Wer als Inhaber eines Internetanschlusses wegen einer begangenen Urheberrechtsverletzung wegen sog. Filesharing in Anspruch genommen wird, kann seiner Haftung grds. nicht dadurch entgehen, dass er behauptet, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Vielmehr besteht nach ständiger Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung der Haftung des Anschlussinhabers. Um diese Vermutung zu widerlegen reicht es aber grundsätzlich aus, wenn der Anschlussinhaber nachvollziehbar darlegt, dass die Rechtsverletzung auch von einem Dritten begangen worden sein kann. Dies hat das OLG Köln in seinem Beschluss vom 28.05.2013 (6 W 60/13) klargestellt. Es hat damit eine Entscheidung des Landgerichts Köln korrigiert, in dem dieses mit unzutreffender Rechtsauffassung die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung abgelehnt hatte.
Aus den Entscheidungsgründen:
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2. a) Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Beklagte habe die tatsächliche Vermutung, dass eine von ihrem Internetanschluss aus begangene Rechtsverletzung von ihr selber als Anschlussinhaberin begangen worden sei, nicht entkräftet, so ist dies jedenfalls auf der Grundlage ihres Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht zutreffend.
Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12. 5. 2010 – I ZR 121/08 – GRUR 2010, 633 Rn. 12 – Sommer unseres Lebens). Diese tatsächliche Vermutung wird jedoch entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Rn. 34 – Morpheus).
In ihrem Schriftsatz vom 10. 4. 2013 hat die Beklagte dargelegt, dass ihre beiden volljährigen Kinder, die zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung in ihrer Wohnung lebten, über einen eigenen Rechner verfügten, mit dem sie über den Anschluss der Beklagten Zugang zum Internet gehabt hätten. Damit hat die Beklagte Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung von einem Dritten begangen worden ist. Eine weitere Substantiierung ist nicht erforderlich. Dem steht der Umstand, dass die Beklagte keine konkreten Angaben dazu machen kann, ob ihre Kinder zu dem fraglichen Zeitpunkt auch tatsächlich auf das Internet zugegriffen haben, nicht entgegen. Rein tatsächlich kann von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie – fünf Jahre nach der behaupteten Rechtsverletzung – noch Angaben dazu machen kann, ob eines ihrer Kinder an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit Zugriff auf das Internet hatte. Insofern genügt es, wenn sie vorträgt, dass ihre Kinder im fraglichen Zeitraum generell die Möglichkeit des Internetzugangs hatten.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts kann der Vortrag der Beklagten auch nicht so verstanden werden, dass sie eine Rechtsverletzung durch ihre Kinder ausgeschlossen hat. Die Beklagte hat zwar in der Klageerwiderung vorgetragen, sie habe die in Frage kommenden Personen zu der angeblichen Rechtsverletzung befragt, und diese hätten ihr geantwortet, sie hätten mit dieser Rechtsverletzung nichts zu tun. Durch diesen Vortrag wird die ernsthafte Möglichkeit, dass eine etwaige Rechtsverletzung doch durch die Kinder begangen worden ist, nicht ausgeschlossen. Es dürfte grundsätzlich nicht einmal erforderlich sein, dass der die eigene Täterschaft bestreitende Anschlussinhaber weitere Nachforschungen über die möglichen Täter anstellt, insbesondere Personen, die ebenfalls Zugriff auf seinen Anschluss haben, zu ihrer Täterschaft befragt. Wenn dies dennoch, wie im vorliegenden Fall, geschieht und die Befragten eine eigene Täterschaft abstreiten, so ist damit nicht die ernsthafte Möglichkeit ausgeräumt, dass sie dennoch für eine Rechtsverletzung verantwortlich sind. Es besteht in diesem Fall die lebensnahe Möglichkeit, dass der wahre Täter die von ihm begangene Rechtsverletzung wegen der zu erwartenden Konsequenzen nicht zugibt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. 10. 2011 – 22 W 82/11 – MMR 2012, 40, 41).
Entgegen der Annahme in der Nichtabhilfeentscheidung fehlt es auch nicht an entsprechenden Beweisangeboten der Beklagten. Bereits in der Klageerwiderung hat die Beklagte für ihren entsprechenden Vortrag Zeugen benannt (S. 3 der Klageerwiderung = Bl. 157 d. A.). Soweit das Landgericht Zweifel an der Reichweite dieses Beweisantritts hatte, hätte es diese durch Nachfrage klären müssen.
b) Eine täterschaftliche Haftung der Beklagten als Haushaltsvorstand nach § 823 Abs. 1 BGB, die das Landgericht in der Nichtabhilfeentscheidung in Erwägung gezogen hat, kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht und ist jedenfalls mit den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 15. 11. 2012 (I ZR 74/12 – GRUR 2013, 511 Rn. 37 ff. – Morpheus) nicht vereinbar. Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass es dem Inhaber eines Internetanschlusses obliegt, Maßnahmen zu treffen, um Rechtsverletzungen durch volljährige Familienangehörige entgegenzuwirken (Beschluss vom 4. 6. 2012 – 6 W 81/12 – BeckRS 2012, 13493; Urteil vom 17. 8. 2012 – 6 U 208/10 – unveröffentlicht), so betrifft diese Rechtsprechung nicht die Haftung als Täter oder Teilnehmer der Rechtsverletzung, sondern die Inanspruchnahme als Störer.
