Verkäufer erhalten von Amazon für jedes Produkt eine sog. ASIN (individuelle Identifikationsnummer). Unter dieser sind die Angebote bei Amazon gespeichert und für Dritte aufrufbar. Unter dem jeweiligen Angebot befindet sich jeweils die Angabe „von…“. Bieten mehrere Anbieter dasselbe Produkt unter identischer ASIN an, dann wird das Angebot einheitlich dargestellt. Amazon möchte damit erreichen, dass nicht ein und dasselbe Produkt mehrfach erscheint, sondern dass ein Produkt, vergleichbar einem Warenkatalog, nur einmal aufgelistet wird und ein Käufer dann, wenn das Produkt von mehreren Verkäufern angeboten wird, nur noch unter den Verkäufern auswählen muss.
In einem nunmehr vom Landgericht Köln mit Urteil vom 3. Dezember 2014 (84 O 149/14) entschiedenen Rechtsstreit, hatte der Kläger Schutzhüllen für Smartphones von einem chinesischen Hersteller bezogen und ausschließlich über Amazon vertrieben.
Der Beklagte bot ebenfalls Schutzhüllen für Smartphones unter identischer Identifikationsnummer an, die offensichtlich vom selben chinesischen Hersteller stammten, aber nicht vom Kläger bezogen wurden, hatte sich also an das Angebot des Klägers „angehängt“. Unter dem jeweiligen Angebot befindet sich die Angabe „von…“. Dieser Zusatz wird durch die Übernahme der ASIN automatisch von Amazon übernommen.
Nachdem der Kläger dem Beklagten deswegen abgemahnt und dieser eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, macht der Kläger im Klageweg u.a. Auskunftsansprüche geltend.
Das Landgericht Köln hat den Beklagten zur Auskunft verurteilt und seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
„l. Auskunftsanspruch
Dieser folgt aus § 9 UWG i.V.m. § 242 BGB.
Dass die Übernahme des Zusatzes „von…“ in den Angeboten des Beklagten eine Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG darstellt, stellt auch der Beklagte nicht in Abrede, sodass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen. Unstreitig stammen die von ihm bei Amazon angebotenen Waren nicht von der Klägerin, mögen sie auch von demselben chinesischer Hersteller produziert worden sein.
Der Beklagte hat zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt. Bei sorgfältiger Prüfung hätten er die Wettbewerbswidrigkeit seines Handelns feststellen können und müssen.
Dass der Klägerin hierdurch ein Schaden in Form des entgangenen Gewinns entstanden ist, erscheint nicht ausgeschlossen. Der Beklagte hat sich gerade deshalb durch Übernahme der ASIN an die Angebote der Klägerin angehängt, um interessierten Personen seine Waren als Alternative zu dem von der Klägerin angebotenen Waren zu präsentieren. Durch den Zusatz „von…“ gelangen die Verbraucher zu der irrigen Annahme, sie könnten das angebotene Produkt von… statt von der Klägerin auch von dem Beklagten ggf. zu einem günstigeren Preis beziehen.
Die Behauptung des Beklagten, er sei nicht in der Lage, die geforderten Auskünfte zu erteilen, wertet die Kammer als reine Schutzbehauptung. Der Beklagte muss z.B. über Rechnungen an seine Kunden und über Provisionsabrechnungen von Amazon verfügen. Schließlich muss der Beklagte seine Einkünfte, die er über die Verkäufe bei Amazon erzielt, versteuern.
Soweit der Beklagte sich damit verteidigt, der Zusatz „von…“ sei nach der Abmahnung kurzzeitig entfernt gewesen und er daher nicht wisse, welche Verkäufe er aufgrund von Angeboten mit und welche ohne den Zusatz „von…“ getätigt habe, so kann ihn dies nicht entlasten. Schließlich ist die Entfernung des Zusatzes „von…“ auf seine Veranlassung hin erfolgt. Dies kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Der Beklagte muss dann eben über sämtliche Verkäufe im fraglichen Zeitpunkt Auskunft erteilen, wobei die Klägerin entgangenen Gewinn nur für die Verkäufe verlangen kann, die aufgrund des Zusatzes „von…“ erfolgt sind.“
Hinweis:
Die Möglichkeit des „Anhängens“, die Amazon hier den Verkäufern bietet, mag für den Käufer komfortabel sein, für Verkäufer ist sie dagegen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht durchaus problematisch.
Wird nämlich ein Produkt mit derselben ASIN von unterschiedlichen Verkäufern hochgeladen, dann modifiziert dies die Produktbeschreibung. Amazon formt also aus den unterschiedlichen Texten automatisch einen einheitlichen Text. So ist es möglich, dass ein Angebot, das von einem Verkäufer ordnungsgemäß eingestellt worden ist, von einem nachfolgenden Verkäufer dahingehend modifiziert wird, dass es plötzlich wettbewerbswidrig ist, weil beispielsweise Fehler nach den Vorgaben der Preisangabenverordnung gemacht werden. Zieht nun dieser Verkäufer sein Angebot zurück, bleibt der Fehler bestehen und der ursprüngliche Anbieter läuft Gefahr deswegen von einem weiteren Mitbewerber kostenpflichtig abgemahnt zu werden.
Uns sind aus der täglichen Praxis Fälle bekannt, bei denen der Verdacht nahe liegt, dass dieser „Fehler im System“ bewusst ausgenutzt wird, um Mitbewerber abmahnen zu können, in dem nach dem vorgenannten Schema anfangs korrekte Angebote nachträglich verfälscht werden. Wer hier als Verkäufer auf die tatkräftige Mithilfe von Amazon hofft, der irrt. Reaktionen erfolgen meist gar nicht oder lediglich in Form von unbrauchbaren Standardschreiben, so dass einem Verkäufer, der so in Anspruch genommen wird, nunmehr seinerseits hinsichtlich der von ihm zu zahlenden Abmahnkosten nur ein Rechtsstreit gegen Amazon selbst bliebe. Hiervor schrecken dann doch die Verkäufer regelmäßig zurück, da der Aufwand nicht unerheblich ist und darüber hinaus keiner Gefahr laufen möchte, dass Amazon ihn kurzerhand als Verkäufer ausschließt.