Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder im Erbrecht bestätigt, und zwar auch rückwirkend. Das Urteil des EGMR vom 07.02.2013 (16574/08) betrifft einen französischen Fall, hat aber auch Auswirkungen auf Deutschland.
Geklagt hatte ein heute 70-jähriger Mann, dessen Mutter 1994 gestorben war. Ihr Erbe ging an ihre zwei ehelichen Kinder, der nichteheliche Kläger ging leer aus. Die zwei ehelichen Kinder hätten wissen müssen, dass ihr Halbbruder ihr alleiniges Erbrecht anfechten würde, befand der Gerichtshof in seinem Urteil. In Frankreich sind eheliche und nichteheliche Kinder erst bei Erbfällen ab 2001 gleichgestellt, in Deutschland erst für Erbfälle ab Mai 2009, nach einem entsprechenden Urteil des EGMR.
Der Anspruch des nichtehelichen Kindes auf einen Teil des Erbes seiner Mutter wiegt schwerer als der legitime Anspruch des Staates, das Erbrecht der ehelichen Kinder zu schützen. Frankreich habe den Beschwerdeführer diskriminiert und gegen den Schutz seines Eigentums verstoßen. Frankreich ist nun angehalten, seine Gesetze entsprechend zu ändern. Auch in Deutschland wird diese rückwirkende Benachteiligung nichtehelicher Kinder mit der Rechtssicherheit für eheliche Erben begründet, so dass das Urteil auch Auswirkungen auf das deutsche Erbrecht haben wird.
Der Bundesgerichtshof hat nämlich noch mit Urteil vom 26.10.2011 (IV ZR 150/10) entschieden, dass der nach der Änderung des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder weiterhin bestehende Ausschluss vor dem 01.07.1949 geborener nichtehelicher Kinder vom Nachlass des Vaters für vor dem 29.05.2009, das heißt vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 28.05.2009 – 3545/04) eingetretene Erbfälle nicht zu beanstanden sei. Zur Begründung hat er damals ausgeführt, dass der Gesetzgeber insbesondere dem grundgesetzlich geschützten Vertrauen von Erblassern und deren bisherigen Erben in die Beibehaltung der alten Regelung eine entscheidende Bedeutung habe beimessen dürfen. Dies dürfte in Anbetracht der neuerlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr haltbar sein.
Rechtsanwalt Graf ist Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.). Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig vom Amtsgericht Wolfratshausen als Nachlasspfleger bestellt.
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