Die Zahl der Insolvenzen nimmt in Deutschland stetig zu. Dies bringt für Arbeitnehmer erhebliche Unsicherheiten mit sich. Besonders betroffen sind sie, wenn es um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geht. Viele Arbeitnehmer fragen sich, ob ihr Job sicher ist, welche Kündigungsmöglichkeiten bestehen und welche Rechte ihnen zustehen.
1. Die Insolvenz des Arbeitgebers – Was bedeutet das für Arbeitnehmer?
Sobald ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, kann ein Insolvenzantrag gestellt werden (§ 17, § 19 InsO). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt ein Insolvenzverwalter an die Stelle der Geschäftsführung und entscheidet über den Fortbestand des Unternehmens. Dabei steht die Sanierung oder, falls dies nicht möglich ist, die geordnete Abwicklung des Unternehmens im Fokus. Dies hat auch direkte Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse.
Grundsätzlich bleibt das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers trotz der Insolvenz des Arbeitgebers zunächst bestehen (§ 108 Abs. 1 InsO). Allerdings kann es durch den Insolvenzverwalter unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden.
2. Kündigungsrecht in der Insolvenz – Welche Regeln gelten?
Die Kündigung von Arbeitsverhältnissen in der Insolvenz unterliegt besonderen gesetzlichen Vorschriften:
a) Kündigungsfrist nach § 113 InsO
Während für normale Kündigungen die im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbarten Fristen gelten, sieht § 113 InsO eine Sonderregelung für Insolvenzfälle vor. Danach kann das Arbeitsverhältnis vom Insolvenzverwalter mit einer Frist von höchstens drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden – selbst wenn vertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart wurde.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer hat laut Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis dennoch mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
b) Kündigungsschutz und Sozialauswahl
Trotz der verkürzten Kündigungsfrist gilt in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG). Eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter muss also sozial gerechtfertigt sein, d. h., sie darf nicht willkürlich erfolgen, sondern muss betriebsbedingte, personenbedingte oder verhaltensbedingte Gründe haben.
Die betriebsbedingte Kündigung ist in der Insolvenz die häufigste Form. Dabei muss eine Sozialauswahl getroffen werden (§ 1 Abs. 3 KSchG). Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit, hohem Alter oder Unterhaltspflichten genießen häufig einen besseren Schutz.
c) Massenentlassungen und Anzeige nach § 17 KSchG
Ist geplant, eine größere Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen, muss der Insolvenzverwalter dies der Agentur für Arbeit anzeigen (§ 17 KSchG). Eine Missachtung dieser Vorschrift kann zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen. Die Schwellenwerte für die Anzeigepflicht liegen bei:
- mindestens 20 Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 60 Arbeitnehmern,
- mindestens 10 % der Belegschaft in Betrieben mit 60 bis 500 Arbeitnehmern,
- mindestens 30 Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern.
3. Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer bei Kündigung in der Insolvenz?
a) Insolvenzgeld als Lohnersatz
Gehaltsrückstände aus den letzten drei Monaten vor der Insolvenzeröffnung können durch Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit ersetzt werden (§ 165 SGB III). Arbeitnehmer sollten diesen Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Insolvenzeröffnung bei der Agentur für Arbeit geltend machen.
b) Abfindung und Interessenausgleich
Ein Abfindungsanspruch besteht nicht automatisch. Allerdings kann eine Abfindung in einem Sozialplan oder Interessenausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat festgelegt werden (§ 112 BetrVG). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Abfindungen in der Insolvenz oft nur in begrenztem Umfang aus der Insolvenzmasse gezahlt werden können.
c) Anspruch auf offene Löhne
Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Anspruch auf ausstehende Löhne, allerdings werden diese als Insolvenzforderungen behandelt (§ 38 InsO). Das bedeutet, dass sie oft nur eine geringe Quote erhalten, wenn die Insolvenzmasse verteilt wird.
4. Besonderheiten: Kündigung bei Betriebsübergang (§ 613a BGB)
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn der Betrieb oder ein Betriebsteil von einem neuen Unternehmen übernommen wird. Nach § 613a BGB gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den neuen Inhaber über, und eine Kündigung aus diesem Grund ist unzulässig. Ein Erwerber kann jedoch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wenn wirtschaftliche Gründe dies erfordern.
Wichtig: Ein Arbeitnehmer kann dem Übergang widersprechen. Allerdings riskiert er dann, im Insolvenzverfahren als Gläubiger behandelt zu werden und seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Fazit: Rechtzeitig handeln, um Nachteile zu vermeiden
Eine Insolvenz des Arbeitgebers bedeutet nicht automatisch den Verlust des Arbeitsplatzes, jedoch können Kündigungen erleichtert ausgesprochen werden. Arbeitnehmer sollten sich frühzeitig über ihre Rechte informieren, insbesondere hinsichtlich Kündigungsfristen, Insolvenzgeld und möglicher Abfindungen. Da viele Ansprüche nur innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden können, empfiehlt sich eine rasche anwaltliche Beratung.
Sollten Sie eine Kündigung in der Insolvenz erhalten oder offene Lohnforderungen haben, stehen wir Ihnen als erfahrene Rechtsanwälte im Arbeitsrecht zur Seite. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung und Durchsetzung Ihrer Rechte.