Der Enkeltrick ist eine perfide Masche von Telefonbetrügern, die sich gezielt ältere, einsame Menschen aussuchen und ihnen vorgaukeln, ein naher Verwandter zu sein, der dringend Geld braucht oder für einen nahen Verwandten anzurufen, der sich in einer Notsituation befindet. Ein besonders krasser Fall ereignete sich kürzlich in München, wo eine 87-jährige Witwe nicht nur Bargeld und Sparbücher, sondern sogar ihre Eheringe und Goldzähne an die Betrüger verlor, weil diese Sachen einem Kurier der Staatsanwaltschaft übergeben hat, um eine Kaution für ihren Sohn zu bezahlen, der Unfallflucht begangen haben sollte und nun schwer verletzt samt Enkeltochter im Gefängnis sitzen würde.
Der betrügerische Anruf
Am vergangenen Samstag hat Margot K. (Name geändert) noch im Kreise ihrer Familie ihren 87stn Geburtstag gefeiert. Umso härter traf die 87-jährige Witwe am darauffolgenden Montagnachmittag (sie hatte Schmerzmittel genommen und sich gerade hingelegt) erhielt einen Anruf von einer Person, die sich als Polizeikommissarin ausgab. Diese erzählte ihr eine Geschichte von einem Unfall, in den angeblich ihr Sohn mit ihrer Enkeltochter verwickelt gewesen sein soll. Sie rufe an, weil der Sohn auf der Autobahn einen Fahrradfahrer totgefahren und dabei Fahrerflucht begangen hätte. Die Beweislage sei erdrückend, weil es nicht nur Zeugen gäbe, sondern auch ein Foto auf dem zu sehen sei, dass der Sohn während der Fahrt mit seinem Handy telefoniert habe. Um zu verhindern, dass Sohn und Enkeltochter, nun ins Gefängnis müssen, sei eine Kaution von 30.000 € erforderlich, weswegen sie bei ihr anrufen würde. Nur, wenn die Kaution noch heute bezahlt werde, könne man auch die Presse heraushalten und so verhindern, dass die Sache publik werde und hierdurch der Sohn, der bei dem Unfall ebenfalls schwer verletzt worden sei, noch beruflichen Schaden leiden würde.
Das mehrstündige Telefonat
Die vermeintliche Polizeikommissarin führte ein mehrstündiges Telefonat mit der Witwe, um sie emotional zu manipulieren und Vertrauen aufzubauen. Während des Gesprächs wurde die Geschichte immer komplexer. Zunächst kam eine 2. Personen Spiel, die sich als Enkeltochter ausgab und ihre „Omi“ anflehte, sie müsse helfen und alles Geld geben, dass sie auftreiben könne. Selbst hier wurde die Seniorin nicht misstrauisch, denn, dass die Stimme etwas anders als gewohnt klingt, wurde damit erklärt, dass sie sich bei dem Unfall schwer auf die Zunge gebissen habe und stark bluten würde. Es kam dann sogar ein Sanitäter ins Spiel, der jetzt die Aufmerksamkeit der Enkelin benötigte, um diese medizinisch zu versorgen. Zuvor flehte der Enkelin aber noch einmal voller Inbrunst, dass die Seniorin bitte, bitte helfen müsse, damit der Papi und sie nicht ins Gefängnis müssten. Die Anrufer waren echte Profis, denn im Hintergrund wurden sogar Geräusche eines Polizeieinsatzes eingespielt, um die Authentizität der erfundenen Geschichte zu untermauern. Als die Rentnerin angab, dass sie nicht über so viel Geld verfügen würde, wurde zunächst nachgefragt, ob sie nicht Goldbarren oder Goldmünzen zu Hause hätte, die sie geben könne. Als auch dies verneint wurde, wurde nach Schmuck gefragt und sodann Rücksprache mit einem „Staatsanwalt“ gehalten, ob als Kaution auch Schmuck in Betracht käme. Zwischenzeitlich war auch ein Rechtsanwalt, der Schneider heißen sollte, involviert, der dem Staatsanwalt dann das Zugeständnis abringen konnte auch Schmuck, aber nur Goldschmuck, zu akzeptieren.
