Wer glaubt, dass nur derjenige einen Anspruch auf Grundsicherung hat, der kein Auto oder nur einen alten Kleinwagen fährt, wird durch den nachfolgenden Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16.05.2019 (L 11 HS 122/19 B ER) eines Besseren belehrt. Dort haben die Richter im Rahmen eines Eilverfahren entschieden, dass auch derjenige, der einen riesigen Pick-up Truck von Ford fährt, Anspruch auf Grundsicherung haben kann, wenn kein anderes Vermögen vorhanden ist und durch den Wert des Fahrzeugs insgesamt nicht der Kfz-Freibetrag und der Vermögensfreibetrag überschritten wird.
Jobcenter versagt Grundsicherungsleistungen wegen vorhandenem Pick-Up Truck
Der Antragsteller, ein 58-jähriger Geringverdiener, hatte sich vor 5 Jahren einen riesigen Pick-up Truck, Ford F 150 (US Import) für 21.000 € vom Geld seiner Eltern gekauft. Aufgrund des vorhandenen Fahrzeugs, das in seinem Eigentum stand, hat das Jobcenter die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen verweigert. Das Jobcenter war dabei der Meinung, dass der Mann aufgrund des vorhandenen Kfz nicht hilfsbedürftig sei. Nach eigenen Internetrecherchen aber auch einem Angebot eines örtlichen Gebrauchtwagenhändlers sei von einem Wert von 20.000 € auszugehen, sodass zunächst das Kfz verwertet werden müsse.
Vermögensfreibetrag ist zum Kfz-Freibetrag hinzuzurechnen
Die Richter am Landessozialgericht sahen dies anders und haben im Rahmen eines entsprechenden Eilantrags das Jobcenter vorläufig zur Gewährung von Leistungen verpflichtet. Die Richter haben dabei ausgeführt, dass trotz des vorhandenen Kfz die zur Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit maßgeblichen Freibeträge nicht überschritten seien. So habe der Antragsteller zur Erhaltung der Mobilität zur Arbeitsaufnahme zunächst einen Kfz-Freibetrag von 7.500 €. Hinzu komme ein mit zunehmenden Alter ansteigender Vermögensfreibetrag. Dieser beläuft sich, bezogen auf das Lebensalter des Antragstellers auf 9.300 €. Deshalb hätte der Kläger das Kfz nur verwerten müssen, wenn dessen Wert 16.800 € übersteigen würden.
Dass der Wert des Fahrzeugs über diesen Betrag liegen würde, sahen die Richter dagegen nicht. Dies deshalb, weil bereits bei einem jährlichen Wertverlust durch Alter und Laufleistung von nur 5 % seit Anschaffung des Kfz dieser Wert unterschritten werden würde. Da in dem angestrengten Eilverfahren nur summarisch geprüft und geschätzt werden würde, hat das Gericht nicht nur darauf verzichtet das Kfz in Augenschein zu nehmen, sondern auch ein Wertgutachten einzuholen. Die Einholung eines solchen Wertgutachtens sei vielmehr, so die Richter, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Anmerkung:
Der zuständige Sachbearbeiter beim Jobcenter hat sich hier offensichtlich zu sehr von seinem Bauchgefühl leiten lassen, nämlich dass Grundsicherung einerseits und das Fahren eines überdimensionierten Kfz andererseits sich ausschließen würden. Dabei ist übersehen worden, dass die Wertermittlung – auch von Autos – ein nüchterner Rechenvorgang ohne soziale Missbilligung sein muss. Hätte der Antragsteller nämlich entsprechend seinem Vermögensfreibetrag 9.300 € auf einem Konto und einen Kleinwagen für 7.500 € gefahren, dann hätte wohl das Jobcenter die Bedürftigkeit nicht angezweifelt. Der Fall verdeutlicht, dass Sozialneid in Deutschland auf allen Ebenen weit verbreitet ist.