Beabsichtigt Ihr Arbeitgeber Personal abzubauen und gibt es deshalb einen mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan zur Milderung oder Abfederung von Härten der Abfindungszahlungen für Mitarbeiter vorsieht, die freiwillig durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags ausscheiden oder aber betriebsbedingt gekündigt werden und dann vor dem Arbeitsgericht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung vereinbaren, dann müssen Sie bei Ihrer Kosten Nutzen Kalkulation berücksichtigen, dass nicht nur der Fiskus einen Teil ihrer Abfindung kassiert, sondern mit einem Trick der Gesetzgeber mithilfe der Arbeitsagentur einen Teil der Kosten eines auftretenden Arbeitslosigkeit von Ihnen über ihre Abfindung bezahlen lässt indem infolge der erhalten Abfindungszahlung ein zeitlich befristetes Ruhen des Anspruchs bis maximal zwölf Monate angeordnet wird. In dieser Zeit beziehen sie, obwohl Ihnen grundsätzlich ein Anspruch zusteht, nicht nur kein Arbeitslosengeld, sondern müssen auch ihre Krankenversicherung selbst aus der Abfindung ihres Arbeitgebers bezahlen … Diese „Sozialplanfalle“ ist Arbeitnehmern, oft aber auch Betriebsräten und Rechtsanwälten unbekannt so dass dann, wenn sie ihren Arbeitslosen Bescheid erhalten, das böse Erwachen kommt.
Darum geht es
Die Anzeichen dafür, dass die Konjunktur in Deutschland sich abschwächt mehren sich. Nach den Prognosen der Bundesregierung werden daher in den nächsten Jahren erheblich weniger Steuereinnahmen erwartet. Mit zeitlichem Versatz werden dann verstärkt Unternehmen anfangen Arbeitsplätze abzubauen.
Wenn Sie in einem größeren Unternehmen mit Betriebsrat beschäftigt sind, dann wird die Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses vielleicht dadurch, so zumindest der vordergründige Gedanke des Gesetzgebers, abgemildert, in dem der Sozialplan Abfindungszahlungen für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht, um die damit verbundenen Härten abzumildern oder auszugleichen. Die Presse berichtet dann zwar über den Stellenabbau. Berichtet aber ebenso unreflektiert darüber, dass ein Sozialplan ausgehandelt wurde, der den Verlust des Arbeitsplatzes für die Arbeitnehmer abfedern soll. Worüber regelmäßig nicht berichtet wird ist, dass den betroffenen Arbeitnehmern die Abfindungszahlung zwar formell zufließt, anschließend aber die Agentur einen Teil davon zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit beansprucht. Abfindungszahlungen, die Arbeitnehmer aufgrund eines Sozialplans erhalten, weil sie das Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags annehmen oder aber sich nach vorangegangener betriebsbedingte Kündigung dann vor dem Arbeitsgericht entsprechend vergleichen, sind das Problem, denn sie führen dazu, dass sich die Arbeitsagentur über die Schiene des Sozialrechts dadurch einen Teil ihrer Abfindung sofort wieder einverleibt, in dem sie zwar keine Sperrzeit verhängt, aber das Ruhen ihres Anspruchs auf Bezug von Arbeitslosengeld anordnet. Es kassiert also nicht nur der Fiskus bei ihrer Abfindung Steuern mit, sondern auch die Sozialkassen, obwohl an sich echte Abfindungen nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV sozialversicherungsfrei sind und das funktioniert so:
Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 158 SGB III
Während den meisten Arbeitnehmern oft noch eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld ein Begriff ist, nämlich beispielsweise dann, wenn der Arbeitsplatz durch eigenes Verschulden verloren gegangen ist, weil entweder der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich oder verhaltensbedingt gekündigt hat oder aber eine Eigenkündigung Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war, ist das Ruhen des Anspruchs die etwas mildere und meist unbekannte Variante Arbeitnehmern Versicherungsleistungen, und um solche handelt es sich beim Arbeitslosengeld I, legal vorzuenthalten. Ruhen bedeutet nämlich nicht, dass der Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld zeitmäßig gekürzt wird, sondern es wird nur der Beginn des Bezugs nach hinten verschoben. Die gesetzliche Regelung des § 158 SGB III ist dabei so ausgestaltet, dass nahezu jeder Arbeitnehmer, der nicht mit einer Kündigungsfrist von mindestens zwölf Monaten aus dem Arbeitsverhältnis bei bestehenden Sozialplan ausscheidet, unter die Regelung fällt, nach der die Arbeitsagentur ein Ruhen des Anspruchs verhängen kann und zwar selbst dann, wenn die ordentliche Kündigungsfrist nicht verkürzt, sondern eingehalten worden ist.
So zieht Ihnen die Arbeitsagentur einen guten Teil Ihrer Abfindung, die Sie aufgrund eines Sozialplans erhalten, aus der Tasche
Beim Bestehen eines Sozialplans unterstellt die Agentur, dass der Arbeitgeber nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündigen dürfte. Daher werden Sie unter Bezugnahme auf § 158 SGB III so behandelt, als hätten Sie eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Es wird also eine fiktive Kündigungsfrist fingiert, die länger ist, als die Kündigungsfristen der meisten Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und dies kann für Sie als Arbeitnehmer teuer werden. Dies deshalb, weil Sie in der Zeit des Ruhens nicht nur kein Arbeitslosengeld erhalten, also ihren Lebensunterhalt bis zum Ende der Ruhenszeit aus ihrer Abfindungszahlung oder sonstigen Ersparnissen finanzieren müssen, sondern Sie in der Zeit des Ruhens auch nicht kranken- und pflegeversichert sind. Wenn Sie also nicht das Glück haben, über Ihren Ehepartner in eine Familienversicherung zu rutschen, um dort mitversichert zu sein, bedeutet dies, dass Sie sich nunmehr für die Übergangszeit selbst freiwillig krankenversichern müssen. Dies kann teuer werden, weil zur Berechnung der Beiträge nicht nur Ihre Einkünfte, die sie vielleicht noch aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalerträgen erzielen, zur Berechnung der Beitragshöhe herangezogen werden, sondern die Einkünfte Ihres Ehepartners werden Ihnen fiktiv hälftig zugerechnet, so dass schnell eine zusätzliche Belastung von einigen 100 € monatlich auf die Familienkasse zukommt.
