Wer heute einen Internetanschluss hat, der gerät schnell ins Visier der Abmahnungsindustrie, insbesondere dann, wenn minderjährige Kinder mit im Haushalt leben. Abmahnungen wegen sog. Filesharing werden täglich von darauf spezialisierten Kanzleien, die oftmals nichts anderes machen, zu tausenden verschickt. Wer nicht die Abmahngebühren und den meist pauschalierten Schadenersatz bezahlt, muss damit rechnen vor Gericht verklagt zu werden.
Dass man sich erfolgreich zur Wehr setzen kann, zeigt ein aktuelles Urteil des AG Frankfurt a.M. vom 14.06.2013 (30 C 3078/12 (75)). Dort wurde, wie meist, der Familienvater als Anschlussinhaber in Anspruch genommen. Die abmahnenden Anwälte haben dabei wie stets in solchen Fällen damit argumentiert, dass dieser als Inhaber des Anschlusses nach dem vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen zur Anscheinshaftung des Anschlussinhabers haften würde. Der so in Anspruch genommene hat aber nach Auffassung des Gerichts glaubhaft bestritten, dass er selbst die behauptete Urheberrechtsverletzung begangen habe und neben ihm noch seine Ehefrau und seine beiden minderjährigen Kinder den gesicherten WLAN Anschluss nutzen würden. Diese Argumentation hat dem Gericht ausgereicht, um die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit zu entkräften. Das Gericht hat zur Stützung seiner Entscheidung argumentiert:
„Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG, da eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer der behaupteten Urheberrechtsverletzung nicht in Betracht kommt.
Die Klägerin hat dafür, dass der Beklagte selbst die Urheberrechtsverletzung begangen hat, keinen Beweis angeboten. Die Klägerin kann sich insofern auch nicht auf Beweiserleichterungen stützen. Denn die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber eines lnternetanschlusses für eine von diesem Anschluss aus begangene Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010, IZR 121/O8 – juris), ist hinreichend entkräftet.
Die Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers beruht nämlich (mangels einer dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB oder§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG entsprechenden Regelung) nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der Beweis des ersten Anscheins auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen lnternetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des lnternetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers – wie sein Ehegatte – selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können (vgl. OLG Köln. Beschluss vom 24.03.2011, I-6 W 42/11, 6 W 42/11 – juris; OLG Köln, Urteil v.. 16.05.2012, l- 6 U 239/11, 6 U 239/11).
Dies ist vorliegend der Fall, da der Beklagte der ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegenden sekundären Darlegungslast (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 121/08) nachgekommen ist.
Er hat substantiiert dargetan und in seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass neben ihm, die im Haushalt wohnende Ehefrau, seine damals 20-jährige Tochter und sein damals 16-jähriger Sohn über eigene Rechner verfügten, die jeweils Zugriff zu dem W-Lan-Anschluss hatten. Seine Angaben sind glaubhaft und lebensnah. Er berichtete in Übereinstimmung mit der Zeugin widerspruchsfrei und objektiv von den damaligen Verhältnissen. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass in einem Vier-Personenhaushalt im Jahr 2009 alle Familienmitglieder – insbesondere Kinder im Alter von 16 und 20 Jahren – über eigene Computer verfügen und das Internet nutzen.
Es ist daher ernsthaft möglich, dass die rechtsverletzende Handlung von einem der drei weiteren Familienmitglieder begangen worden ist, das ebenfalls den W-Lan-Anschluss des Beklagten nutzte.
Dafür, dass der Beklagte als Anstifter oder Gehilfe an der Tat seiner Familienmitglieder beteiligt gewesen sein könnte und aus diesem Grunde auf Schadensersatz haften würde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.“
Siehe hierzu auch unseren Artikel „Filesharing: Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Haftung des Anschlussinhabers“ vom 21.08.2013