Um Vertrauen zu der Seniorin aufzubauen, erzählte die Anruferin nicht nur Anekdoten aus dem stressigen Polizeialltag und den damit verbundenen Überstunden, sondern durch subtile Fragestellungen gelang es ihr auch die Rentnerin so zu manipulieren, dass diese im Nachhinein der Meinung ist, ihre Familienverhältnisse seien der Anruferin bestens bekannt gewesen. Dass sie es wohl gewesen ist, die diese im Laufe des Gesprächs mit den nötigen Informationen versorgt hat und dann 1 zum anderen kam, möchte sie nicht wahrhaben. Nachdem das Gespräch über mehrere Stunden ging, um die Rentnerin so lange am Telefon zu halten, bis der Kurier vor Ort war, um die Beute abzuholen, zeigte sich die Anruferin auch noch fürsorglich und Rita Rentnerin, sie möge sich erst einmal ein Glas Wasser nehmen, weil es warm draußen sei und alte Menschen an solchen Tagen viel trinken müssten. …
Die Abholung der Beute
Gegen 20:00 Uhr war es dann soweit: an der Tür des Mehrfamilienhauses in München klingelte ein junger Mann, den die Rentnerin als sympathisch, ca. 20-25 Jahre alt, und blond beschrieben hat und der sich mit dem Namen „Jakob“ vorgestellt hat. Die Rentnerin, die selbst als Mutter ihren Kindern stets eingebläut hat, dass man Fremde nicht in die Wohnung lässt, war zwischenzeitlich so von der Geschichte gefangen, dass sie den Besucher sogar in ihre Wohnung lassen wollte…
Das wollte „Jakob“ aber nicht, so dass er an der Tür stehen blieb, während sie eine größere Menge Bargeld, ein Sparbuch, ihren Goldschmuck und sogar ihre Eheringe und alte Goldzähne, die sie zu Hause hatte, übergeben hat. Eine Quittung hat natürlich weder verlangt noch erhalten. Jakob bedankte sich artig, und schärfte der Rentnerin nochmals ein, wie bereits zuvor die „Polizeikommissarin“ , dass sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, also auch anderen Verwandten oder Bekannten zunächst nichts davon erzählen dürfe, weil ansonsten die Kaution verfällt und sie ihre Sachen nicht mehr zurückbekommt. Sie dürfe erst am folgenden Tag ab 9:00 Uhr darüber sprechen. An diesem Tag würde sie auch ihren Schmuck zurückerhalten, nachdem er bei der Staatsanwaltschaft geschätzt worden sei …
Wenn Sie nun meinen, selbst schuld, wenn man zu unreflektiert leichtgläubig ist. Das würde Ihnen oder Ihren Eltern nicht passieren, dann lassen Sie außer Acht, dass Opfer solcher Betrüger regelmäßig alte, alleinstehende und damit einsame Menschen sind, die oft froh sind, wenn in ihrem Leben überhaupt etwas passiert, insbesondere, aber jemand sich für sie interessiert und vor allen Dingen ihnen auch zuhört, sie also Ansprache haben. So gelingt es den Anrufern, wie in diesem Fall, einfach durch zuhören zunächst so viele Informationen zu sammeln, die sie brauchen, um ganz gezielt die Geschichte weiter am Laufen zu halten und am Ende bei dem Opfer den Eindruck zu generieren, es sei kein Zufall gewesen, sondern die Anrufer müssten mit der Familie bekannt sein…
Ist das Opfer nicht gerade vom Altersgeiz befallen, dann kommt weiter hinzu, dass sich potentielle Opfer plötzlich in eine Situation wiederfindet, in der man in der Familie wieder gebraucht wird und sei es nur, so wie hier, Geld zu geben, um Unheil von Sohn und Enkeltochter (drohendes Gefängnis und Zerstörung der beruflichen Existenz) abzuwenden. Kinder von solchen Opfern bekommen dann oft zu hören, dass man doch nur den Kindern helfen wollte, weil man alles für seine Kinder tun würde …
Zu guter Letzt herrscht in der alten Generation auch noch eine Obrigkeitshörigkeit, die Argwohn gegenüber sog. Respektspersonen, wie Polizei oder Staatsanwaltschaft, nicht zulässt. Die Rentnerin, die hier den Betrügern auf den Leim gegangen ist, ist Witwe eines Polizeibeamten. Von daher hatte die Anruferin bereits per se quasi als Kollegin einen Vertrauensvorschuss. Dass die Geschichte für sich gesehen völlig unrund ist, was schon beim Fahrradfahrer auf der Autobahn beginnt, aber auch die behauptete Unfallflucht nicht mit der Schilderung der schweren Verletzungen des Sohnes, aber auch der Enkeltochter, nicht in Einklang zu bringen ist und schon gar nicht, dass es die Staatsanwaltschaft auf Eheringe und Goldzähne abgesehen hat,jemand im Auftrag der Staatsanwaltschaft kommt, ohne sich auszuweisen und ohne den Empfang zu quittieren, spielt dann, wenn Vertrauen aufgebaut ist, offensichtlich keine Rolle mehr. Hierbei darf natürlich auch nicht außer acht gelassen werden, dass die Opfer solcher Straftaten, nicht mehr 30, 40 oder 50 Jahre alt sind, sondern regelmäßig die 80 bereits überschritten haben, sich also in einem Alter befinden, bei denen, ähnlich wie bei Kindern, die Fähigkeit zum Misstrauen und Argwohn nur noch eingeschränkt vorhanden ist.
