Enterbt der Erblasser seine Kinder und entzieht diesen gleichzeitig den Pflichtteil und setzt stattdessen Dritte als Erben ein, dann wird dadurch ein Pflichtteilsanspruch der Enkel nicht berührt. Haben die Erben den Nachlass bereits verteilt und verbraucht oder anderweitig weitergegeben, so haften sie auch mit ihrem Privatvermögen für Pflichtteilsansprüche (OLG Hamm, Urteil vom 26.10.2017, 10 O 31/17).
Erblasser enterbt seine Kinder
Der Erblasser hatte 2 Söhne. Diese hat er mit einem Testament aus dem Jahr 1989 nicht nur enterbt und stattdessen zu testamentarischen Erben seine Lebensgefährtin und deren Bruder eingesetzt. Gleichzeitig hat er seinen Söhnen den Pflichtteil entzogen. Die Enterbung sowie dem Pflichtteilentzug hatte er mit der Rauschgiftsucht seiner Söhne begründet und auf von diesen begangene Straftaten hingewiesen. Der jüngere Sohn, der Vater des Klägers habe zudem eine Körperverletzung gegenüber angegeben. Der ältere Sohn dagegen war bereits kinderlos vorverstorben. Der Erblasser verstarb 2011.
Einziger Enkel macht Pflichtteilsansprüche gegen die Erben geltend
Der Wert des Nachlasses, den die Erben bereits unter sich aufgeteilt hat, belief sich auf knapp 2.000.000 €. 2014 machte dann der Enkel als Kläger knapp 1 Million € als Pflichtteilsanspruch geltend. Er trägt dazu vor, dass er ohne das Testament Alleinerbe geworden sei, so dass er ½ des Nachlasswerts als Pflichtteil beanspruchen könne. Die Erben haben sich damit verteidigt, dass sie den Nachlass bereits verbraucht bzw. weitergegeben hätten.
OLG bejaht Pflichtteilsanspruch des Enkels
Die Richter haben die Erben zur Zahlung des Pflichtteils verurteilt. Durch die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin und ihres Bruders ist nämlich der Enkel von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.er ist als entferntere Abkömmlinge pflichtteilsberechtigt, weil der Erblasser seinem Sohn, also dem Vater des Klägers, den Pflichtteil entzogen hatte, so dass eine vorrangige Pflichtteilsberechtigung des Vaters nicht gegeben sei.
Da im Testament nur der Pflichtteilsentzug hinsichtlich der Söhne, nicht aber von deren Nachkommen angeordnet war und in Bezug auf den Enkel ohnehin kein Grund für einen Pflichtteilsentzug ersichtlich ist, besteht ein Pflichtteilsrecht des Enkels in der geltend gemachten Höhe. Der Umstand, dass der Nachlass ganz oder jedenfalls teilweise nicht mehr vorhanden ist, spielt dabei keine Rolle, denn bei geteiltem Nachlasses, so die Richter, haftet der Erbe mit seinem gesamten Vermögen, also auch seinem Privatvermögen.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.