Verstirbt der Erblasser, ohne dass er den ihm zustehenden Jahresurlaub nehmen konnte, dann können die Erben vom Arbeitgeber Urlaubsabgeltung verlangen (EuGH, Urteile vom 06.11.2018, C – 569/16 und C – 570/16).
Witwen verlangen vom Arbeitgeber Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Jahresurlaub
Geklagt hatten 2 Witwen, die vom Arbeitgeber Urlaubsabgeltung haben wollten, weil ihre Ehemänner vor ihrem Tod nicht mehr den gesamten ihnen zustehenden Jahresurlaub nehmen konnten.
Während das Arbeitsgericht den Klagen stattgegeben hatte, hatte das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen, sodass der Rechtsstreit zunächst beim BAG gelandet war. Dort haben die Richter das Verfahren ausgesetzt und zunächst eine Entscheidung des EuGH herbeigeführt. Nach deutschem Recht (§ 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB wird nämlich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht Teil der Erbmasse.
EuGH spricht Erben Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu
Die Richter am EuGH haben klargestellt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach Unionsrecht nicht mit seinem Tod untergeht. Wenn, so wie in Deutschland, nationales Recht eine solche Möglichkeit ausschließt und sich daher mit dem Unionsrecht als unvereinbar erweist, dann könnten sich die Erben unmittelbar auf Unionsrecht berufen und zwar gleichgültig davon, ob es sich um einen öffentlichen oder um einen privaten Arbeitgeber handeln würde.
Zwar könne der Erholungszweck den der Urlaub habe, im Falle des Todes des Arbeitnehmers nicht mehr erreicht werden, so die Richter. Darauf komme es aber nicht maßgeblich an, weil Urlaub neben dem Erholungszweck auch eine finanzielle Komponente aufweisen würde. Dies ergebe sich daraus, dass Arbeitnehmer während des Urlaubs weiterhin von ihrem Arbeitgeber bezahlt werden würden und für den Fall, dass aufgrund der Beendigung des Arbeitsergebnisses Jahresurlaub nicht eingebracht werden kann, einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich hätten. Diese finanzielle Komponente sei wiederum rein vermögensrechtlicher Natur und daher bestimmt in das Vermögen des Arbeitnehmers überzugehen. Deshalb steht der Anspruch dann auch demjenigen zu, auf denen das Vermögen im Wege der Erbfolge übergeht.
Die Richter am EuGH haben den BAG weiter aufgezeigt, dass diese die deutschen erbrechtlichen Regelungen, wenn sie nicht im Einklang mit Union Recht ausgelegt werden könnten, und angewendet lassen müssten.
EuGH maßregelt deutschen Gesetzgeber
Im Ergebnis ist die Entscheidung zu begrüßen und sachlich gerechtfertigt, denn es ist nicht einzusehen, weshalb einerseits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Arbeitnehmers ein gesetzlich geregelter Urlaubsabgeltungsanspruch besteht, während andererseits, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers beendet wird, dieser Anspruch ersatzlos untergeht und damit faktisch dem Arbeitgeber anstatt den Erben zugute kommt. Erstaunlich, dass für das, was an sich jedem einleuchtet, das Unionsrecht bemüht werden muss und der deutsche Gesetzgeber hier offensichtlich bewusst oder unbewusst eine Unbilligkeit zulasten der Arbeitnehmer in Kauf genommen hat. Nur so können Unbilligkeiten zwischen Arbeitnehmern vermieden werden, die immer rasch Ihren kompletten Jahresurlaub aufbrauchen und solchen, die er (arbeitgeberfreundlich) sparsam mit ihren Urlaubstagen umgehen und damit den Urlaub zugunsten des Arbeitgebers aufgespart haben.
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.