Vor Gericht gilt in Zivilsachen die prozessuale Wahrheitspflicht. Dies bedeutet, dass jede Partei wahrheitsgemäß vortragen muss. Ein Recht zur Lüge gibt es nicht. Wer dagegen verstößt, der verstößt nicht nur gegen die prozessuale Wahrheitspflicht, sondern kann sich auch wegen eines (versuchten) Prozessbetrugs strafbar machen. Gleichwohl wird bekanntlich nirgendwo so viel gelogen, wie vor Gericht. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Urteil des Amtsgerichts München vom 10.01.2018 (142 C 1049/17), bei dem das Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits (nicht nur) über die Frage entscheiden musste, ob dann, wenn der Verkäufer eines gebrauchten Kfz zu Unrecht behauptet, das Fahrzeug sei „scheckheftgepflegt“, dies den Käufer zur Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt, was vom Gericht im Ergebnis bejaht worden ist.
Unseriöser Verkäufer versucht Käufer über Internetinserat reinzulegen
Der Kläger wurde über ein Inserat im Internet auf einen Gebrauchtwagen aufmerksam. Bei dem Inserat war Namen und Kontaktdaten des Beklagten angegeben. Die Parteien wurden sich zum Preis von 4.500 € handelseinig. Der Verkäufer erschien dann gemeinsam mit seinem Vater in der Wohnung des Klägers. Dort wurden ihm Fahrzeugpapiere und Schlüssel übergeben. Auch unterschrieben die Parteien einen Kaufvertrag der vom Beklagten unter der Bezeichnung „Verkäufer“ unterschrieben war.
Käufer ficht Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an
Später dann wollte der Käufer von dem Kauf nichts mehr wissen. Er focht den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und begründete dies damit, dass das Fahrzeug nicht „scheckheftgepflegt“ sei. Dies sei aber bereits im Inserat angegeben gewesen. Auch hätte der Beklagte beim Treffen in seiner Wohnung nochmals ausdrücklich bestätigt, dass das Fahrzeug „scheckheftgepflegt“ sei.
Verkäufer bestreitet, was es zu bestreiten gibt
Der Verkäufer dachte aber gar nicht daran das Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis zurück zu bezahlen. Als der getäuschte Käufer vor Gericht zog erlebte er zunächst sein blaues Wunder, denn dort hat der Verkäufer nicht nur behauptet, er sei der falsche Beklagte, in Wahrheit sei sein Vater Verkäufer und damit Vertragspartner des Klägers gewesen, denn er habe nur in dessen Auftrag gehandelt, sondern er behauptete auch, der Käufer habe bislang den Kaufpreis noch gar nicht gezahlt, sodass diesem auch nichts zurückgeben könne. Davon, dass er das Fahrzeug als „scheckheftgepflegt“ angepriesen habe, wollte er natürlich auch nichts mehr wissen. Vielmehr behauptet er, das Fahrzeug sei unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft worden.
AG München gibt Käufer recht und verurteilt Beklagten zur Herausgabe des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs
Vor Gericht fand allerdings die Verteidigungsstrategie des dreisten Verkäufers kein Gehör. Zunächst stellte das AG München klar, dass nicht etwa der Vater, sondern der Beklagte Verkäufer sei. Dies ergebe sich nicht nur daraus, dass dessen Kontaktdaten im Inserat angegeben worden waren, sondern dass diese auch den Kaufvertrag mit dem Wort „Verkäufer“ unterschrieben habe.
Auch dass der Käufer den Kaufpreis nicht bezahlt habe, vermochte das Gericht nicht zu glauben. Dies deshalb, weil zum einen der Käufer nachgewiesen hatte, dass er kurz vorher von seinem Konto den Kaufpreis in Höhe von 4.500 € abgehoben hatte. Im Übrigen hielt es das Gericht für völlig lebensfremd, dass ein Verkäufer das Kfz nebst Papieren und Schlüssel übergibt, ohne dass der Kaufpreis bezahlt worden wäre.
Schließlich sah es das Gericht auch als erwiesen an, dass das Fahrzeug als „scheckheftgepflegt“ verkauft wurde, denn als solches war das Fahrzeug bereits im Inserat angepriesen wurden. Bei der Eigenschaft der Scheckheftpflege handelt es sich um ein wesentliches wertbildendes Merkmal. Ein Käufer könne daher wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn das Fahrzeug diese Eigenschaft nicht aufweisen würde.
Da zwischenzeitlich auch die Berufung des dreisten Verkäufers zurückgewiesen wurde, ist der Rechtsstreit rechtskräftig. Ob das Gericht sich die Mühe gemacht hat, die Akte an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten und dort ein Strafverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs eingeleitet worden ist, ist nicht bekannt. Nach den Erfahrungen des Verfassers sind die Gerichte aber meist in solchen Dingen sehr großzügig. Wer als Betroffener dreistes Prozessverhalten strafrechtlich verfolgt sehen will, muss meist selbst den Sachverhalt zur Anzeige bringen.