Der moderne Mensch wird zunehmend digital. E-Mail und Online Banking sind kaum mehr wegzudenken. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Streaming wie Spotify, iTunes oder Amazon Prime erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. So komfortabel die Nutzung neuer Medien für den Nutzer ist, umso komplizierter wird es für die Erben. Dies jedenfalls dann, wenn keine digitale Vorsorgevollmacht vorhanden ist.
Auch das digitale Erbe zählt zum Nachlass
Der Nachlass geht als Ganzes und ungeteilt auf den oder die Erben über. So ist es im § 1922 BGB geregelt. Dies bedeutet, dass der analoge Erbe auch den digitalen Nachlass übernimmt und verwalten muss. Und hier beginnt das Dilemma, denn im Vergleich zur Verwaltung des digitalen Nachlasses ist die Verwaltung des analogen Nachlasses ein Kinderspiel. Briefe, die den Erblasser oder die Erblasserin erreichen wird geöffnet, offene Rechnungen bezahlt und Verträge gekündigt. Macht zwar Arbeit aber ist regelmäßig zu bewerkstelligen.
Mit dem digitalen Nachlass sieht es dagegen nicht so einfach aus oder kennen Sie beispielsweise alle Accounts mit Zugangsdaten und Passwörtern Ihrer Eltern, Großeltern oder andere entferntere Verwandter bei denen Sie vielleicht als Erbe in Betracht kommen?
Digital abgeschlossene Verträge können für die Erben teuer werden
Der moderne Mensch schließt Verträge aber nicht nur analog, sondern zunehmend Online. Folge daraus ist, dass dann auch nicht mehr analog kommuniziert wird, sondern ausschließlich online über E-Mail oder gleich über Online-Archive in die beispielsweise Post und Kontoauszüge eingestellt werden. Folge ist, dass mit Eintritt des Erbfalls zwar fleißig weiter digitale Post eingeht, die dem Erben aber zunächst verborgen bleibt. Rechnungen für das Online-Abo der Tageszeitung, das Konto bei einem Streamingdienst oder einer Online-Bank. Solche Verträge, die unbemerkt weiterlaufen, können für den Erben auf Dauer teuer werden.
Ohne Zugangsdaten geht grundsätzlich gar nichts
Hatte Erbe schon keinen Zugang zum Email-Postfach des Erblassers, dann bleibt zunächst viel im Verborgenen. Meist weiß der Erbe auch gar nicht wo und bei welchen Anbietern der Erblasser online aktiv war. Auch Onlinekonten bleiben ohne entsprechende Zugangsdaten zunächst im Verborgenen.
Wer nun meint, er bekäme ohne weiteres die entsprechenden Daten, jedenfalls zum Email- Postfach oder zum sozialen Netzwerk vom Provider, der irrt, denn losgelöst davon, dass gerade dann, wenn mehrere Erben vorhanden sind und ein Nachlass streitbefangen ist, es lange dauern kann, bis ein zum Nachweis der Erbstellung erforderliche Erbschein erteilt ist, besteht hier oft das Problem, dass Provider den Zugang mit Verweis auf den Geheimnisschutz verwehren. Dies deshalb, weil dann für den Erben auch das, was Dritte dem Erblasser anvertraut haben, sichtbar wird. Wer hier erst anfangen muss mit einem Provider vor Gericht zu streiten, der hat schon deshalb verloren, weil die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen und so allein aufgrund des Zeitablaufs viel Ungemach auf den Erben zukommen kann.
Vorsorgen mit einer digitalen Vorsorgevollmacht
Vorausschauende Erblasser, die ihren Hinterbliebenen jede Menge Arbeit und Ärger ersparen wollen sollten daher nicht nur eine Liste aller Accounts sowie der jeweiligen Passwörter an einem sicheren Ort verwahren, sondern zugleich eine digitale Vorsorgevollmacht errichten. In dieser ist dann festgelegt, welche Person im Fall von Krankheit oder Tod die Zugangsdaten und Passwörter und damit Zugriff zu welchen digitalen Konten bekommen soll und wie mit diesem Konto dann zu verfahren ist.
Für die sichere Ablage von Benutzerkonten und Passwörtern werden heutzutage bewährte und kostenlose Tools zur sog. „Passwortverwaltung“ angeboten. Die meisten dieser Tools speichern die Daten in einer komplex verschlüsselten Datenbankdatei. Eine Speicherung auf einem unverschlüsselten USB-Stick, der bspw. am Schlüsselbund angehängt wird, reicht aus. Das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) nennt hier bspw. das Produkt „Keepass„.
Die Keepass-Datenbankdatei kann direkt vom angesteckten USB-Stick geöffnet und dort auch wieder gespeichert werden. Bei wichtigen Änderungen oder Ergänzungen sollte eine Sicherheitskopie angelegt werden, damit kein Datenverlust droht wenn der Stick verloren geht oder beschädigt wird. Wichtig ist zudem in jedem Fall, dass die Person des Vertrauens Kenntnis über das zum Öffnen der Datenbankdatei nötige Kennwort erlangt.
Last but not least: nicht vergessen die Liste mit allen digitalen Daten von Zeit zu Zeit zu aktualisieren, denn die schönste Liste hilft dem Erben nichts, wenn die Daten nicht mehr aktuell sind.
Wollen auch Sie Ihren digitalen Nachlass regeln? Wir beraten und unterstützen Sie gerne.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.