Hinzu kommen Nachteile bei der Rentenversicherung, denn die Ruhenszeiten werden nur ausnahmsweise als Anrechnungszeiten berücksichtigt.
Teilzeitbeschäftigte werden besonders hart getroffen
Besonders hart betroffen sind davon Teilzeitkräfte, die zuvor pflichtversichert waren. Aufgrund der Teilzeitbeschäftigung fällt einerseits die Höhe der Abfindungszahlung nach dem Sozialplan im Vergleich zu den Abfindungszahlungen von Vollzeitbeschäftigten aufgrund des geringeren Verdienstes schon entsprechend geringer aus. Waren sie gesetzlich pflichtversichert, dann hatte dies vielleicht, je nach dem, was sie verdient haben nur 100 € im Monat gekostet, krankenversichert zu sein; müssen Sie sich jetzt freiwillig versichern, dann kann es passieren, je nachdem welche Einkünfte Sie oder Ehepartner sonst noch erzielen, passieren, dass Sie nun ein Vielfaches an Krankenversicherung bezahlen müssen, so dass allein für die Krankenversicherung während der Ruhenszeit ein nicht unerheblicher Teil ihrer Abfindung bereits für die Krankenversicherung drauf geht.
So berechnet die Agentur die Ruhenszeit
Für die Dauer der Ruhenszeit nimmt die Agentur als Maßstab 35 % Ihrer Abfindungszahlung. Dieser Betrag wird dann durch Ihr persönliches, kalendertägliches Arbeitsentgelt geteilt. Hieraus ergibt sich dann die Zahl der Ruhenstage, wobei die Höchstdauer einer fiktive Kündigungsfrist von zwölf Monaten ist.
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen, bei denen eine Abfindung nach Sozialplan ohnehin in der Praxis eher theoretisch sein dürfte, besteht die Besonderheit, dass der Ruhenszeitraum spätestens mit dem Ende der Befristung endet.
Wenn Sie also von Ihrem Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung bei bestehenden Sozialplan oder ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung erhalten, dann müssen Sie bei Ihrer Kalkulation, ob Sie gegen Zahlung einer Abfindung auf den Arbeitsplatz verzichten, stets mit einberechnen, dass die Arbeitsagentur sich einen Teil der Abfindungszahlung über das Instrument des „Ruhens des Anspruchs“ mit großer Wahrscheinlichkeit holen wird.
Widersprüchliche gesetzliche Regelungen führen zu Unsicherheit und machen die Rechtslage für den Laien kaum durchschaubar
Berücksichtigt man, dass ein Sozialplan nach der gesetzlichen Legaldefinition des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die wirtschaftlichen Nachteile, die eine geplante Betriebsänderung mit sich bringt, mildern oder ausgleichen soll, dann wird diese Wirkung über die Ebene des Sozialrechts durch § 158 SGB III, jedenfalls teilweise ausgehebelt, wenn nicht gar zunichte gemacht. Wer nämlich arbeitslos wird verliert nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern hat per se beim Bezug von Arbeitslosengeld, bei gleichen Fixkosten und mehr Freizeit, schon monatlich weniger Geld zur Verfügung. Da die Höhe des Arbeitslosengeldes ohnehin der Höhe nach gedeckt ist, werden gerade solche Arbeitnehmer, die über der Bemessungsgrenze verdient und ihren Lebensstandard danach ausgerichtet haben, besonders hart getroffen. Gerade in Ballungszentren, wie im Großraum München, reicht nämlich die Höhe des Arbeitslosengeldes für sich gesehen schon nicht aus, um überhaupt die Mietkosten zu decken. Wer hier also damit kalkuliert, das sich durch die Arbeitslosigkeit ergebende Defizit, eine Zeit lang mit der Abfindungszahlung zu überbrücken, der muss, um nicht unliebsame Überraschungen zu erleben, mit dem Arbeitgeber hart verhandeln, dass vielleicht die Höhe der zu zahlenden Abfindung zulasten der Verlängerung der Kündigungsfrist verringert wird, weil nur so verhindert werden kann, dass Arbeitnehmer in die Sozialplanfalle tappen, mit der Teile der Kosten der Arbeitslosigkeit von den Sozialkassen auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Die versteckt in § 158 SGB III untergebrachte Möglichkeit über das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs faktisch den Arbeitnehmer noch zusätzlich an den Kosten der Arbeitslosigkeit zu beteiligen steht auch im Widerspruch zu § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV wonach Abfindungen, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden nicht unter die Sozialversicherungspflicht fallen.
Die aufgezeigte Problematik taucht nur dann auf, wenn die Abfindung aufgrund eines Sozialplans, eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung gezahlt wird. Abfindungen von Arbeitgebern, bei denen es keinen Betriebsrat gibt und die vom Arbeitnehmer frei ausgehandelt werden, sind nicht betroffen.
Hat Ihnen Ihr Arbeitgeber eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung angeboten? Wir beraten und vertreten Sie gerne und energisch, um das bestmögliche Ergebnis für Sie zu erzielen und dafür zu sorgen, dass auch möglichst viel Abfindung bei Ihnen verbleibt und nicht an andere abfließt.