Wer meint, als Eigentümer eines freistehenden Einfamilienhauses privilegiert vor Geräuschen seiner Nachbarn zu sein, der irrt gewaltig, denn das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 29.03.2017 (171 C 14312/16) entschieden, dass es unter Berücksichtigung von Art. 6 GG vom Nachbarn hingenommen werden müsse, wenn die Nachbarskinder regelmäßig Schlagzeug, Tenorhorn und Saxophon spielten. Eine solche Geräuschbelästigung sei nicht unzumutbar. Auch der Umstand, dass Ruhezeiten nicht eingehalten wurden, spielten nach Auffassung des Gerichts keine Rolle, denn es liege gerade in der Natur der Kindheit und des Erwachsenwerdens, dass Grenzen überschritten und Regeln gebrochen werden und man aus den negativen Konsequenzen lerne.
Nachbar fühlt sich durch musizierende Nachbarskinder belästigt
Der Streit war in München in einem allgemeinen Wohngebiet entstanden. Die Parteien waren jeweils Eigentümer freistehender Einfamilienhäuser. Der Kläger fühlte sich durch die regelmäßig musizierenden Nachbarskinder, die seit Jahren Schlagzeug, Tenorhorn und Saxophon spielten, belästigt. Er führte aus, dass die auf sein Grundstück einwirkende Geräusche regelmäßig Werte von über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB, betrügen und die Kinder selbst zu Ruhezeiten musizierten. Er verlangte deshalb die Unterlassung des Musizierens, soweit dadurch die Nutzung seines Anwesens wesentlich beeinträchtigt würde.
Die Beklagten trugen dagegen vor, dass während des Musizierens stets Türen und Fenster geschlossen werden. Auch würde während der Nachtruhe nicht musiziert. Darüber hinaus bestritten sie, dass durch das musizieren Geräusche von über 55 dB erzeugt werden würden.
Gericht verzichtet auf Einholung eines Lärmgutachtens, sondern hält nach Ortstermin musizieren für hinnehmbar
Nach Auswertung des Lärmprotokolls sowie dem Ortstermin, in dem sich das Gericht selbst ein Bild von den örtlichen Verhältnissen machte, hat das Gericht die Klage abgewiesen.
Das Gericht kam dabei zum Ergebnis, dass während der Mittagszeit in der Regel nicht musiziert werde, denn das vorgelegte Lärmprotokoll, das über einen Zeitraum von 2 Jahren erstellt worden war, hatte nur einige wenige Fälle enthalten, in denen auch mittags musiziert worden war. Bei solchen Ausreißern sei aber zu berücksichtigen, so das Gericht, dass es sich bei den Verursachern um minderjährige Kinder handele. Es liege aber in der Natur des Kindes, dass Grenzen überschritten und Regeln gebrochen werden, um aus den damit verbundenen negativen Konsequenzen zu lernen.
Auch, wenn das Gericht vor Ort festgestellt hatte, dass selbst bei beiderseits geschlossenen Fenstern gerade das Schlagzeug deutlich zu hören war, hat das Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet. Denn nach seinem Empfinden war die Musik nicht unzumutbar. Nach seiner Ansicht könne Musik nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich den Vorgang des Musizierens in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiere. Zudem sei im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zugunsten der musizierenden Kinder Art. 6 GG zu beachten. Denn die gesunde Entwicklung junger Menschen stehe unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Daher sei dem Interesse der Kinder an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen, so das Gericht.
Der Fall verdeutlicht einmal mehr, dass Recht sehr flexibel ist. Wäre ein Richter mit der Angelegenheit befasst gewesen, der Kindern nicht so aufgeschlossen gegenübersteht, dann hätte der Fall sicherlich auch anders entschieden werden können. Dass das zu Beweis angeboten Lärmgutachten nicht eingeholt worden ist, ist unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf rechtliches Gehör ohnehin rechtlich problematisch.