel bereits erreicht, also die höchste Prämie zur Auszahlung gelangt, und im Vertrag auch keine feste Laufzeit vereinbart, sodass der Vertrag nunmehr auf unbestimmte Zeit weiterläuft, dann kann die Bank regelmäßig mit einer Auslauffrist von 3 Monaten kündigen.
Dies gilt nach Auffassung der BGH-Richter selbst dann, wenn das Finanzprodukt mit Werbeflyer beworben worden ist, in denen Musterrechnungen für einen längeren Zeitraum beinhaltet sind. Im entschiedenen Rechtsstreit hatte die Sparkasse einen Werbeflyer verwendet, in dem eine Musterrechnung für einen Zeitraum von 25 Jahren beinhaltet war. Nach Auffassung der Richter handelt sich dabei lediglich um Rechenbeispiel mit dem keine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Laufzeit des Vertrags verbunden wäre. Dies ergebe sich, so die Richter, im Einzelfall aus dem von der Bank verwendeten Vertragsantragsformularen, in denen diese ein Erreichen der höchsten Prämienstufe mit dem 15. Jahren zugesagt hat. Bei den weitergehenden Aussagen in den Flyern würde es sich, so die Richter, nach Darstellungsart, Inhalt und Formulierung, lediglich um eine werbende Anpreisung der Leistung handeln, der ein durchschnittlicher Sparer eine Änderung oder gar Erweiterung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Sparvertrag nicht entnehmen kann.
Die Sichtweise des BGH ist übrigens nicht neu, denn bereits im Jahr 2017 hatte dieser entschieden, dass Bausparkassen in ähnlicher Weise verfahren dürfen, also hochverzinste Altverträge problemlos kündigen können.
Was können Sie tun?
Wenn Sie eine Kündigung erhalten haben, dann sollten Sie auf jeden Fall der Kündigung widersprechen. Auch, wenn im Einzelfall die Kündigung Ihres Vertrages rechtlich gerechtfertigt sein sollte, besteht nämlich noch die vage Hoffnung, dass gerade bei Sparkassen die Einsicht durchdringt, dass der mit den Kündigungen einhergehende Vertrauensverlust, auf Dauer schlimmere Auswirkungen haben kann, als ein im Einzelfall unrentables Finanzengagement. Gerade Kleinanleger haben in der Vergangenheit Mitarbeitern von Sparkassen ein nahezu blindes Vertrauen entgegengebracht. Dies könnte durch die Kündigungswellen erheblich erschüttert werden. Ansonsten müssen Sie, wenn die Bank nicht klein beigibt, im Einzelfall prüfen lassen, ob anhand der bei Ihnen noch vorliegenden Unterlagen, wie Vertragsantragsformularen, Werbeprospekt etc., sich Anhaltspunkte ergeben, die einer Kündigung entgegenstehen könnten.
Die Argumentation der BGH-Richter dazu, dass Werbeaussagen grundsätzlich ohne rechtlichen Belange sei, ließe sich nämlich umgekehrt zum einen damit begegnen, dass gerade im Bankenrecht durchaus das Rechtsinstitut der Prospekthaftung, das immer dann eingreift, mit einer Kapitalanlage vorhandenen Risiken unrichtig dargestellt worden sind, entwickelt worden ist, um Anleger zu schützen. Dieser Gedanke ist hier aber nach Auffassung des Verfassers nicht gänzlich abwegig, weil der BGH bei seiner Entscheidung, soweit ersichtlich, nicht berücksichtigt hat, dass trotz der hohen Prämie im 15. Jahr, die Gesamtrendite, die erzielt worden ist, nicht über den seinerzeit üblichen Renditen gelegen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Sparkassen und Banken sich auf Kosten all derjenigen Sparer bereichert haben, die aus persönlichen, wirtschaftlichen Gründen, die gesamte Laufzeit des Vertrags nicht eingehalten haben. Dort haben sie nämlich Geld erhalten, das meist nur schlechter verzinst worden ist, als dies bei anderen Kapitalanlagen der Fall gewesen wäre. Im Übrigen haben nicht nur blumige Werbeaussagen in Prospekten mit unrealistischen Musterrechnungen geworben, sondern auch nahezu jeder Bankberater, der ein solches Produkt verkauft hat, hat als Verkaufsargument damit geworben, dass nach 15 Jahren der Vertrag gerade nicht endet, sondern die hohen Bonuszahlungen auch darüber hinaus gezahlt werden. Banken und Sparkassen haben hier bewusst Kleinanleger getäuscht, denn auch ohne die Niedrigzinsphase, wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit zu solchen Kündigungen gekommen, weil mit Erreichen der höchsten Bonusstufe, selbst bei vormalig höheren Zinsniveau, das Ganze für die Bank oder Sparkasse kein Geschäft mehr gewesen wäre. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb Werbeprospekte, die ein vorhandenes Risiko verschleiern rechtlich anders behandeln zu sein sollen, als solche, die beim Kunden bewusst falsche Renditeerwartungen erwecken. Dies könnte auch gegen Treu und Glauben verstoßen.