c) Zutreffend ist, dass die Klägerinnen behauptet und unter Beweis gestellt haben, dass die Kinder der Beklagten die behaupteten Rechtsverletzungen nicht begangen hätten. Sollte diese Behauptung zutreffen, würde damit die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablaufs entfallen, und die Klägerinnen könnten sich wieder auf die tatsächliche Vermutung der Täterschaft der Beklagten berufen. Die Frage wird daher im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären sein. Da das Ergebnis dieser Beweisaufnahme offen ist, ist die Verteidigung der Beklagten insoweit nicht ohne Aussicht auf Erfolg.
3. Auch soweit – hinsichtlich des Klageantrags zu 2) – eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der Störerhaftung in Frage kommt, ist ihre Verteidigung nicht ohne Aussicht auf Erfolg.
a) Wie bereits angesprochen, hat der Senat zwar mehrfach entschieden, dass es dem Inhaber eines Internetanschlusses obliegt, Maßnahmen zu treffen, um Rechtsverletzungen durch volljährige Familienangehörige entgegenzuwirken. Diese Rechtsfrage ist allerdings in der höchstrichterlichen Rechtsprechung umstritten, und im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. 3. 2012 (1 BvR 2365/11 – GRUR 2012, 601 Rn. 23 ff. – Leuchtturm und 99 Luftballons) hat der Senat gerade im Hinblick auf diese Rechtsfrage in dem bereits zitierten Urteil vom 17. 8. 2012 (6 U 208/10) die Revision zugelassen, die auch eingelegt worden ist und über die der Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden hat. Es ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig, schwierige und nicht geklärte Rechtsfragen im PKH-Verfahren zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. 2. 2008 – 1 BvR 1807/07 – NJW 2008, 1060, 1061). Soweit daher eine Störerhaftung der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt in Frage kommt, kann ihr die beantragte Prozesskostenhilfe nicht versagt werden.
b) Zwar hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der Vortrag der Beklagten zur Sicherung ihres W-LAN bislang nicht geeignet ist, grundsätzlich ihre Störerhaftung für Rechtsverletzungen eines Dritten, der sich unbefugt über ihr W-LAN Zugang zum Internet verschafft hätte, auszuschließen (zu den Anforderungen vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12. 5. 2010 – I ZR 121/08 – GRUR 2010, 633 Rn. 33 f. – Sommer unseres Lebens). Aber auch dieser Gesichtspunkt führt nicht dazu, dass die Verteidigung der Beklagten ohne Aussicht auf Erfolg wäre. Sollte sich im Rahmen der gemäß den Ausführungen zu 1.) erforderlichen Beweisaufnahme herausstellen, dass eines der Kinder der Beklagten für die behaupteten Rechtsverletzungen verantwortlich war, so wäre für eine Störerhaftung der Beklagten kein Raum mehr. Eine unzureichende Sicherung des W-LAN hätte sich in diesem Fall nicht ausgewirkt, da sie nicht kausal für die Rechtsverletzung durch einen berechtigten Nutzer des Anschlusses gewesen wäre.
4. Auf die Frage, ob das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Ermittlung der IP-Adresse beachtlich ist, kommt es daher für die Entscheidung über ihren Prozesskostenhilfeantrag nicht an. Der Senat weist allerdings in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die beigezogene Akte 119 Js 7425/08 StA Köln für die Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss der Beklagten wenig aussagekräftig ist, da sich die entsprechenden Vorgänge anscheinend in der Akte des Ausgangsverfahrens 119 UJs 609/08 StA Köln befinden, die jedenfalls dem Senat nicht vorgelegen hat.“
Hinweis:
Bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen handelt es sich um ein Massengeschäft, um das sich eine ganze „Industrie“ gebildet hat. Firmen, die solche Rechtsverletzungen aufspüren arbeiten Hand in Hand mit Kanzleien, die manchmal ausschließlich mit solchen Abmahnungen jährliche Umsätze im Millionenbereich generieren. Wichtig ist bei Erhalt einer Abmahnung nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern fachkundig innerhalb der gesetzten Fristen zu reagieren. Wer glaubt hier selbst verhandeln zu können, der hat meist schon verloren. Guter anwaltlicher Rat ist hier unabdingbar, um mit möglichst geringen Kosten aus der Sache herauszukommen.
Hellhörig sollten Sie auch werden, wenn Anwälte damit werben, dass Sie die Rechtsberatung nichts kosten würde. Gute Leistung kostet Geld. Leider tummeln sich manchmal auch auf Anwaltsseite schwarze Schafe, die die Unerfahrenheit und den Druck, der durch eine solche Abmahnung erzeugt wird zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil schamlos ausnutzen. Uns sind Fälle bekannt, in denen Betroffene hinterher an ihren eigenen Anwalt weit mehr bezahlen sollten, als der Abmahnender verlangt hatte.