Kommunikation per E-Mail ist einfach, schnell und preiswert. Kein Wunder, dass sie heute nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im geschäftlichen Verkehr weitverbreitet ist. Kommt es allerdings über den Inhalt einer E-Mail zum Rechtsstreit, dann trifft den Absender nach § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass diese auch dem Empfänger zugegangen ist (LAG Köln, Urteil vom 10.01.2022, 4 Sa 315/21).
Streit um Pflicht zur Rückzahlung eines Darlehens
Der Kläger hatte zur Finanzierung einer Fortbildung bei der Beklagten ein Darlehen in Anspruch genommen. Im Darlehensvertrag war geregelt, dass er das Darlehen nicht zurückzahlen müsste, wenn ihm die Beklagte nicht innerhalb von 5 Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.
Zwischen den Parteien ist dann ein Arbeitsverhältnis begründet worden und die Beklagte begann vom Gehalt des Klägers monatlich 500 € zur Rückzahlung des Darlehens einzubehalten. Der Kläger wollte dies aber nicht gelten lassen, weil er der Meinung war, es sei zwar ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, die Beklagte habe ihm diesen aber nicht innerhalb der Fünfjahresfrist angeboten, sodass die Verpflichtung zur Rückzahlung nicht bestünde. Die E-Mail, die zur Begründung des Arbeitsverhältnisses geführt habe, sei ihm erst 3 Tage nach Fristablauf zugegangen. Die Beklagte verwies dagegen auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail fristgerecht, am letzten Tag der Frist, versandt worden sei. Sie habe auch keine Meldung darüber erhalten, dass die E-Mail nicht unverzüglich zugestellt worden wäre, so dass jedenfalls der Anschein für einen unmittelbaren Zugang sprechen würde.
Absender eine E-Mail trägt die volle Darlegungs- und Beweislast ohne Beweiserleichterung
Die Klage war sowohl beim Arbeitsgericht Köln als auch beim LAG erfolgreich. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt, dass der Zugang einer E-Mail stets vom Versender darzulegen und zu beweisen sei. Allein der Nachweis, dass die E-Mail versendet wurde, begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang.
Bei einer E-Mail sei es, vergleichbar beim Versenden mit einem einfachen Brief, nicht gewiss, ob diese auch angekommen sei. Das Risiko trage nicht der Empfänger, sondern der Absender. Dieser habe die Art der Übermittlung gewählt und trage deshalb auch das Übermittlungsrisiko. Er habe es in der Hand über die Anforderung einer Lesebestätigung, die über die Option des E-Mail-Programms eingestellt werden könne, sich den Nachweis des Zugangs zu beschaffen.
Anmerkung:
Hand aufs Herz. Geben Sie stets eine Lesebestätigung ab, wenn eine solche vom Absender angefordert wird? Falls ja, dann Glückwunsch. Dann sind Sie ein zuverlässiger Empfänger. In der Praxis kommt es allerdings sehr häufig vor, dass Lesebestätigungen, aus welchen Gründen auch immer, gerade nicht abgegeben werden. Selbst bei der Kommunikation über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter Anwältin gibt es Kollegen und Kolleginnen, die sich strikt weigern eine angeforderte Empfangsbestätigung abzugeben …
Letztlich ist die Lesebestätigung nichts anderes, wie im analogen Leben, die Versendung eines Einschreibens mit Rückschein. Auch hier kann der Empfänger den Nachweis des Zugangs vereiteln, indem er das Einschreiben einfach nicht abholt und so den Rückschein nicht abgibt. Während also im analogen Leben, die Versendung eines Schreibens mit Einschreiben/Rückschein aus diesem Grund nicht die beste Lösung ist, ist im digitalen Leben das Anfordern einer Lesebestätigung aus den gleichen Gründen problematisch. Letztlich ist beides aber nicht erforderlich, denn, ob der Empfänger, ein Schreiben oder eine E-Mail, gelesen hat, ist für die Rechtswirkung regelmäßig ohne Belang. Entscheidend ist, dass der Absender nachweisen kann, dass die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er nach gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Von daher ist im analogen Bereich das Einwurfeinschreiben vorzugswürdig. Digital sollte dann statt der Lesebestätigung besser die Empfangsbestätigung gewählt werden. Diese wird im Gegensatz zu Lesebestätigung automatisch generiert, sodass der Empfänger den Nachweis des Zugangs nicht vereiteln kann.
Tipp: Sieht ein Gesetz eine bestimmte Form für den Inhalt der Erklärung vor, dann genügt auch der Nachweis des Zugangs nicht, um die Erklärung wirksam zu machen. Diese Problematik taucht insbesondere bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen auf, weil dort nach § 623 BGB Schriftform erforderlich ist.
Wir hatten erst unlängst einen Fall vor dem Arbeitsgericht Berlin, bei dem es um die Frage ging, ob eine per E-Mail mit elektronischer Signatur ausgesprochene Kündigung wirksam ist. Der Arbeitgeber saß in Österreich, wo dies wohl möglich ist, der Arbeitnehmer in Deutschland, wobei deutsches Arbeitsrecht zur Anwendung gelangt ist. Im Ergebnis ist eine solche Kündigung unwirksam. Da es sich um eine Kündigung am Ende der Probezeit gehandelt hatte und nun der Arbeitgeber formgerecht außerhalb der Probezeit nachkündigen musste, hat diese Unachtsamkeit bzw. der Mangel an Kenntnis des deutschen Arbeitsrechts im Ergebnis dazu geführt, dass der Arbeitgeber einen 5-stelligen Betrag aufwenden musste, um den Arbeitnehmer dann doch noch loszuwerden …