Verfügt der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, die er für die Prüfung benötigt, ob einen Insolvenzantrag stellen muss, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen. Hierbei darf sich der Geschäftsführer nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen, sondern muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken.
BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10 (OLG Koblenz)
Sachverhalt:
Der Beklagte, der vormalige Geschäftsführer einer insolventen GmbH hatte auf Veranlassung der Hausbank August 2003 eine Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage sowie etwaiger Sanierungsmöglichkeiten seiner Gesellschaft beauftragt. Die Unternehmensberaterin – eine studierte Betriebswirtin mit langjähriger Berufserfahrung – überreichte am 09.11.2003 dem Beklagten das in Auftrag gegebene Gutachten. Knapp 5 Wochen später, am 12.12.2003 stellte der Beklagte Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft. Nach Verfahrenseröffnung verlangte der Insolvenzverwalter vom Beklagten nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. all die Zahlungen erstattet, welche der Beklagten ab dem 31. August 2003 u.a. an Lieferanten und Arbeitnehmer aus der Kasse der Gesellschaft veranlasst hatte. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft zahlungsunfähig gewesen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision führte zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Rechtliche Wertung:
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelte der Geschäftsführer schuldhaft, da er sich trotz mangelnder eigener Fachkenntnisse nicht hatte rechtzeitig beraten lassen.
Anders als vom Berufungsgericht angenommen entlastet den Beklagten nicht, dass er ein Gutachten zur Vermögenslage und Sanierungsfähigkeit in Auftrag gegeben hat. Zwar könne auch nach Meinung des BGH die Einholung eines Gutachtens zur Vermögenslage und Sanierungsfähigkeit einer Gesellschaft die Entlastung des Geschäftsführers zur Folge haben. Jedoch muss aus dem Sinn und Zweck des Zahlungsverbotes nach § 64 GmbHG und der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO („ohne schuldhaftes Zögern“) eine solche Prüfung durch einen sachkundigen Dritten unverzüglich vorgenommen und durch den Geschäftsführer auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hingewirkt werden. Andernfalls ist die Vorlage des Prüfungsergebnisses zur Insolvenzreife nicht unverzüglich erfolgt und der Geschäftsführer von dem vermuteten schuldhaften Sorgfaltsverstoß nicht entlastet.
Im vorliegenden Falle sei die gutachterliche Stellungnahme nicht unverzüglich, sondern erst zum 09.11.2003 erstellt worden und daher nicht geeignet, den Beklagten hinsichtlich der Zahlungen ab dem 01.09.2003 zu entlasten, wenn die Gesellschaft schon zum 31.08.2003 zahlungsunfähig war. Der Umstand, dass der Beklagte die Gutachterin nur mit der Prüfung der Vermögenslage und der Sanierungsmöglichkeiten und gerade nicht gezielt mit der Prüfung beauftragt habe, ob Insolvenzantrag zu stellen sei, spreche im Übrigen dafür, dass die nicht unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses auf einem schuldhaften Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten beruhe. Es habe keine Anzeichen dafür gegeben, dass die Gutachterin im vorliegenden Falle trotz der anderweitigen Aufgabenstellung vorab die Frage der Insolvenzreife prüfen und den Geschäftsführer unverzüglich unterrichten werde.
Zur Aufklärung der Frage, ob tatsächlich seit dem 31.08.2003 Zahlungsunfähigkeit vorlag, hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.