Wie kann man sich und ihre Lieben vor solchen Trickbetrügern schützen?
- Seien Sie skeptisch: Seien Sie misstrauisch gegenüber unbekannten Anrufen, insbesondere wenn es um finanzielle Angelegenheiten oder persönliche Informationen geht. Vertrauen Sie nicht blindlings den Angaben am Telefon, ohne diese zu überprüfen.
- Überprüfen Sie die Identität: Lassen Sie sich am Telefon nicht unter Druck setzen. Fragen Sie nach dem Namen, der Dienststelle und der Telefonnummer der vermeintlichen Polizisten oder Behördenmitarbeiter. Rufen Sie die echte Polizei oder Behörde an, um die Informationen zu überprüfen. Verwenden Sie dabei keine Telefonnummer, die Ihnen der Anrufer gibt, sondern suchen Sie die offizielle Nummer selbstständig heraus.
- Teilen Sie keine persönlichen Informationen mit Unbekannten: Geben Sie am Telefon niemals persönliche oder finanzielle Informationen preis, wie zum Beispiel Bankdaten, Passwörter oder Ausweisnummern. Echte Behörden oder Institutionen würden Sie niemals am Telefon danach fragen.
- Sprechen Sie mit Vertrauenspersonen: Besprechen Sie verdächtige Anrufe mit Familienmitgliedern, Freunden oder Ihrer Bank. Eine zweite Meinung kann helfen, Betrugsversuche zu erkennen und zu verhindern.
- Melden Sie verdächtige Anrufe der Polizei: Wenn Sie einen verdächtigen Anruf erhalten haben, sollten Sie diesen unverzüglich der Polizei melden. Geben Sie alle relevanten Informationen weiter und helfen Sie so mit, potenzielle Betrüger zu identifizieren und vor weiteren Opfern zu schützen.
- Bleiben Sie wachsam gegenüber neuen Betrugsmaschen: Betrüger passen ihre Taktiken ständig an, um ihre Opfer zu täuschen. Halten Sie sich über aktuelle Betrugsmaschen auf dem Laufenden, indem Sie regelmäßig die Informationen der Polizei, Verbraucherschutzorganisationen oder offiziellen Warnungen verfolgen.
Anmerkung:
Der Enkeltrick ist nur eine von vielen Betrugsmaschen am Telefon. Seien Sie immer wachsam und lassen Sie sich nicht täuschen! Wenn Sie ältere Verwandte haben, wie Eltern, Onkel oder Tanten, die allein leben, dann verlassen Sie sich nicht darauf, dass diese durch Meldungen in der Presse über Fälle wie diesen, hinreichend sensibilisiert sind. Sprechen Sie vielmehr diese Thematik offen an und geben Sie Ihren lieben Handlungsvorschläge. Opfer solcher Betrüger erleiden nämlich meist nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden, sondern haben auch psychisch massiv unter der Tat zu leiden, weil sie sich dafür schämen, so leicht gläubig zum Opfer geworden zu sein. Um damit klarzukommen, wird die Schuld gerne auf die nächsten Verwandten verlagert, weil diese nicht darüber aufgeklärt hätten etc. Von daher sollten Sie sich tunlichst zurückhalten, auch wenn sie sich zu Recht fragen, wie man auf so etwas hereinfallen kann, den Betroffenen Vorwürfe zu machen. Wenn in ihrer Familie jemand Opfer eines solchen Betrugs geworden ist, dann sollten Sie auf jeden Fall, auch wenn die Chancen, dass die Täter nachträglich gefasst werden, äußerst gering sind, Strafanzeige gegen unbekannt erstatten. Nur so besteht eine Chance, dass früher oder später ein Senior oder eine Seniorin besser reagieren und die Täter dann vielleicht dingfest gemacht werden. Dass der Kurier die Wohnung der Seniorin nicht betreten wollte, dürfte nichts mit Anstand zu tun gehabt haben, sondern damit, dass er sich für den Fall, dass schon jemand informiert ist, bessere Fluchtchancen ausgerechnet hat, aus dem Treppenhaus als aus der Wohnung zu flüchten. Kommt es dann zu einem Strafverfahren, dann bleibt nur zu hoffen, dass die Akte auf dem Schreibtisch eines Richters oder einer Richterin landet, der mit den Tätern ebenso wenig Mitleid hat, wie diese mit ihren Opfern….