Das Recht ist für den juristischen Laien manchmal nur schwer zu verstehen und zu akzeptieren. An sich entspricht es dem gesunden Menschenverstand, dass derjenige, der sich nicht ernsthaft auf eine Stellenanzeige bewirbt, sondern nur deshalb, um Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüche gegen den möglichen Arbeitgeber zu erlangen, nicht vom Schutzbereich des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) erfasst werden kann. Dort ist nämlich im § 15 ein solcher Entschädigungsanspruch geregelt, wenn eine Diskriminierung des Bewerbers vorliegt.
Unter Ausnutzung dieser gesetzlichen Regelung hat sich am Bewerbermarkt eine Spezies von Bewerbern gebildet, die ihr Geld nicht mit der eigentlichen Tätigkeit, sondern damit verdienen möchte, dass sie Fehler in Stellenanzeigen ausnutzt, weil beispielsweise eine Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert ist oder aber nur jüngere Arbeitnehmer angesprochen werden, um so Entschädigungsansprüche geltend zu machen.
Zahlt der Arbeitgeber nicht freiwillig, dann wird er (völlig risikolos) vor den Kadi gezogen. Risikolos deshalb, weil es in arbeitsgerichtlich Verfahren keine Kostenerstattung in erster Instanz gibt. Vertritt sich der vermeintliche Bewerber selbst, entstehen ihm keine Kosten und er kann darauf spekulieren, dass der Arbeitgeber – oft unterstützt von den Arbeitsrichtern, die das leidige Verfahren möglichst schnell beendet wissen wollen – sich im Rahmen eines Vergleichs zu einer Zahlung verpflichtet, um nicht länger behelligt zu werden.
Bleibt ein Arbeitgeber dagegen hart, dann sind einige Arbeitsgerichte (manchmal) dazu übergegangen, den persönlichen Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in derartigen Fällen zu verneinen, mit der Begründung, dass derjenige, aus dessen Bewerbung bereits hervorgeht, dass er nicht eine Einstellung und Beschäftigung sucht, sondern nur den Status als Bewerber erreichen möchte, nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 6 AGG fällt.
Das Bundesarbeitsgericht, bei dem ein solcher Fall nun gelandet ist, war sich allerdings unsicher, ob eine derartige Sichtweise mit Europarecht zu vereinbaren ist und hat mit Beschluss vom 18.06.2015 (8 AZR 848/13 (A) die Frage vorgelegt, ob das Unionsrecht dahingehend auszulegen sei, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?
Ausgangspunkt war die Bewerbung eines Rechtsanwalts, der bereits seit 8 Jahren seine Ausbildung abgeschlossen und seit dieser Zeit überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt gearbeitet hatte und sich im Jahr 2001 auf die Stellenanzeige eines Versicherungskonzerns beworben hatte, der ein Traineeprogramm, also ein Programm für Hochschulabsolventen und damit Berufsanfänger, ausgeschrieben hatte.
Nachdem die Versicherung die Bewerbung abgelehnt hatte, verlangte der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 14.000 €. Eine nachfolgende Einladung zu einem Gespräch mit dem Personalleiter lehnte er ab und schlug vor erst nach Ausgleich seines Zahlungsanspruchs über seine mögliche Zukunft im Geschäftsbetrieb der beklagten Versicherung zu sprechen.
Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens geht das BAG davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat.
Das Bewerbungsschreiben steht einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch hat er ausgeschlagen. Damit ist der Kläger nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“ i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage, so die Richter.