Ein Testament ist eine bedeutende Möglichkeit, den eigenen Nachlass individuell zu regeln. In Deutschland gibt es zwei Hauptformen des Testaments: das privatschriftliche Testament und das notarielle Testament. Beide Formen haben rechtliche Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Erbscheins. Doch was ist ein Erbschein, wofür wird er benötigt, und wann reicht ein notarielles Testament allein aus, um die Erbfolge zu beweisen? Ein aktuelles Urteil des Kammergerichts gibt hierzu wertvolle Einsichten, insbesondere im Zusammenhang mit der Erbeinsetzung von Nacherben.
Unterschied zwischen privatschriftlichem und notariellem Testament
Ein privatschriftliches Testament wird vom Erblasser handschriftlich verfasst und unterschrieben (§ 2247 BGB). Diese Form des Testaments ist kostengünstig, erfordert jedoch eine präzise Formulierung, um Missverständnisse und Anfechtungen zu vermeiden. Ein privatschriftliches Testament kann leicht verloren gehen oder angezweifelt werden, was zu rechtlichen Unsicherheiten führen kann.
Demgegenüber steht das notarielle Testament, das vor einem Notar errichtet und beurkundet wird (§ 2232 BGB). Der Notar sorgt (im Idealfall) für die korrekte Formulierung und für die Hinterlegung des Testaments im zentralen Testamentsregister. Ein notarielles Testament genießt einen höheren Beweiswert, da es von einer amtlichen Stelle errichtet wurde. Dennoch stellt sich auch bei dieser Form des Testaments die Frage, ob ein Erbschein erforderlich ist.
Was ist ein Erbschein?
Ein Erbschein (§§ 2353 ff. BGB) ist ein amtliches Dokument, das vom Nachlassgericht ausgestellt wird und die Erben legitimiert. Er dient als Nachweis der Erbenstellung gegenüber Dritten, etwa Banken oder Grundbuchämtern. Ein Erbschein ist insbesondere dann notwendig, wenn Dritte Unsicherheiten bezüglich der Erbenstellung haben oder wenn die Erbfolge nicht eindeutig aus öffentlichen Urkunden hervorgeht.
Obwohl notarielle Testamente oft als beweiskräftig angesehen werden, gibt es Fälle, in denen ein Erbschein trotz eines solchen Testaments erforderlich ist – besonders wenn es um die Berichtigung des Grundbuchs geht.
Die Entscheidung des Kammergerichts zur Erbeinsetzung von Nacherben
Das Kammergericht hat am 9. Juli 2024 (KG 9.7.24, 1 W 27/24) entschieden, dass ein Erbschein auch dann erforderlich sein kann, wenn ein notarielles Testament vorliegt, insbesondere wenn die Nacherben nicht namentlich im Testament benannt sind. In dem Fall ging es um die Erbeinsetzung von Kindern als Nacherben, deren genaue Identität jedoch im Testament nicht eindeutig nachweisbar war.
Das Gericht stellte fest, dass die Erbenstellung der Kinder durch die Vorlage von Geburtsurkunden allein nicht hinreichend nachgewiesen sei. Die Geburtsurkunden belegten zwar die Abstammung der Kinder von der Vorerbin, jedoch nicht, dass es keine weiteren Kinder gab oder gibt. Auch eine eidesstattliche Versicherung der Erben reiche nicht aus, um diese Tatsache zu beweisen, da das Grundbuchamt keine eidesstattlichen Versicherungen annehmen darf. Für die Berichtigung des Grundbuchs sei daher gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO ein Erbschein erforderlich.
Das Gericht betonte, dass der Nachweis, dass keine weiteren Kinder vorhanden sind, nicht nur dann erforderlich ist, wenn konkrete Zweifel bestehen. Vielmehr müsse der Erbe in jedem Fall den vollständigen Nachweis der Erbfolge erbringen. Eine einfache Erklärung der Erben in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO reiche nur aus, um die Abgabe der Erklärung selbst zu bestätigen, nicht aber deren inhaltliche Richtigkeit.
Fazit
Auch wenn ein notarielles Testament im Erbfall grundsätzlich eine hohe Beweiskraft hat, ist es nicht immer ausreichend, um die Erbfolge eindeutig nachzuweisen – insbesondere bei der Erbeinsetzung von Nacherben. Das Kammergericht hat klar entschieden, dass ein Erbschein erforderlich sein kann, wenn die Erbenstellung nicht eindeutig durch öffentliche Urkunden belegt ist. In der Praxis sollten Erblasser daher darauf achten, ihre Testamente so präzise wie möglich zu formulieren, insbesondere wenn es um die Erbeinsetzung von Kindern geht, um unnötige Kosten und Verzögerungen im Nachlassverfahren zu vermeiden.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.