Aus Arbeitgebersicht sind Ärzte ziemlich „schmerzfrei“, wenn es darum geht Arbeitnehmern Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auszustellen. Dagegen ist meistens, aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht, arbeitsrechtlich „kein Kraut gewachsen. Besonders misslich für den Arbeitgeber ist aber dann, wenn er nicht nur den Verdacht hat, dass der Arbeitnehmer simuliert, sondern die Krankschreibung auch noch dazu benutzt seine Arbeitskraft anderweitig zu verwenden. In einem nun vom BAG mit Urteil vom 29.06.2017 (2 AZR 597/16) letztinstanzlich entschiedenen Rechtsstreit, haben die Richter den Einsatz eines Detektivs, der den Arbeitnehmer überführt hatte gebilligt und eine ausgesprochene Arbeitgeberkündigung für rechtens erklärt.
Arbeitnehmer arbeitet während Arbeitsunfähigkeit für Konkurrenzunternehmen
In dem entschiedenen Rechtsstreit war der Arbeitnehmer seit bereits 35 Jahren bei seinem Arbeitgeber als Monteur beschäftigt. Im Jahr 2014 war er bereits mehrfach arbeitsunfähig krank. Seit dem 20.01.2015 wurde ihm von seinem behandelnden Arzt durchgehende Arbeitsunfähigkeit attestiert. Der Arbeitgeber leistete zunächst Entgeltfortzahlung. Danach bezog der Arbeitnehmer Krankengeld.
Ende Mai 2015 ergaben sich für den Arbeitgeber Anhaltspunkte, dass der Arbeitnehmer gar nicht arbeitsunfähig krank war, sondern während der Krankschreibung für ein Konkurrenzunternehmen arbeitete. Eine daraufhin erfolgte Anhörung des Arbeitnehmers zu den Verdachtsmomenten verlief ergebnislos, weil der Arbeitnehmer sich dazu nicht äußern wollte.
Der Arbeitgeber entschloss sich daher eine Detektei zu beauftragen, die dann recht schnell den Arbeitnehmer überführt hat. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich. Als Begründung gab er an, dass wegen der Tätigkeit währen der Arbeitsunfähigkeit für ein Konkurrenzunternehmen der Verdacht einer schweren Pflichtverletzung bestünde.
LAG nimmt Verwertungsverbot bei heimlicher Erkenntnisgewinnung an, weil Verdacht einer schweren Pflichtverletzung ohne Straftatcharakter datenschutzrechtlich nicht gerechtfertigt ist
Der Arbeitnehmer hatte aber keinerlei schlechtes Gewissen, sondern war so dreist, dass er gegen die Kündigung auch noch Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhoben hat. Wer nun meint, dass eine solche Klage nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch rechtlich ohne Erfolgschancen sei, der irrt, denn der Kläger hat (zunächst) obsiegt hat. Dies deshalb, weil nach Auffassung des LAG die Datenerhebung durch die Detektei datenschutzrechtlich unzulässig gewesen sei und darum die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar wären.
Nach Auffassung der Richter dürfe der Arbeitgeber nämlich nur in eng bestimmten Ausnahmefällen nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG einen verdeckten Ermittler einschalten. Dies sei nur dann der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat zulasten des Arbeitgebers vorliegen würde. Wettbewerbsverletzungen seien dagegen nicht ausreichend. Nach Auffassung der Richter habe hier von vornherein der Verdacht einer Straftat nicht (mehr) bestanden, denn der Arbeitgeber habe keine Entgeltfortzahlung mehr geleistet, sondern der Arbeitnehmer habe lediglich Krankengeld von der Krankenkasse bezogen. Eine Straftat zulasten der Krankenkasse genüge aber nicht, sondern es müsse der konkrete Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftat vorliegen, so die Richter. Ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung in § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG käme bei Vorliegen einer Pflichtverletzung unterhalb der Strafbarkeitsschwelle nicht in Betracht, weil dieser Rückgriff durch die Sonderregelung des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG gesperrt werde.
BAG: Verdacht einer schweren Pflichtverletzung rechtfertigt verdeckte Überwachungsmaßnahme
Diese Auffassung hielt dann allerdings einer rechtlichen Nachprüfung durch das BAG nicht stand. Dieses hat nun nämlich entschieden, dass auch bei einem konkreten Verdacht einer schweren Pflichtverletzung ohne den Charakter einer Straftat gegenüber dem Arbeitgeber eine vom Arbeitgeber veranlasste verdeckte Überwachungsmaßnahme nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zulässig durchgeführt werden kann und die daraus gewonnenen Erkenntnisse dann im Rahmen eines Kündigungsverfahrens verwertet werden dürfen. Nach Auffassung der Richter sei es bereits unrichtig dass der Einsatz verdeckte Überwachungsmaßnahmen nur bei Vorliegen eines konkreten Verdachts einer Straftat möglich sei, denn als Rechtfertigungsgrund käme auch die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Betracht.
Voraussetzung sei ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung, das im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers steht. Ein solcher Zusammenhang soll jedoch auch dann bestehen, wenn der Arbeitgeber dem konkreten Verdacht einer schweren Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nachgeht (Beendigungsinteresse). Eine „Sperrwirkung“ des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegenüber dem § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG hat das BAG, anders als das LAG, nicht angenommen.
Diese vom LAG vorgenommene Auslegung verstoße gegen die Europäische Datenschutzrichtlinie (RL 95/96/EG). Auch lasse sich die Sperrwirkung auch mit keiner herkömmlichen Auslegungsmethode aus dem § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG herleiten.
Kein Freibrief für Arbeitgeber
Das Bundesarbeitsgericht hat damit aber keinen Freibrief für Arbeitgeber ausgestellt, denn durch den mit der Datenerhebung verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber gehalten im Rahmen der Grundnorm des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG, also unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze zu beachten.
Bereits der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG verlangt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, dass die damit verbundenen Eingriffe in die Rechte des Arbeitnehmers „erforderlich“ sein müssen. Sie müssen auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein, der Anlass der Datenerhebung darf also nicht außer Verhältnis zur Intensität der Datenerhebung stehen. Daraus folgt, dass die Datenverarbeitung unzulässig ist, sofern gleich wirksame und weniger intensive Maßnahmen bestehen, um das Ziel zu erreichen.
Aus diesen Grundsätzen folgt ebenfalls, dass der Verdacht sich auch aus konkreten Tatsachen ergeben muss und eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“ unzulässig ist. Jedoch muss der Verdacht im Gegensatz zu Absatz 2 nicht „dringend“ sein. Ein „einfacher“ Verdacht ist insoweit ausreichend.
Nur wenn die vorgenannten Einschränkungen in § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG hineingelesen werden, ist dies nach dem BAG für Pflichtverletzungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle datenschutzrechtlich eine ausreichende Grundlage für einen „anlassbezogenen“ verdeckten Detektiveinsatz.
Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber vor Einsatz eines verdeckten Ermittlers alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Kenntnis genommen ausgenutzt haben muss, der Einsatz des Detektivs also Ultima Ratio ist. Der Arbeitgeber trägt hier die Beweislast, sodass er lückenlos dokumentieren muss, alle Ermittlungsmöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft zu haben.