Pflichtteilsberechtigte stehen meist vor dem Problem, dass sie den auf Geld gerichteten Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben zahlenmäßig nicht beziffern können. Deshalb gibt ihnen das Gesetz einen Auskunftsanspruch, wonach der Erbe ein Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls erstellen muss. Der Pflichtteilsberechtigte kann dabei – nach seiner Wahl – auch verlangen, dass dieses Verzeichnis nicht vom Erben persönlich, sondern von einem Notar erstellt wird (sog. notarielles Bestandsverzeichnis).
Kommt der Erbe innerhalb einer vom Pflichtteilsberechtigten gesetzten Frist zur Vorlage eines solchen Verzeichnisses nicht nach, dann wird der Pflichtteilsberechtigte regelmäßig gut beraten sein, seine Ansprüche im Wege einer Stufenklage geltend zu machen. Die erste Stufe stellt dabei den Auskunftsanspruch dar, in der dann Auskunft über Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Verzeichnisses verlangt wird.
Wird im Rahmen einer solchen Klage der Erbe dann zur Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses verurteilt, dann genügt er seiner Verpflichtung nicht, wenn er lediglich einen Notar beauftragt, nicht aber gleichzeitig darauf hinwirken, dass dieser auch zügig das Verzeichnis erstellt. Auch, wenn bei der Beauftragung eines Notars gewisse Arbeitsverzögerungen im Rahmen des Geschäftsbetriebs des Notariats hingenommen werden müssen, so muss der Erbe, wenn der Notar nicht zeitnah seiner Verpflichtung nachkommt, will er nicht riskieren, dass der Pflichtteilsberechtigte gegen ihn ein Zwangsgeld vom Gericht festsetzen lässt, gegen den Notar vorgehen oder aber den Notar wechseln. Dies hat das OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 14.07.2015 (19 W 67/14) entschieden und die Verhängung eines Zwangsgeldes i.H.v. 2.000 € gegen den Erben bestätigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Auskunftsverpflichtung nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB ist auf eine unvertretbare Handlung gerichtet, deren Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat, auch wenn die Mitwirkung eines Dritten – hier: des Notars – notwendig ist. Zwar fallen Verzögerungen bei der Arbeit der Notariate grundsätzlich nicht den jeweiligen Antragstellern zur Last. Sind diese Antragsteller aber gleichzeitig Schuldner eines Anspruchs – hier: eines Auskunftsanspruchs -, so obliegt es ihnen nicht nur, auf eine zeitnahe Erledigung mit Nachdruck hinzuwirken (vgl. BGH Beschluss vom 18.12.2008, I ZB 68/08, BGH Beschluss vom 27.11.2008, I ZB 46/08), sondern – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – bei Erfolglosigkeit dieses Bestrebens gegebenenfalls Rechtsbehelfe gegen den Notar zu ergreifen oder einen anderen Notar zu beauftragen.
Diesen Anforderungen ist der Erbe als Schuldner bereits nach seinen eigenen Angaben nicht ausreichend nachgekommen. Es mag dahin stehen, ob es bereits erforderlich gewesen wäre, auf den ursprünglichen beauftragten Notar einzuwirken, als dieser den ursprünglich angenommenen Auftrag nicht mehr ausführen wollte. Dem Senat wurde ein notarielles Teilnachlassverzeichnis übersandt, welches sich ausschließlich zu beweglichen Gegenständen des Nachlasses verhält. Damit hat der Schuldner aber – entgegen seiner Würdigung – längst nicht alles getan, um auf eine zeitnahe Erledigung hinzuwirken.
Wieso bis heute die Verpflichtung aus dem Teilurteil noch immer nicht vollständig erfüllt ist, wird auch nicht ansatzweise deutlich; erst recht nicht, welche Maßnahmen der Erbe als Schuldner noch eingeleitet hat, um eine Erfüllung herbeizuführen.“
Anmerkung:
Auch, wenn der Pflichtteilsberechtigte der Höhe nach seinen Anspruch meist nicht vollständig ohne Auskunft beziffern kann, so empfiehlt es sich bereits frühzeitig dennoch einen zahlenmäßig benannten Betrag vom Erben zu fordern, um diesen insoweit in Verzug zu setzen und Verzugszinsen in Lauf zu setzen. Gerade dann, wenn ein Rechtsstreit durch langwierige Auskunftserteilung verzögert wird, kann die hierdurch begründete Zinsforderung i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz doch erheblich ins Gewicht fallen.
Pflichtteilsansprüche verjähren in drei Jahren. Als Pflichtteilsberechtigter müssen Sie also rechtzeitig aktiv werden, wollen Sie nicht Gefahr laufen, dass der Anspruch verjährt.
Haben Sie Ärger rund um den Pflichtteil, gleichgültig ob als Pflichtteilsberechtigter oder Erbe? Wir helfen Ihnen gerne.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.